Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 31.05.2021; Aktenzeichen 612 KLs 3/21 6701 Js 250/20) |
Tenor
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31. Mai 2021 mit Ausnahme der Feststellungen zu dem objektiven Tatgeschehen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die auf Beanstandungen formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Beschuldigte im August 2020 unter anderem eine Brandstifung, eine versuchte räuberische Erpressung und drei Sachbeschädigungen zum Nachteil seines Arbeitgebers sowie dessen ebenfalls im Unternehmen – einem Autohaus – tätigen Ehefrau.
Rz. 3
Zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten hat das Landgericht ausgeführt, dass er an einer bipolaren affektiven Störung leide. Sämtliche Taten während der im Tatzeitraum bestehenden manischen Episode mit psychotischen Symptomen und der damit einhergehenden Veränderung der Persönlichkeit des Beschuldigten seien Ausdruck der größenwahnhaften Symptomatik, der Risikobereitschaft, des Verlusts sozialer Hemmungen, eines expansiven Verhaltens, der Gereiztheit sowie zumindest mit Blick auf seinen Arbeitgeber als Geschädigten auch eines assoziierten wahnhaften Erlebens. Bei Begehung aller Taten sei der Beschuldigte daher nur erheblich eingeschränkt in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen (UA S. 26, 60). Hochwahrscheinlich sei die Einsichtsfähigkeit sogar vollständig aufgehoben gewesen, sodass die Strafkammer zu Gunsten des Beschuldigten davon ausgehe, dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe.
Rz. 4
2. Die Unterbringung des Beschuldigten hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 5
Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt zunächst voraus, dass die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Anlasstaten sicher zumindest erheblich vermindert war. Diese Voraussetzung wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Rz. 6
Mit seiner Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten hat das Landgericht die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB noch nicht begründen können. Denn eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war – voll schuldfähig, womit auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kommt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 529/65, BGHSt 21, 27, 28; Beschlüsse vom 20. November 2012 – 1 StR 504/12, NJW 2013, 246, 247; vom 9. April 2013 – 5 StR 120/13, NJW 2013, 2043, 2044, und vom 7. November 2018 – 5 StR 449/18, NStZ 2019, 78 mwN).
Rz. 7
Unzureichend ist auch die ergänzende Feststellung des Landgerichts, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten hochwahrscheinlich vollständig aufgehoben gewesen sei. Mit der daran anknüpfenden Annahme eines Zustands der Schuldunfähigkeit, mit der das Landgericht meint, unter Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Beschuldigten die ihn belastende Maßregel begründen zu können, ist allerdings noch keine sichere positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit verbunden. Eine solche zweifelsfreie Feststellung ist jedoch für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zwingende Voraussetzung (vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 18. Mai 2021 – 6 StR 191/21 mwN).
Rz. 8
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Abläufen der Anlasstaten haben jedoch Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Unterschriften
Cirener, Berger, Gericke, Mosbacher, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14945665 |
NStZ-RR 2022, 7 |
StV 2022, 288 |