Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Im Beschlußanfechtungsverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz ist ein Beschwerdeführer, der den Anfechtungsantrag nicht gestellt hat, nur dann beschwerdeberechtigt, wenn er den Antrag im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung noch wirksam stellen könnte.
Normenkette
FGG § 20 Abs. 2; WohnungseigentumsG § 43 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 22. Juli 1991 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 2 zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 14.500 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschloß am 8. Dezember 1988, für den Verzicht auf das jeweilige Sondernutzungsrecht an oberirdischen Stellplätzen 14.500 DM an die Antragsgegnerin zu 3 und 20.000 DM an den Antragsgegner zu 8 zu zahlen.
Der Antragsteller hat den Beschluß angefochten. Das Amtsgericht hat dem Antrag insoweit stattgegeben, als dem Antragsgegner zu 8 ein Abfindungsbetrag zugesagt wurde; hinsichtlich der Zahlung an die Antragsgegnerin zu 3 hat es den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil sie keinen Antrag gestellt hätten, den Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären, und deshalb nicht beschwerdeberechtigt seien. Ihre sofortige weitere Beschwerde möchte das Bayerische Oberste Landesgericht ohne Prüfung der materiellen Rechtslage zurückweisen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 1980 (DWE 1980, 131) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 WEG, 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht ist – mit dem Beschwerdegericht – der Ansicht, die Erstbeschwerde sei gemäß § 20 Abs. 2 FGG unzulässig gewesen, weil die Beschwerdeführer keinen Antrag gestellt hätten und deshalb durch die Entscheidung des Amtsgerichts nicht beschwert seien. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung die Meinung vertreten, das Beschwerderecht sei auch gegeben, wenn der Beschwerdeführer zu dem Antrag gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG berechtigt gewesen wäre, ihn aber im ersten Rechtszug nicht gestellt hat. Von dieser, die Auslegung von § 43 Abs. 1 WEG und § 20 Abs. 2 FGG betreffenden Rechtsauffassung will das vorlegende Gericht abweichen. Dies trägt die Vorlage.
III.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig, weil sie sich dagegen richtet, daß das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wurde (Senatsbeschl. v. 17. September 1992, V ZB 21/92, vorgesehen für BGHZ).
2. Die weitere Beschwerde ist aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluß des Landgerichts läßt keine Gesetzesverletzung erkennen (§ 27 Abs. 1 FGG).
a) Zutreffend hat das Landgericht die Beschwerdeberechtigung allein nach § 20 FGG beurteilt und die sofortige Beschwerde zu Recht wegen fehlender Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 2 FGG verworfen.
Die Frage der Beschwerdeberechtigung ist im Wohnungseigentumsgesetz nicht durch besondere Vorschriften geregelt; maßgeblich ist daher insoweit § 20 FGG (§ 43 Abs. 1 und 3 WEG; vgl. Palandt/Bassenge, BGB 51. Aufl. § 43 WEG Rdn. 8 m.w.N.). Verschiedentlich wird in der Rechtsprechung die Meinung vertreten, die Beschwerdeberechtigung ergebe sich jedenfalls im Beschlußanfechtungsverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz unabhängig von den Voraussetzungen des § 20 FGG allein aus der durch § 43 WEG begründeten Beteiligtenstellung (KG OLGZ 1976, 56, 57; 1978, 142, 143; OLG Düsseldorf DWE 1980, 131; OLG Frankfurt OLGZ 1982, 420; vgl. ferner BayObLGZ 1965, 283, 285; BayObLG WE 1991, 291; OLG Karlsruhe WuM 1988, 327). Der Senat teilt diese Auffassung nicht. § 43 Abs. 4 WEG regelt die Frage der an einem Wohnungseigentumsverfahren materiell Beteiligten. Aus einer solchen Stellung wird sich in der Regel auch die rechtliche Beeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG ergeben. Gleichwohl ist dies nicht die zwingende Folge allein aus der Beteiligtenstellung. Die in § 20 Abs. 1 FGG geforderte rechtliche Beeinträchtigung eines Beteiligten ist die zusätzliche Voraussetzung für seine Beschwerdeberechtigung.
b) Soweit eine Verfügung wie im Falle des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen wurde, steht nach § 20 Abs. 2 FGG die Beschwerde nur dem Antragsteller zu. Dies gilt auch, wenn die teilweise Zurückweisung eines Antrags angefochten wird (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 12. Aufl. § 20 Rdn. 48 m.w.N.).
Grundsätzlich ist nach der herrschenden Meinung im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auch beschwerdeberechtigt, wer den Antrag zwar nicht gestellt hat, ihn aber hätte stellen können (vgl. BGHZ 30, 220, 224; BayObLG FamRZ 1990, 1265; KG NJW-RR 1990, 1292; vgl. ferner Keidel/Kuntze/Winkler, aaO § 20 Rdn. 51 m.w.N.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, eine verfahrensökonomisch unerwünschte Wiederholung von Verfahren aus rein formalen Gründen durch eine erneute Antragstellung, eine zwecklose und zeitraubende Häufung abweisender Entscheidungen und unnötige Kosten für die Beteiligten zu vermeiden (vgl. BGHZ 30, 220, 224 f; BayObLG WuM 1991, 627). Dieser rechtspolitische Gesichtspunkt kann aber nur dann zum Zuge kommen, wenn der Beschwerdeführer den Antrag im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung – wie in der Regel im Erbscheinsverfahren – noch wirksam stellen könnte. Ist dies aber nicht der Fall, wäre dem Beschwerdeführer ein Eintrittsrecht in ein von einem anderen veranlaßtes Verfahren zugebilligt, obwohl er selbst ein solches nicht mehr in Gang setzen könnte. Dies würde dem verfahrensökonomischen Anliegen gerade zuwiderlaufen. Die für das Wohnungseigentumsverfahren oder jedenfalls für das Beschlußanfechtungsverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz vertretene andere Auffassung (vgl. OLG Düsseldorf DWE 1980, 131; Bärmann/Pick/Merle, WEG 6. Aufl. § 45 Rdn. 19; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl. § 45 WEG Rdn. 1a) ist mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar. Denn wenn das Antragsrecht – wie im vorliegenden Fall – durch Fristablauf verloren ist (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG), dann entfallen auch die verfahrensökonomischen Überlegungen, die diese Ausnahme rechtfertigen. Damit steht § 20 Abs. 2 FGG der zulässigen Einlegung des Rechtsmittels der Beschwerdeführer entgegen (vgl. BayObLGZ 1965, 34, 40; 1991, 235, 237; Jansen, FGG 2. Aufl. § 20 Rdn. 25; Weitnauer, WEG 7. Aufl. § 45 Rdn. 1; Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG § 45 Rdn. 6; Bassenge, Rpfleger 1981, 92, 93). Zwar tritt damit die Bindung aller Beteiligten an einen möglicherweise rechtswidrigen Eigentümerbeschluß ein (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG), wenn der Antragsteller selbst kein Rechtsmittel einlegt. Diese Rechtsfolge beruht aber nicht auf der Anwendung von § 20 Abs. 2 FGG im Wohnungseigentumsverfahren, sondern auf der versäumten Beschlußanfechtung durch andere Wohnungseigentümer.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 2 WEG.
Unterschriften
H, R, Sch, L, T
Fundstellen
Haufe-Index 513526 |
BGHZ |
BGHZ, 396 |
NJW 1993, 662 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |