Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 24.06.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 3 verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
- das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. Juni 2002
aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II 6 verurteilt worden ist;
im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II 1, 2, 4 und 5 der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen sowie des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen schuldig ist;
im Strafausspruch in den Fällen II 1, 2 und 5 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Jugendschutzkammer) des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen dreifachen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen und wegen eines weiteren Mißbrauchs von Schutzbefohlenen” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Oktober 2002 zutreffend ausgeführt hat, steht der Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den Fällen II 1 bis 3 und 5 der Urteilsgründe das von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung entgegen. Der Senat stellt daher das Verfahren im Fall II 3 (Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zum Nachteil der Sandy B.) ein und berichtigt die Schuldsprüche in den Fällen II 1, 2 und 5 (sexueller Mißbrauch eines Kindes in drei Fällen; die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt). Der Schuldspruch im Fall II 4 (Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen) ist rechtsfehlerfrei.
2. Die Verurteilung im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muß aufgehoben werden, weil den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, daß dem Angeklagten die 15jährige Reitschülerin Maja P. „zur Betreuung in der Lebensführung” anvertraut war. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß zwischen beiden ein Verhältnis bestand, kraft dessen dem Angeklagten das Recht und die Pflicht oblag, die Lebensführung der Jugendlichen und damit deren geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (vgl. BGHSt 41, 137, 138 ff.; BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353 f.). Festgestellt ist aber lediglich, daß die Mutter des Mädchens „ihre Tochter in die Verantwortung des Angeklagten (übergeben hatte)”, weil diese einen Nachmittag, eine Nacht und den folgenden Tag auf dem Reiterhof des Angeklagten verbringen sollte. Ein dem Schutzzweck des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechendes „Abhängigkeitsverhältnis” (BGHSt 41, 137, 139) ist damit nicht dargetan. Da ergänzende Feststellungen, die ein Obhutsverhältnis belegen können, nicht ausgeschlossen erscheinen, verweist der Senat die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.
3. Die Schuldspruchänderung in den Fällen II 1, 2 und 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Strafaussprüche in diesen Fällen; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die fehlerhafte Verurteilung auch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen strafschärfend berücksichtigt wurde. Die für den Fall II 4 rechtsfehlerfrei festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe wird davon nicht berührt; sie kann bestehen bleiben. Als Folge der Aufhebung der Einzelstrafen – außer im Fall II 4 – entfällt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe.
4. Mit der Teilaufhebung des Urteils hat sich die vom Angeklagten eingelegte Kostenbeschwerde erledigt (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 464 Rdn. 20).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen