Tenor
Die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG ist auch dann ab dem auf die Antragstellung an die zuständige Verwaltungsbehörde folgenden Monat auszuzahlen, wenn der Antrag gestellt wird, bevor eine rechtskräftige gerichtliche Rehabilitierungsentscheidung vorliegt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Im Oktober 2007 beantragte der Betroffene beim Landkreis Aurich die Gewährung einer besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG wegen auf Verurteilungen durch das Kreisgericht Quedlinburg beruhender Freiheitsentziehungen.
Rz. 2
Nachdem er im Januar 2008 von der Behörde auf die Notwendigkeit der Durchführung eines gerichtlichen Rehabilitierungsverfahrens aufmerksam gemacht worden war, stellte er am 11. Februar 2008 bei dem Landgericht Halle den Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung. Mit Beschluss vom 17. September 2008 wurde das Urteil des Kreisgerichts Quedlinburg vom 6. April 1983 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Zugleich stellte das Landgericht fest, dass der Betroffene in der Zeit vom 10. November 1982 bis zum 11. Mai 1983 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
Rz. 3
Nach Abgabe des behördlichen Verfahrens an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt im Oktober 2008 gewährte dieses dem Betroffenen mit Bescheid vom 30. Juni 2009 die besondere Zuwendung für Haftopfer in Höhe von monatlich 250 EUR ab dem 1. Oktober 2008. Gegen diesen Bescheid beantragte der Betroffene am 30. Juli 2009 gerichtliche Entscheidung. Er vertritt die Ansicht, die Zahlung der besonderen Zuwendung für Haftopfer ab dem Zeitpunkt der Antragstellung beanspruchen zu können.
Rz. 4
Das Landgericht Halle wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 6. November 2009 mit der Begründung zurück, der Anspruch auf Opferpension setze die rechtskräftige Rehabilitierung voraus, so dass erst mit der Rehabilitierung ein zulässiger, die Folgen des § 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG auslösender Antrag gestellt werden könne. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner zulässigen Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
Das Oberlandesgericht Naumburg ist – in Abkehr von seiner früheren Entscheidung vom 29. Januar 2009 – 1 Ws Reh 45/09 – (OLGSt StrRehaG § 17a Nr. 3) – der Auffassung, dass für den Beginn der Zahlung der besonderen Zuwendung gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG der Zeitpunkt der Antragstellung auch dann maßgebend ist, wenn noch keine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, und möchte der Beschwerde insoweit stattgeben, als dem Betroffenen die Zahlung der besonderen Zuwendung für Haftopfer für den Zeitraum von November 2007 bis September 2008 verwehrt worden ist. Hieran sieht es sich durch die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. März 2009 – 2 Ws (Reha) 62/08 – gehindert. In dieser Entscheidung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht – entscheidungstragend – die Ansicht vertreten, dass in Fällen, in denen der Antrag auf Zuwendungen gemäß § 17a StrRehaG gestellt wird, bevor eine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, die Leistungen erst für die Zeit ab dem auf die Rechtskraft der Rehabilitierungsentscheidung folgenden Monat zu zahlen sind.
Rz. 6
Das Oberlandesgericht Naumburg hat daher mit Beschluss vom 5. Mai 2010 die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 4, § 13 Abs. 4 StrRehaG dem Bundesgerichtshof zur Beantwortung folgender Frage vorgelegt:
„Ist für den Beginn der Zahlung der monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG unabhängig vom Zeitpunkt der Rehabilitierung allein die Antragstellung maßgebend (§ 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG)?”
Rz. 7
Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts angeschlossen und beantragt zu beschließen:
„Für den Beginn der Zahlung der monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG ist unabhängig vom Zeitpunkt der Rehabilitierung die Antragstellung maßgebend (§ 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG).”
Rz. 8
Einer Anregung des Generalbundesanwalts folgend hat der Senat die Vorlegungsfrage mit Blick auf die der Sache zu Grunde liegenden Verfahrenskonstellation, für welche das vorlegende Oberlandesgericht die Auslegung der Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 StrRehaG geklärt wissen will, wie folgt präzisiert und neu gefasst:
„Ist die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG auch dann ab dem auf die Antragstellung an die zuständige Verwaltungsbehörde folgenden Monat auszuzahlen, wenn der Antrag gestellt wird, bevor eine rechtskräftige gerichtliche Rehabilitierungsentscheidung nach § 12 StrRehaG vorliegt?”
III.
Rz. 9
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 4, § 13 Abs. 4 StrRehaG sind erfüllt. Die Vorlegungsfrage betrifft die – hier entscheidungserhebliche – Auslegung der Regelung des § 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG zum Beginn der Zuwendungsauszahlung, mithin eine Rechtsfrage, die bereits durch ein anderes Oberlandesgericht beantwortet worden ist. Das Oberlandesgericht Naumburg kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts abzuweichen. Zwischenzeitlich hat das Kammergericht mit Beschluss vom 22. Februar 2010 – 2 Ws 86/10 Reha – (ZOV 2010, 140) ebenfalls entschieden, dass bei vorangegangener Antragstellung erst ab Rechtskraft der Rehabilitierungsentscheidung ein Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen nach § 17a StrRehaG bestehe. Auch diese Entscheidung steht der vom Oberlandesgericht Naumburg beabsichtigten stattgebenden Beschwerdeentscheidung entgegen.
Rz. 10
An der Entscheidungserheblichkeit der Vorlegungsfrage würde es allerdings fehlen, wenn nicht die Stellung des Antrags auf Gewährung der besonderen Zuwendung für Haftopfer beim Landkreis Aurich im Oktober 2007, sondern erst der Eingang des Antrags bei dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt im Oktober 2008 als nach § 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG maßgebliche Antragstellung anzusehen wäre. Die Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts, wonach bei Anwendung des § 17a Abs. 4 Satz 1 StrRehaG auf den Antragseingang beim Landkreis Aurich abzustellen ist, weil der Landkreis jedenfalls gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 StrRehaG i.V.m. § 10 Abs. 2 HHG und § 2 Nr. 6 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht des Landes Niedersachsen vom 14. Dezember 2004 zur Entgegennahme und Prüfung des Antrags auf Gewährung der besonderen Zuwendung für Haftopfer berufen war, ist aber zumindest vertretbar und damit für das Vorlageverfahren bindend.
IV.
Rz. 11
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Zur Begründung wird auf die Gründe der Senatsentscheidung vom heutigen Tage in der Vorlegungssache 4 StR 646/09 Bezug genommen.
Rz. 12
Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Bender
Fundstellen