Verfahrensgang
LG Rostock (Entscheidung vom 06.07.2022; Aktenzeichen 12a KLs 17/22 (3)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 6. Juli 2022, soweit es ihn betrifft,
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben,
b) im Strafausspruch dahin geändert, dass er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten K. und die Revision des Angeklagten R. werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten R. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten erkannt. Dagegen richten sich die jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Angeklagten R. unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwendeten der Angeklagte K. in sechs Fällen (Fälle 1 bis 6 der Urteilsgründe) und der Angeklagte R. in vier Fällen (Fälle 3 bis 6 der Urteilsgründe) im Zusammenwirken mit anderen Personen in Rostock Pkw, um sie nach Polen zu bringen und dort gewinnbringend zu verwerten. Sie verwirklichten dabei jeweils die Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB. In den Fällen 3 bis 6 der Urteilsgründe handelten beide Angeklagten, K. überdies im Fall 2 der Urteilsgründe, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Pkw-Diebstählen verbunden hatte, und unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds.
Rz. 3
2. Für die Strafverfolgung der Angeklagten wegen bandenmäßigen Diebstahls besteht kein Verfahrenshindernis. Es ist insoweit ohne Bedeutung, dass nach ihrer Festnahme in Polen dem Auslieferungsersuchen der Staatsanwaltschaft Rostock nur zur Durchführung des Strafverfahrens wegen der in Deutschland begangenen Einbruchdiebstähle stattgegeben wurde, nicht jedoch „im Umfang der Tat, die darin bestand“, dass die Angeklagten als Mitglieder einer Bande handelten, die sich dazu verbunden hatte, fortgesetzt Pkw zu stehlen und zwecks Verwertung nach Polen zu überführen. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„Ob es sich bei den vom Landgericht abgeurteilten Taten um ‚andere Handlungen‘ als diejenigen handelt, die dem Europäischen Haftbefehl und der Auslieferungsentscheidung zugrunde lagen, mithin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität im Sinne von Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG vorliegt (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2020 - C-195/20 PPU, NStZ 2021, 237, 239; vom 1. Dezember 2008 - C-388/08 Leymann und Pustovarov, NStZ 2010, 35, 37), ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Denn ein solcher würde allenfalls ein Vollstreckungs-, nicht aber auch ein Verfahrenshindernis begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - C-388/08 Leymann und Pustovarov, NStZ 2010, 35, 39; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - 2 StR 162/16 Rn. 5).“
Rz. 4
3. Der den Angeklagten K. betreffende Ausspruch über die Gesamtstrafe hat indes keinen Bestand. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die Strafkammer durfte aus der für die Tat zu Ziffer 1 und den an sich gesamtstrafenfähigen Einzelfreiheitsstrafen, die es für die Taten zu Ziffer 2 bis 6 verhängt hat, keine Gesamtstrafe bilden. Dem steht der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit § 83h Abs. 1 IRG) entgegen. (…)
Da der Angeklagte auf den Grundsatz der Spezialität nicht verzichtet hat (…), durfte zwar eine Verurteilung wegen Bandendiebstahls im Sinne von §§ 244 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 244a Abs. 1 StGB erfolgen, und auch gegen die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen ist nichts zu erinnern. Der Vollstreckung der für die Taten zu Ziffer 2 bis 6 verhängten Einzelfreiheitsstrafen steht indessen ein Vollstreckungshindernis entgegen. (…)
Für die Tat zu Ziffer 1 gilt Vorstehendes nicht, denn dafür wurde der Angeklagte der polnischen Auslieferungsentscheidung entsprechend (lediglich) wegen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB verurteilt. (…) Um die Vollstreckbarkeit dieser Einzelfreiheitsstrafe nicht zu vereiteln, darf aus ihr und den übrigen Einzelfreiheitsstrafen keine Gesamtstrafe gebildet werden (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2022 - 6 StR 48/22 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - 3 StR 40/15 Rn. 5). (…)
Im Ergebnis verbleibt es bei der für die Tat zu Ziffer 1 ausgeurteilten und vollstreckungsfähigen Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die Berücksichtigung eines Härteausgleichs wegen des Wegfalls der Gesamtstrafe ist nicht veranlasst. Sollten die übrigen Einzelfreiheitsstrafen zu einem späteren Zeitpunkt, namentlich nach einem Nachtragsersuchen an Polen oder nach einem jederzeit möglichen Verzicht des Angeklagten auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes, vollstreckbar werden, wäre gemäß § 460 StPO aus diesen Strafen und aus der für die Tat zu Ziffer 1 festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden. Anderenfalls bliebe es dauerhaft bei der Nichtvollstreckbarkeit der Einzelfreiheitsstrafen für die Taten zu Ziffer 2 bis 6. In beiden Fällen läge eine ausgleichspflichtige Härte zum Nachteil des Angeklagten nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2019 - 2 StR 25/19 Rn. 11). (…)
Einer Entscheidung gemäß § 56 Abs. 2 StGB bedarf es nicht. Der Angeklagte wurde nach seiner Festnahme am 22. Januar 2020 in Auslieferungshaft genommen und befindet sich seit seiner Überstellung nach Deutschland am 4. März 2020 (…), mithin seit über zweieinhalb Jahren, in Untersuchungshaft. Die Strafe ist folglich verbüßt.“
Rz. 5
Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Er ändert den Strafausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.
Sander |
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Feilcke |
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Tiemann |
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Fritsche |
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Arnoldi |
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Fundstellen
Haufe-Index 15568086 |
NStZ-RR 2023, 123 |