Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Bewertung der Versorgung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nrn. 3, 4 Buchst. c, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 28.06.2000) |
AG München |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 26. Zivilsenats – zugleich Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511,29 EUR (= 1.000 DM)
Tatbestand
I.
Die am 28. Februar 1980 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 5. November 1992 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 2. März 2000 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 1. Juli 2000) und der Versorgungsausgleich geregelt.
Während der Ehezeit (1. Februar 1980 bis 31. Oktober 1992; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben nach den Feststellungen des Amtsgerichts beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2, BfA), die Ehefrau – unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – in Höhe von 874,22 DM und der Ehemann in Höhe von 518,80 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben ist für beide Parteien jeweils eine ehezeitliche Anwartschaft auf Ruhegeld bei der Bayerischen Versicherungskammer, Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen (weitere Beteiligte zu 1, VddB) festgestellt, für die Ehefrau in Höhe von 10.316,04 DM jährlich, für den Ehemann in Höhe von 4.814,04 DM, ebenfalls jährlich.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es im Wege des Rentensplittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der BfA in Höhe von monatlich 177,71 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1992, auf das Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA übertragen und im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Versorgung der Ehefrau bei der VddB auf dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA Rentenanwartschaften von monatlich 90,96 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1992, begründet hat. Dabei hat es die Anwartschaft beider Parteien auf eine Versorgung bei der VddB als statisch bewertet und unter Anwendung der Barwertverordnung in dynamische Anwartschaften von monatlich 265,30 DM für die Ehefrau und 83,38 DM für den Ehemann umgerechnet.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die weitere Beteiligte zu 1 gerügt, das Amtsgericht hätte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Versorgungen beider Parteien aus der VddB als im Leistungsstadium volldynamisch bewerten müssen. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit abgeändert, als zu Lasten der Versorgung der Ehefrau bei der VddB auf dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA Rentenanwartschaften von monatlich 184,09 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1992, begründet werden. Dabei hat das Oberlandesgericht die Anwartschaften der Parteien bei der VddB als im Anwartschaftsteil statisch und im Leistungsteil dynamisch bewertet, hat aber zur Umrechnung in dynamische Anwartschaften deren Barwert nicht nach der Barwertverordnung, die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte „Ersatztabellen” mit 104.449,91 DM für die Ehefrau und 34.300,04 DM für den Ehemann ermittelt und sie auf dieser Grundlage in dynamische Anwartschaften in Höhe von monatlich 548,20 DM für die Ehefrau und 180,02 DM für den Ehemann umgerechnet. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat die Anwartschaften beider Parteien bei der VddB als im Anwartschaftsteil statisch und im Leistungsteil dynamisch bewertet und unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäßigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies ergebe sich daraus, daß die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten „Ersatztabellen” (Glockner/Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Entsprechend sei die amtsgerichtliche Berechnung abzuändern.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht uneingeschränkt stand.
Die vom Beschwerdegericht vorgenommene – und von der weiteren Beschwerde nicht angegriffene – Bewertung der Versorgungen bei der VddB als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 25. September 1996 – XII ZB 226/94 – FamRZ 1997, 161 ff.).
Wie der Senat jedoch (mit Beschluß vom 5. September 2001 – XII ZB 121/99 – FamRZ 2001, 1695) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf „Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte.
3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden, da die Auskünfte über die Versorgungsanrechte der Parteien, die die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrundegelegt haben, teilweise nicht die inzwischen geänderte Rechtslage berücksichtigen:
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. März 1996 (FamRZ 1996, 1137) die Regelungen zum Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit Beitragszeiten mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 1998 die verfassungswidrige Regelung durch eine verfassungsgemäße Regelung zu ersetzen.
Das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 11. Juli 1985 (HEZG; BGBl. 1985 I S. 1450; zum 1. Januar 1986 in Kraft getreten) gewährte Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren wurden, für die Erziehung eines Kindes je Kalendermonat 6,25 Werteinheiten, so daß sich für ein Jahr 75 Werteinheiten ergaben. Der erziehende Elternteil wurde damit so gestellt, als habe er ein Arbeitsentgelt in Höhe von 75 % des Durchschnittsentgelts aller Versicherten erzielt. Insgesamt konnten während Kindererziehungszeiten nur 6,25 Werteinheiten monatlich erreicht werden: Fielen Beitrags-, Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten mit Kindererziehungszeiten zusammen, so konnte eine Erhöhung nicht über 6,25 Werteinheiten erfolgen. Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz – RRG) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261; zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten) wurde diese Regelung übernommen; nach § 70 Abs. 2 SBG VI wurden Kindererziehungszeiten mit 0,0625 Entgeltpunkten je Kalendermonat bewertet, wenn nicht die Entgeltpunkte, die auf Grund eigener Beitragsentrichtung anfallen, höher sind. Je Kind gewährte das SGB VI dabei 36 Monate Kindererziehungszeiten.
Die Auskunft der BfA zu der von der Ehefrau erworbenen Anwartschaft vom 17. Februar 1993 beruht auf § 70 Abs. 2 SGB VI in der damals geltenden Fassung. Sie berücksichtigt noch nicht die Auswirkungen der durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 eingetretenen Änderung des § 70 Abs. 2 SGB VI, zwischenzeitlich ergänzt durch Abs. 3 a, der durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I, 403) eingefügt wurde. Danach wird jeder Kalendermonat der Erziehungszeit mit 0,0833 Entgeltpunkten bewertet, die zu sonstigen Beitragszeiten addiert und nicht verrechnet werden; dabei darf der Höchstbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschritten werden. Schließlich wirken sich die Kindererziehungszeiten auch auf die Gesamtleistungsbewertung und die Bewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten aus.
Da auch für die Höhe des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, wenn es sich – wie hier – nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den zu entscheidenden Sachverhalt erstreckt (st. Rspr. vgl. nur Senatsbeschluß vom 9. Februar 2000 – XII ZB 24/96 – FamRZ 2000, 748, 749; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 38 m.N.), hat die Bewertung der Anwartschaften nach den Maßgaben des § 70 SGB VI in der geltenden Fassung zu erfolgen, die nach Artikel 33 Abs. 12 RRG 1999, Artikel 12 AVmEG auf den vorliegenden Sachverhalt zurückwirken.
Die Sache muß daher an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit das Oberlandesgericht die Versorgungsanrechte der Parteien anhand aktueller Auskünfte feststellen und auf dieser Grundlage den Versorgungsausgleich durchführen kann.
Unterschriften
Hahne, Gerber, Wagenitz, Fuchs, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 788831 |
BGHR 2002, 875 |
FamRZ 2002, 1469 |
FuR 2002, 518 |
Nachschlagewerk BGH |
FPR 2002, 657 |
MDR 2002, 1436 |