Leitsatz (amtlich)
Eine nichtexistente Beklagte, die im Streit um ihre Parteifähigkeit zu Lasten des Klägers eine Kostengrundentscheidung erwirkt hat, kann im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren zu ihren Gunsten die Festsetzung der durch diesen Streit entstandenen Kosten verlangen.
Normenkette
ZPO §§ 50, 91, 104
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 21.12.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.041,40 EUR
Gründe
I.
[1] Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob der Kläger der (nach Vollbeendigung) nicht mehr existenten beklagten GmbH Kosten aus einem Verfahren vor dem LG zu erstatten hat.
[2] Das LG hat die gegen die Beklagte gerichtete Zahlungsklage, die am 14.2.2003 bei Gericht eingegangen und am 25.3.2003 zugestellt worden ist, rechtskräftig als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
[3] Auf Antrag des für die Beklagte auftretenden Prozessbevollmächtigten hat das LG die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 2.041,40 EUR festgesetzt; die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
[4] Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
[5] 1. Das OLG hat ausgeführt, hier liege kein Fall vor, in dem ein Verfahren gegen eine Partei geführt worden sei, die nicht existiere. Vielmehr habe die beklagte GmbH tatsächlich existiert und sei deshalb rechts- und parteifähig gewesen. Zwar habe die Beklagte diese Parteifähigkeit verloren, weil sie am 23.4.2003 im Handelsregister gelöscht worden sei. Eine aufgelöste und gelöschte Gesellschaft könne aber, wenn sich noch Vermögensgegenstände finden sollten, ihre Existenz wiedererlangen und beispielsweise mit der Behauptung, ihr stehe noch ein Anspruch zu, einen Aktivprozess führen, in dem sie als parteifähig gelte. Die Kostenfestsetzung habe hier zugunsten der gelöschten Beklagten zu erfolgen, weil die Kostengrundentscheidung in einem Verfahren ergangen sei, in dem die beklagte GmbH als Partei im Rubrum aufgeführt sei. Die Beklagte - und nicht etwa eine hinter ihr stehende Person - sei deshalb Gläubigerin des Kostenerstattungsanspruchs.
[6] Die Beklagte sei im Kostenfestsetzungsverfahren auch ordnungsgemäß vertreten gewesen. Der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten habe die zu den Akten gereichte Prozessvollmacht am 8.4.2003 unterzeichnet, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte noch nicht im Handelsregister gelöscht gewesen sei. Diese Vollmacht wirke in das Kostenfestsetzungsverfahren fort, ohne dass zur Vertretung der Beklagten nunmehr ein Nachtragsliquidator bestellt werden müsse.
[7] 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
[8] Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist davon auszugehen, dass die vermögenslose Beklagte nach Rechtshängigkeit der Klage am 23.4.2003 im Handelsregister gelöscht worden ist. Dadurch hat die beklagte GmbH ihre Parteifähigkeit verloren. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die bei Zustellung der Klageschrift am 25.3.2003 noch existente Beklagte schon mit Eintritt der Rechtshängigkeit einen prozessualen - durch eine der Beklagten günstige Kostengrundentscheidung bedingten - Kostenerstattungsanspruch erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.1982 - III ZR 148/81, NJW 1983, 284; v. 21.4.1988 - IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, 3205). Denn bei der Beurteilung der - in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden - Parteifähigkeit bleibt der aufschiebend bedingte Kostenerstattungsanspruch außer Betracht (vgl. BGHZ 74, 212, 213; BGH, Urt. v. 29.9.1981 - VI ZR 21/80, NJW 1982, 238, 239).
[9] a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nicht oder nicht mehr existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (allg. M.; BGH v. 12.5.2004 - XII ZB 226/03, NJW-RR 2004, 1505, 1506; BGHZ 24, 91, 94; 74, 212, 215; BGH Beschl. v. 13.7.1993 - III ZB 17/93, NJW 1993, 2943, 2944). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann.
[10] b) Umstritten ist indessen, ob die Existenz der im Rechtsstreit insoweit als begrenzt parteifähig angesehenen Partei auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren fingiert werden kann, wenn die Klage wegen fehlender Parteifähigkeit des Beklagten als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind.
[11] aa) Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung gilt die im Prozess fingierte begrenzte Parteifähigkeit der nicht existenten Partei auch für das sich anschließende Kostenfestsetzungsverfahren und berechtigt die nicht existente Partei, einen Antrag auf Kostenfestsetzung zu stellen; dessen Gegenstand sind die Aufwendungen, die dem Dritten, der für die nicht existente Partei in einem für zulässig erachteten Verfahren tätig wurde, entstanden sind (BGH v. 12.5.2004 - XII ZB 226/03, NJW-RR 2004, 1505, 1506; OLG Hamburg MDR 1976, 845; OLG Schleswig JurBüro 1978, 1574; OLG Karlsruhe Beschl. v. 17.8.1978 - 13 W 122/78 - Juris; KG AnwBl. BE 1995 300 (LS); OLGReport Saarbrücken 2002, 259; OLGReport Stuttgart 2005, 525).
[12] Uneinigkeit besteht allerdings darüber, zu wessen Gunsten die Kostenfestsetzung verlangt werden kann.
[13] Nach einer Ansicht kann die nicht existente Partei eine Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten verlangen (OLGReport Saarbrücken 2002, 259; OLG Koblenz Beschl. v. 15.5.2001 - 14 W 332/01 - juris; KG AnwBl. BE 1995, 300 (LS)). Da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch seine Grundlage ausschließlich in dem durch den Rechtsstreit begründeten Prozessrechtsverhältnis der Parteien habe, müsse der nicht existente Beklagte, der sich im Prozess gegen die Klage mit dem Einwand seiner fehlenden Parteifähigkeit zur Wehr setzen dürfe, auch berechtigt sein, die ihm in der Kostengrundentscheidung zugesprochene Kostenerstattung im dafür vorgesehenen Kostenfestsetzungsverfahren zu seinen Gunsten geltend zu machen. Der nicht existente Beklagte sei insoweit Auftraggeber im gebührenrechtlichen Sinn.
[14] Demgegenüber wird zum Teil vertreten, die nicht existente Partei könne nur Kostenerstattung zugunsten derjenigen (existenten) natürlichen oder juristischen Person beantragen, die für die nicht existente Partei gehandelt habe (OLGReport Bamberg 2001, 223; OLG München NJW-RR 1999, 1264, 1265; OLG Hamburg MDR 1976, 846; wohl auch Stein/Jonas/Bork 22. Aufl., § 50 ZPO Rz. 59).
[15] bb) Nach anderer Auffassung kann eine schon bei Rechtshängigkeit nicht existente Person schlechthin keine Kostenfestsetzung verlangen, und zwar weder zu ihren Gunsten noch zugunsten des für sie handelnden Dritten. Die Kostengrundentscheidung des Vollstreckungstitels laufe insoweit ins Leere (OLGReport Zweibrücken 2004, 670). Der Dritte könne einen etwaigen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch nur in einem gesonderten Rechtsstreit gegen die klagende Partei geltend machen.
[16] c) Der Senat folgt in den Fällen der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH der Auffassung, wonach die nicht mehr existente Partei zu ihren Gunsten jedenfalls die Festsetzung der im Streit über ihre Parteifähigkeit entstandenen Kosten verlangen kann.
[17] Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch beruht auf dem durch die Erhebung der Klage begründeten Prozessrechtsverhältnis und folgt dem Verursacherprinzip (vgl. Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. vor § 91 ZPO Rz. 6). Die klagende Partei hat dadurch, dass sie gegen eine nicht existente Partei Klage erhoben hat, Veranlassung dazu gegeben, die Frage der Existenz der Beklagten im Rechtsstreit klären zu lassen. Zur Klärung dieser Frage wird die Existenz der Beklagten fingiert. Die Entscheidung des Prozessgerichts, dass die Beklagte nicht existent und damit nicht parteifähig sei, lässt dieses Prozessrechtsverhältnis nicht entfallen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es daher nicht widersprüchlich, sondern konsequent, die prozessrechtliche Fiktion der Existenz der Beklagten auch im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit aufrecht zu erhalten, als es um die Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen im Streit um die Existenz der Beklagten geht.
[18] Die Fiktion erstreckt sich nicht nur auf das Recht der nicht existenten Beklagten, Kostenfestsetzung zu beantragen, sondern gilt auch für die Zuordnung des Kostenerstattungsanspruchs. Der nicht mehr existenten Beklagten, der gestattet wird, sich im Rechtsstreit mit ihrer Nichtexistenz zu verteidigen, kann, wenn sie mit diesem Einwand durchdringt und deshalb eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten erreicht, die Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht mit der Begründung versagt werden, ihr seien keine Kosten entstanden, weil sie nicht existiere. Vielmehr ist die einmal für den Streit um die Existenz fingierte Parteifähigkeit der Beklagten für den gesamten Streit hierüber einschließlich der dadurch entstandenen Kosten aufrechtzuerhalten.
[19] Eine Erstattung zugunsten des für die nicht mehr existente Beklagte handelnden Dritten kommt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht in Betracht. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient allein der Umsetzung der gerichtlichen Kostengrundentscheidung. Antrags- und ausgleichsberechtigt ist nur der im Titel genannte Kostengläubiger (Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 103 Rz. 8 m.w.N.) und nicht ein hinter diesem stehender Dritter. Für Ermittlungen zur Feststellung des Dritten, der für die nicht mehr existente Partei gehandelt hat, ist das Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht geeignet.
Fundstellen