Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
Das Verfahren wird nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen „unerlaubten Waffenbesitzes” zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist.
Im übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 20. Juli 1998 als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Menschenhandel, mit Zuhälterei und mit Vergewaltigung (z.N. P.), wegen schwerem Menschenhandel in Tateinheit mit Menschenhandel (z.N. M.) sowie wegen Zuhälterei in fünf Fällen und wegen des unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO, soweit der Angeklagte wegen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Selbstladekurzwaffe zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, daß der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die Waffe außer in den Niederlanden auch in Deutschland ausgeübt hatte, so daß insoweit eine Anwendung deutschen Strafrechts nur gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht gekommen wäre. Ausführungen dazu fehlen (vgl. auch die Richtlinie des Rates der EU vom 18. Juni 1991; zitiert bei Steindorf, WaffenR, 7. Aufl. vor § 52 a Rdn. 9). Der Senat kann ausschließen, daß sich der Wegfall dieser (niedrigsten) Einzelfreiheitsstrafe angesichts der Schwere der übrigen Strafen auf die Höhe der Gesamtstrafe ausgewirkt hätte.
Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die Strafkammer durfte den Angeklagten auch ohne Nachtragsanklage wegen des Verbrechens der Vergewaltigung z.N. der Zeugin P. verurteilen. Dieses Geschehen kurz nach dem 15. Oktober 1995 in einem Hotel in einer polnischen Grenzstadt in der Nähe von Görlitz ist Teil der in der Anklage bezeichneten Tat i.S. des § 264 StPO ohne Rücksicht auf die dort vorgenommene rechtliche Qualifikation. Danach war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, in dieser polnischen Grenzstadt die Geschädigte P. sowie ihre Begleiterin M. von einer Frau übernommen zu haben, die sie in der Ukraine für eine Arbeitstätigkeit als Serviererin oder Tänzerin angeworben hatte, ihnen eröffnet zu haben, daß sie als Prostituierte in den Niederlanden arbeiten müßten, daß sie keine andere Wahl hätten, da man ihre Pässe habe und sie überall finden würde. Anschließend habe er die Geschädigten mit falschen polnischen Pässen ausgestattet, sie über die Grenze schleusen lassen und schließlich nach Kleve zu dem Bordellbesitzer K. verbracht, in dessen Betrieben sie der Prostitution nachgehen mußten. In der Anklage war dieser Sachverhalt als Menschenhandel in der Form des Einwirkens auf eine Person in Kenntnis der Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, um sie zur Aufnahme der Prostitution zu bringen, gewertet worden (§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB). Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen war zudem dargestellt worden, daß der Angeklagte die Zeugin P. mit dem Ansinnen, er müsse ihre Eignung für die Prostitution ausprobieren, zur Duldung des Oral- und Vaginalverkehrs veranlaßt hatte, wobei diese ihre anfängliche Weigerung schließlich aus „großer Angst” vor dem Angeklagten aufgegeben habe. Wenn sich bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung in der Hauptverhandlung herausstellt, daß der Angeklagte sein Opfer durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 177 StGB a.F. zur Duldung des Geschlechtsverkehrs gezwungen hat, um ihren Widerstand gegen die Prostitutionsausübung zu brechen, so ist diese Vergewaltigungstat nach natürlicher Lebensauffassung Teil des angeklagten einheitlichen Lebensvorganges, der der Kognitionspflicht des Gerichtes nach § 264 Abs. 1 StPO unterliegt. In diesem Fall genügte für die Einbeziehung des Vorwurfs der (tateinheitlichen) Vergewaltigung die Erteilung eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGHR StPO § 264 I Tatidentität 24).
Auch in der Sache hält die Verurteilung wegen Vergewaltigung einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zwar sind von den bei der rechtlichen Würdigung von der Strafkammer dem Schuldspruch zugrundegelegten drei Alternativen des „§ 177 StGB a.F., bzw. § 177 Abs. 2 StGB n.F.”, nämlich Anwendung von Gewalt, Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Angeklagten schutzlos ausgeliefert war, zwei rechtsfehlerhaft, da zum einen für eine Gewaltanwendung nichts festgestellt ist und zum anderen das Merkmal des Ausnutzens einer schutzlosen Lage erst durch § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB i.d.F. des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1607) mit Wirkung ab dem 5. Juli 1997 und damit erst nach der Tat eingeführt worden ist, doch durfte die Strafkammer bei den festgestellten Umständen eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben auf Grund tatrichterlicher Wertung feststellen.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, RiBGH Dr. Blauth ist durch Krankheit verhindert zu unterschreiben. Kutzer, Miebach, Winkler
Fundstellen