Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 10.09.2019; Aktenzeichen 71 Js 577/18 25 KLs 9/19) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. September 2019 aufgehoben im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen
- bei dem Mitangeklagten Ka. und der Angeklagten A. in Ziffer 6.a.aa. des Urteilstenors in der Höhe eines Teilbetrags von 6.000 Euro,
- bei dem Angeklagten K. und dem Mitangeklagten O. in Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors in der Höhe eines Teilbetrags von 10.000 Euro,
- bei dem Angeklagten K. in Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors in der Höhe eines weiteren Teilbetrags von 1.000 Euro.
Im Umfang der Aufhebung entfällt der Ausspruch über die Einziehung.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagte A. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten K. die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Gründe
Rz. 1
1. Das Landgericht hat die Angeklagte A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen – gesamtschuldnerisch mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten Ka.– in Höhe von 93.000 Euro (Ziffer 6.a.aa. des Urteilstenors) angeordnet. Den Angeklagten K. hat das Landgericht bei Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt; ferner hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen des Angeklagten K. in Höhe von 71.000 Euro gesamtschuldnerisch mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten O. (Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors) sowie in Höhe von weiteren 1.000 Euro (Ziffer 6.a.dd. des Urteilstenors) angeordnet. Die Rechtsmittel führen zu einer teilweisen Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
2. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Rz. 3
3. Der Korrektur bedarf lediglich die Einziehungsentscheidung:
Rz. 4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarben Ka. und die Angeklagte A. im ersten Tatkomplex (Taten 1 bis 10 der Urteilsgründe) eine Gesamtmenge von 2,5 Kilogramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Ausgehend von den zu den einzelnen Taten festgestellten Mindestmengen errechnet sich jedoch nur eine Gesamtmenge von 1,5 Kilogramm Marihuana. Eine Zuordnung der Differenz von einem Kilogramm zu den Taten erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, so dass zu Gunsten der Angeklagten A. davon auszugehen ist, dass sie Taterträge nur aus dem Verkauf von 1,5 Kilogramm Marihuana erwirtschaftete. In Höhe von 6.000 Euro kommt daher mangels Zuordnung zu einer festgestellten Tat eine Einziehung nach §§ 73, 73c StGB nicht in Betracht (vgl. zu den Anforderungen BGH, Beschluss vom 28. März 1979 – 2 StR 700/78, BGHSt 28, 369; BGH, Urteil vom 28. September 1994 – 3 StR 261/94, BGHR StGB § 73, Vorteil 5).
Rz. 5
Dieser Rechtsfehler betrifft den nicht revidierenden Mitangeklagten Ka. in gleicher Weise wie die Angeklagte A.. Die Teilaufhebung der in Ziffer 6.a.aa. des Urteilstenors getroffenen Einziehungsentscheidung ist daher gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten Ka. zu erstrecken.
Rz. 6
b) Hinsichtlich des Angeklagten K. und des nicht revidierenden Mitangeklagten O. hat das Landgericht festgestellt, dass die zuletzt von ihnen gemeinsam zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel (Tat 22 des Angeklagten K. und des Mitangeklagten O.) sichergestellt wurden. Aus dieser sichergestellten Rauschgiftmenge konnten der Angeklagte K. und der Mitangeklagte O. entgegen der Berechnung des Landgerichts keinen Veräußerungserlös in Höhe von 10.000 Euro erwirtschaftet haben, der einer Einziehung nach §§ 73, 73c StGB unterlag. Ein Teilbetrag in Höhe von 10.000 Euro ist deshalb von dem Gesamtbetrag der unter Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors getroffenen Einziehungsentscheidung abzusetzen.
Rz. 7
Die insoweit zum Nachteil des Angeklagten K. rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung betrifft den nicht revidierenden Mitangeklagten O. in gleicher Weise. Gemäß § 357 StPO ist daher die Aufhebung der in Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors getroffenen Einziehungsentscheidung in Höhe des Teilbetrags von 10.000 Euro auf den Mitangeklagten O. zu erstrecken.
Rz. 8
c) Darüber hinaus ist die zu Lasten des Angeklagten K. unter Ziffer 6.a.cc. des Urteilstenors getroffene Einziehungsentscheidung rechtsfehlerhaft, soweit dem Angeklagten K. der Verkaufserlös von 1.000 Euro für 100 Gramm Marihuana, die der Mitangeklagte O. veräußerte, als „gemeinsam” erlangter Tatertrag zugerechnet wird. Die Urteilsfeststellungen tragen in dieser Höhe nicht die Einziehung des Wertes des Tatertrags nach §§ 73, 73c StGB.
Rz. 9
Nach der Rechtsprechung ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17, 5 StR 624/17, BeckRS 2018, 13566 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20).
Rz. 10
Nach den Feststellungen nahm der Mitangeklagte O. dem Angeklagten K. 100 Gramm Marihuana ab und betrieb dessen Verkauf an Endkunden „auf eigene Rechnung”. Dieses Geschäft hat das Landgericht ausdrücklich als „Einzeltat 11 des Angeklagten O.” festgestellt; das gemeinschaftliche Handeltreiben dieser beiden Angeklagten – einhergehend mit der gemeinsamen Verfügung über die erwirtschafteten Erlöse – begann erst danach mit ihren (gemeinsamen) Taten 12 bis 16. Feststellungen dahin, dass der Angeklagte K. von dem Mitangeklagten O. für die Weitergabe dieser 100 Gramm Marihuana einen Geldbetrag erhielt, hat das Landgericht nicht getroffen. Da entsprechende Feststellungen in einem neuen Durchgang nicht zu erwarten sind, lässt der Senat die Einziehungsentscheidung in dieser Höhe entfallen.
Rz. 11
4. Der lediglich geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, die Angeklagte A. teilweise von den durch ihr Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO). Hinsichtlich des Angeklagten K. beruht die Kostenentscheidung auf §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG, § 473 Abs. 4 StPO.
Unterschriften
Sost-Scheible, Quentin, Bartel, Sturm, Rommel
Fundstellen
Dokument-Index HI14204782 |