Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 29.11.2021; Aktenzeichen 1 KLs - 4 Js 15435/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 29. November 2021, soweit es den Angeklagten Mo. betrifft,
a) dahingehend abgeändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.750 Euro angeordnet wird, für die er als Gesamtschuldner haftet; die weitergehende Einziehung des Wertes von Taterträgen entfällt;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie die Einziehung des in der Wohnung des Angeklagten und des Mitangeklagten M. sichergestellten Geldbetrages in Höhe von 11.250 Euro und des Wertes von Taterträgen in Höhe von 55.000 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Indes bedarf die Einziehungsentscheidung der Korrektur (nachfolgend 1.) und die Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neuer Verhandlung und Entscheidung (nachfolgend 2.).
Rz. 3
1. Die Einziehungsentscheidung bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung, die der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StGB selbst vornehmen kann.
Rz. 4
a) Zwar hat sich das Landgericht auf tragfähiger Grundlage die Überzeugung davon verschafft, dass die in der vom Angeklagten mitbewohnten Wohnung aufgefundenen und sodann sichergestellten Geldscheine im Gesamtbetrag von 11.250 Euro aus dem vorangegangenen Verkauf von Betäubungsmitteln stammten; dass es nicht auszuschließen vermochte, dass dieses Geld auch aus anderen als den zur Verurteilung gelangten Straftaten herrührte und die Einziehungsentscheidung daher insoweit auf §§ 73, 73a StGB gestützt hat, lässt Rechtsfehler ebenso wenig erkennen wie die Annahme, der Angeklagte habe aus den zur Aburteilung gelangten Betäubungsmittelgeschäften insgesamt 55.000 Euro erlangt. Das Landgericht hat aber nicht in den Blick genommen, dass die sichergestellten Geldscheine, soweit sie Erlös aus hier ausgeurteilten Taten sind, Teil des Gesamterlöses sind, und dementsprechend den nach § 73c StGB einzuziehenden Wert von Taterträgen mindern. Da nicht zu erwarten ist, dass sich hinsichtlich des sichergestellten Geldbetrages weitergehende Feststellungen treffen lassen und um jedwede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, ändert der Senat die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen wie aus der Beschlussformel ersichtlich und bringt die 43.750 Euro übersteigende Einziehungsanordnung in Wegfall.
Rz. 5
b) Das Landgericht hat ferner nicht bedacht, dass der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen die erzielten Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften an den Mitangeklagten H., seinen Mittäter, weitergab, der wiederum hiervon seinen Lieferanten bezahlte. Dies zugrunde gelegt haftet der Angeklagte für die Einziehung des Wertes von Taterträgen nur gesamtschuldnerisch, was im Tenor zum Ausdruck zu bringen ist; die Angabe der Namen der mithaftenden Gesamtschuldner ist entbehrlich (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Januar 2020 - 2 StR 283/19 Rn. 2).
Rz. 6
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken und kann keinen Bestand haben; über sie ist neu zu verhandeln und zu entscheiden.
Rz. 7
a) Die Strafkammer bejaht - neben einem Hang, einem symptomatischen Zusammenhang und einer ungünstigen Kriminalprognose - auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs. Zwar habe der Angeklagte angegeben, zu einer Therapie nach § 64 StGB nicht bereit zu sein, er verfüge aber über die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten für eine Therapie und ausreichende Sprachkenntnisse. Die notwendige Krankheits- und Behandlungseinsicht könne „auch im Rahmen der Unterbringung geweckt werden, zumal der Angeklagte bei positivem Verlauf auf eine Aussetzung der Bewährung zum Halbstrafenzeitpunkt hoffen“ könne.
Rz. 8
b) Diese knappen Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beurteilung der konkreten Erfolgsaussicht bedarf einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. April 2021 - 4 StR 506/20 Rn. 10 mwN); zur Bejahung einer Erfolgsaussicht ist es erforderlich, dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Therapieverlauf finden lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 - 3 StR 325/20 Rn. 4). Hieran fehlt es. Es wird schon nicht ersichtlich, worauf im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils die konkrete Erwartung im Hinblick auf den Angeklagten besteht, eine Therapiebereitschaft könne geweckt werden. Überdies vermag alleine eine Therapiebereitschaft - auch wenn dies ein wesentlicher, prognosegünstiger Umstand ist - die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht zu belegen, wenn zugleich prognoseungünstige Umstände von Gewicht festzustellen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 9. April 2019 - 2 StR 518/18 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 1 StR 433/19 Rn. 9). Hiervon ausgehend hätte sich die Strafkammer zumindest mit der Frage befassen müssen, ob der von ihr - dem Sachverständigen folgend - für die Kriminalprognose herangezogene Umstand, dass beim Angeklagten eine langjährige, bereits in Syrien bestehende Abhängigkeit vorliege und er die „Brücken in die Betäubungsmittelszene“ trotz Untersuchungshaft nicht abgebrochen habe, einem Therapieerfolg entgegensteht. Eine - mit Blick auf eine erwartbare Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt - nur abstrakte Hoffnung, eine Therapiebereitschaft könne geweckt werden, kann vorliegend eine konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht begründen.
Franke |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15521874 |