Verfahrensgang
LG Heilbronn (Entscheidung vom 14.11.2023; Aktenzeichen 15 KLs 657 Js 34032/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 14. November 2023
a) im Schuldspruch - auch soweit es den Mitangeklagten S. betrifft - dahin geändert, dass beide Angeklagten in jedem der Fälle II. 10 bis 15 der Urteilsgründe jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind;
b) im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe im Fall II. 23 der Urteilsgründe entfällt, und klargestellt, dass im Fall II. 24 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe festgesetzt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ ausbeuterischer Zuhälterei, „gemeinschaftlicher“, gewerbsmäßiger Zwangsprostitution in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ ausbeuterischer Zuhälterei, „gemeinschaftlicher“, gewerbsmäßiger schwerer Zwangsprostitution in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ Körperverletzung tateinheitlich mit „gemeinschaftlicher“ ausbeuterischer Zuhälterei, „gemeinschaftlicher“ ausbeuterischer Zuhälterei in Tateinheit mit versuchter „gemeinschaftlicher“, gewerbsmäßiger schwerer Zwangsprostitution tateinheitlich mit „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung, „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung, „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ Nötigung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung tateinheitlich mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung tateinheitlich mit „gemeinschaftlicher“ Sachbeschädigung in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung tateinheitlich mit „unerlaubtem“ Führen einer Schusswaffe sowie tateinheitlich mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, „gemeinschaftlichen“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in sechs Fällen tateinheitlich mit „gemeinschaftlicher“ Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 10 bis 15 der Urteilsgründe), „gemeinschaftlichen“ und gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen sowie „gemeinschaftlichen“ und gewerbsmäßigen Einschleusens (von Ausländern) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat - unter Erstreckung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO in den auch ihn betreffenden Fällen II. 10 bis 15 der Urteilsgründe - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch in den Fällen II. 10 bis 15 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte - ebenso wie der Mitangeklagte S. - jeweils tateinheitlich zu dem rechtsfehlerfrei angenommenen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden ist.
Rz. 3
a) Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bedeutet Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an einen Dritten. Sie setzt voraus, dass der Empfänger danach über das ihm übergebene Betäubungsmittel frei verfügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 - 4 StR 318/23 Rn. 3; Beschluss vom 8. Februar 2017 ‒ 5 StR 561/16 Rn. 5; Beschluss vom 29. September 1998 - 4 StR 403/98, NStZ-RR 1999, 89 mwN). Hieran fehlt es, wenn der Täter die Betäubungsmittel einem Boten bzw. Besitzdiener lediglich zum Zwecke des Überbringens überlässt und dieser anschließend auftragsgemäß die Betäubungsmittel dem vorgesehenen Empfänger aushändigt (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 ‒ 2 StR 317/19 Rn. 27;Beschluss vom 17. Oktober 2006 ‒ 3 StR 381/06 Rn. 1; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2003, NStZ 2004, 401; Patzak in Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 838 f. mwN; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1069; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 840;BeckOK-BtMG/Barrot, 23. Ed., BtMG § 29 Rn. 344).
Rz. 4
b) Die von der Strafkammer in den Fällen II. 10 bis 15 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Danach haben der Angeklagte und der nichtrevidierende Mitangeklagte das zuvor in Kleinmengen portionierte Kokain entweder selbst oder über die für sie arbeitenden Prostituierten an deren Freier verkauft. Die Prostituierten waren damit als bloße Botinnen der Angeklagten tätig, denn sie haben lediglich weisungsgebunden den Gewahrsamswechsel von den Angeklagten auf die Abnehmer bewirkt.
Rz. 5
c) Der Senat ändert den Schuldspruch in den sechs in Rede stehenden Fällen (Fälle II. 10 bis 15 der Urteilsgründe) entsprechend ab, wobei es der rechtlichen Bezeichnung der Tat im Schuldspruch als „gemeinschaftlich“ nicht bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17 Rn. 3 mwN). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Die gegen die Angeklagten in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen können gleichwohl bestehen bleiben. Zwar hat die Strafkammer beiden Angeklagten angelastet, dass sie mehrere Delikte tateinheitlich verwirklicht haben; der Senat schließt jedoch aus, dass das Landgericht angesichts des unverändert gebliebenen Tatbildes niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte.
Rz. 6
2. Zudem bedarf der Strafausspruch bei dem Angeklagten insoweit der Korrektur, als das Landgericht gegen ihn in einer tabellarischen Reihung „für die Tat 23“ eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und nachfolgend wiederum „für die Tat 23“ eine weitere Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe verhängt hat.
Rz. 7
Der Fall II. 23 der Urteilsgründe betrifft allein den nichtrevidierenden Mitangeklagten. Die insoweit gegen den Angeklagten verhängte Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe hat daher zu entfallen. Soweit nachfolgend in der letzten Reihe der tabellarisch aufgeführten Einzelstrafen erneut - wie schon in der Zeile davor - „für die Tat 23“ eine Einzelstrafe (nunmehr zwei Jahre Freiheitsstrafe) festgesetzt worden ist, bezieht sich dies offensichtlich auf „die Tat 24“, die dem festgestellten letzten Fall II. 24 der Urteilsgründe entsprechen würde. Der Senat schließt aus, dass der Wegfall der Einzelstrafe eine Auswirkung auf die Gesamtstrafenbildung gehabt hätte.
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RiBGH Dr. Scheuß ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16632464 |