Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelregistersache, Stellvertreterzusatz, Geschäftsführerbefugnisse
Leitsatz (amtlich)
Der stellvertretende Geschäftsführer einer GmbH ist ohne den Stellvertreterzusatz in das Handelsregister einzutragen.
Normenkette
GmbHG §§ 10, 44; HdlRgVfg § 43 Nr. 4
Verfahrensgang
AG München |
BayObLG |
LG München I |
Gründe
Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, hat nach § 4 Abs. 1 ihrer Satzung „einen oder mehrere Geschäftsführer oder stellvertretende Geschäftsführer …”. Am 11. Juli 1996 meldete sie zur Eintragung in das Handelsregister an, daß Herr S. H. durch den Aufsichtsrat der Gesellschaft zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt worden sei. Das Amtsgericht hat mit Zwischenverfügung vom 15. Juli 1996 die von der Anmelderin begehrte Eintragung des Stellvertreterzusatzes abgelehnt, der dagegen eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen und sie als Beschwerde dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat mit Beschluß vom 24. Oktober 1996 die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen hat die Gesellschaft weitere Beschwerde eingelegt. Sie meint nach wie vor, die Eintragung des Stellvertreterzusatzes in das Handelsregister sei – entsprechend der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur – zulässig.
Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte die weitere Beschwerde zurückweisen, sieht sich aber hieran durch die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf vom 28. Februar 1969 (3 W 39/69, NJW 1969, 1259) und Stuttgart vom 15. Juli 1960 (8 W 143/60, NJW 1960, 2150) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Auf die gemäß § 28 Abs. 2 FGG zulässige Vorlage hat der Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG über die weitere Beschwerde zu entscheiden. Sie ist nicht begründet.
Auszugehen ist von der Funktion des Handelsregisters, die darin liegt, Tatsachen und Rechtsverhältnisse der Kaufleute und Handelsgesellschaften zu verlautbaren, die für den Rechtsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind. In das Handelsregister einzutragen sind die kraft Gesetzes anmeldepflichtigen oder eintragungsfähigen Tatsachen, darüber hinaus nur solche, für deren Eintragung ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs besteht. Mit Rücksicht auf die strenge Formulierung des Registerrechts ist aber mit gesetzlich nicht vorgesehenen Eintragungen Zurückhaltung geboten (vgl. Sen. Beschl. v. 30. Januar 1992 – II ZB 15/91, ZIP 1992, 395 = NJW 1992, 1452). Insbesondere darf dadurch das Handelsregister nicht unübersichtlich werden oder zu Mißverständnissen Anlaß geben. Letzteres läßt sich aber bei der Eintragung des Stellvertreterzusatzes nicht ausschließen.
1. Gemäß § 44 GmbHG gelten die für Geschäftsführer gegebenen Vorschriften auch für deren Stellvertreter (vgl. auch § 94 AktG). Dies bedeutet, daß ein stellvertretender Geschäftsführer im Außenverhältnis dieselbe Stellung wie ein ordentlicher Geschäftsführer hat. Seine Vertretungsmacht ist ebenso wie diejenige eines ordentlichen Geschäftsführers gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 GmbHG im Außenverhältnis nicht beschränkbar, etwa auf den Fall, daß ein ordentlicher Geschäftsführer verhindert ist, mag auch seine Geschäftsführungsbefugnis (im Innenverhältnis) einer entsprechenden Beschränkung unterliegen. Dabei kann hier dahinstehen, ob eine solche Beschränkung im Zweifel im Wege der Auslegung aus der Bestellung zum („nur”) stellvertretenden Geschäftsführer folgt (so Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Aufl. § 44 Rdn. 8; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. § 44 Rdn. 3) oder einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag bedarf (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO § 44 Rdn. 2). Denn jedenfalls für die Publizitätsfunktion des Handelsregisters kann es nur auf die Außenbefugnisse des Geschäftsführers ankommen. Betriebsinterne Hierarchien zu verlautbaren, ist nicht Zweck des Handelsregisters.
2. Entgegen der Ansicht des OLG Düsseldorf und des OLG Stuttgart (jeweils aaO) läßt sich die Eintragungsfähigkeit des Stellvertreterzusatzes nicht daraus herleiten, daß der stellvertretende Geschäftsführer in § 44 GmbHG, bzw. das stellvertretende Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft in § 94 AktG (früher § 85 AktG, 1937) als „rechtliche Institution” anerkannt sei. Gegen eine gesetzgeberische Absicht, mit dem Stellvertreter eine besondere Kategorie zu schaffen, spricht vielmehr gerade die ausdrückliche Gleichstellung mit ordentlichen Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern, womit der Gesetzgeber ersichtlich nur eine vorgefundene Erscheinung auf rechtlich sicheren Boden stellen wollte. Nach der für die Eintragung ins Handelsregister maßgebenden Gesetzesbestimmung des § 10 Abs. 1 GmbHG sind nur „die Personen der Geschäftsführer” und die Art ihrer Vertretungsbefugnis (z.B. Einzel- oder Gesamtvertretung) anmelde- und eintragungspflichtig (vgl. auch § 81 Abs. 1 AktG). § 43 Nr. 4 HRV verdeutlicht dies lediglich – als Konsequenz aus §§ 44 GmbHG, 94 AktG – dahin, daß auch die Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsführern (in Sp. 4 des Registers) einzutragen sind, ohne daß damit gesagt wird, daß sie „als Stellvertreter” einzutragen seien. Wollte man hieraus gegenteiliges entnehmen (so z.B. Hüffer, AktG, 2. Aufl. § 94 Rdn. 3), würde das auf eine obligatorische Eintragung des Stellvertreterzusatzes hinauslaufen, die mit § 10 GmbHG nicht in Einklang stünde.
Entgegen der Ansicht der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Stuttgart (jeweils aaO) läßt sich eine fakultative Eintragung des Stellvertreterzusatzes (auf Antrag) auch nicht damit begründen, daß es für einen Dritten wichtig sein könne zu wissen, ob er mit einem nur stellvertretenden Geschäftsführer in Verbindung trete, weil er sich unter Umständen die Einrede der Arglist entgegenhalten lassen müsse, wenn er die Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis des Stellvertreters bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, daß mit dem Stellvertreterzusatz ein der Rechtssicherheit abträglicher Mißtrauenstatbestand gesetzt würde, der mit der Gleichstellung von ordentlichen und stellvertretenden Geschäftsführern gem. § 44 GmbHG unvereinbar ist.
3. Ein Bedürfnis für die fakultative Eintragung des Stellvertreterzusatzes ist auch bei Gesellschaften mit Aufsichtsrat (wie bei der Beschwerdeführerin offensichtlich der Fall) nicht mit einem Kontrollinteresse der Öffentlichkeit im Hinblick auf § 105 AktG (so aber Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. § 44 Rdn. 14) zu rechtfertigen. Einem Kontrollinteresse hinsichtlich der gem. § 105 Abs. 2 AktG zeitlich begrenzt zulässigen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum stellvertretenden Vorstandsmitglied kann durch die Eintragung der Bestellungsdauer besser Rechnung getragen werden. Im übrigen ist nicht ersichtlich, daß der im vorliegenden Fall zur Eintragung in das Handelsregister angemeldete Geschäftsführer Aufsichtsratsmitglied ist.
4. Gegen die Eintragungsfähigkeit des Stellvertreterzusatzes spricht schließlich, daß dieser im Rechtsverkehr zu dem Mißverständnis einer nachrangigen Vertretungsbefugnis Anlaß geben kann (so auch Geßler/Hefermehl, AktG, § 94 Rdn. 3; insoweit zustimmend Hüffer aaO § 94 Rdn. 3). Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß die wahre Rechtslage ohne weiteres aus § 44 GmbHG zu entnehmen sei (wie die Beschwerdeführerin meint). Die derzeitige Fassung des für den Umfang der Eintragung maßgebenden § 10 Abs. 1 GmbHG beruht auf Art. 2 Abs. 1 lit. d der ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 1968 (ABl. Nr. L 65/8 vom 14. März 1968) und dem zu ihrer Durchführung erlassenen Koordinierungsgesetz vom 15. August 1969 (BGBl. I, 1146). Danach sollen u.a. die Befugnisse der mit der Vertretung von Handelsgesellschaften betrauten Personen für jedermann ohne Schwierigkeiten dem Handelsregister zu entnehmen sein, und zwar auch für denjenigen, der mit den jeweiligen nationalen Vorschriften nicht vertraut ist (vgl. EuGH, Urt. v. 12. November 1974 – Rechtssache 32/74, BB 1974, 1500; Sen. Beschl. v. 5. Dezember 1974 – II ZB 11/73, WM 1975, 8), was aber bei Eintragung des Stellvertreterzusatzes nicht gewährleistet wäre. Dessen Nichteintragung entspricht daher auch einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 10 GmbHG, 43 Nr. 4 HRV. Einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag bedarf es bei dieser Rechtslage nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 604858 |
BB 1998, 337 |
DB 1998, 301 |
DStR 1998, 351 |
NJW 1998, 1071 |
NZG 1998, 151 |
WM 1998, 173 |
WuB 1998, 317 |
WuB 1998, 321 |
ZIP 1998, 152 |
AG 1998, 137 |
DNotZ 1998, 968 |
MDR 1998, 295 |
Rpfleger 1998, 161 |
GmbHR 1998, 181 |
ZNotP 1998, 80 |
www.judicialis.de 1997 |