Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Übernimmt ein Täter im Interesse eines mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins ein auf eine gewisse Dauer angelegtes Amt oder einen bestimmten Tätigkeitsbereich mit dem Willen, zur Aufrechterhaltung oder zur Unterstützung der verbotenen Tätigkeit des Vereins beizutragen, so verbindet das übernommene Amt sämtliche in seiner Ausübung begangenen Zuwiderhandlungen gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot zu einer einzigen Tat (Bewertungseinheit) des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG (im Anschluß an BGHSt 43, 312).
Normenkette
VereinsG § 18 S. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; StGB § 52 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 4. Mai 1999, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG) schuldig gesprochen; es hat gegen den Angeklagten Yi. eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten und gegen den Angeklagten Y. eine solche von acht Monaten verhängt und deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revisionen der Angeklagten haben schon mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die vom Angeklagten Y. außerdem erhobene Verfahrensrüge nicht ankommt. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen reichen für beide Angeklagte nicht aus, um einen im Schuldumfang hinreichend bestimmten Schuldspruch zu tragen.
1. Nach den Urteilsfeststellungen sind die Angeklagten mitgliedschaftlich in die Struktur der PKK eingebunden, die zusammen mit ihrer Teilorganisation ERNK mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 mit einem seit dem 26. März 1994 unanfechtbaren Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG belegt worden ist. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die PKK waren die Angeklagten u.a. als Vorstandsmitglieder für den „Verein zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” in B. tätig, einem Verein, in und aus dessen Räumlichkeiten heraus nach dem Betätigungsverbot häufig Propaganda für die PKK und die ERNK betrieben wurde. Der Angeklagte Yi. war in der Zeit vom 14. April 1996 bis zum 22. März 1997 und vom 1. Februar 1998 bis zum 24. Januar 1999 Mitglied des Vereinsvorstandes, der Angeklagte Y. war Vorstandsmitglied in der Zeit vom 14. April 1996 bis zum 22. März 1997, also in diesem Zeitraum gemeinsam mit dem Angeklagten Yi., und wieder – ohne den Mitangeklagten – ab dem 24. Januar 1999. Während ihrer Zeiten als Vereinsvorstände kam es zu folgenden einzelnen Begebenheiten im Zusammenhang mit dem „Verein zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.”:
(1) Im April 1996 hielt sich etwa einen Monat lang ein ehemaliger Guerillakämpfer der PKK, der Zeuge Ku., in den Räumlichkeiten des Vereins auf, um dort auf weitere Weisungen der PKK zu warten;
(2) am 4. August 1996 wurde eine für H. geplante „Volksversammlung” der PKK von den verantwortlichen PKK-Funktionären in die Räume des Kulturvereins in B. verlegt, wo sie auch durchgeführt wurde;
(3) am 26. November 1996 holte der anderweitig verfolgte Ö. mit einem Lieferwagen Pakete mit Propagandamaterial der PKK aus den Räumlichkeiten des Vereins ab, die für Br. und andere norddeutsche Städte bestimmt waren; am Abend desselben Tages fand eine Durchsuchung der Vereinsräume statt, bei der umfangreiches Propagandamaterial der PKK und der ERNK (Zeitschriften, Plakate, Fahnen usw.) sichergestellt wurde;
(4) desgleichen fand am 29. Januar 1997 wiederum eine Durchsuchung der Vereinsräume statt, nachdem beobachtet worden war, daß Ö. zu einem Verlag in K. gefahren, dort zahlreiche Pakete in seinen Lieferwagen geladen, diese nach B. gefahren und in die Räume des Vereins gebracht hatte; die Durchsuchung führte wiederum zur Sicherstellung umfangreichen Propagandamaterials der PKK.
Die vier Ereignisse hat die Strafkammer für beide Angeklagte als Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG gewertet, weil sie in der Zeit ihrer gemeinsamen Vorstandsmitgliedschaft in dem Verein stattgefunden haben.
Ferner hat das Landgericht
(5) dem Angeklagten Yi. die Teilnahme an einer um den Jahreswechsel 1996/1997 an einem nicht bekannten Ort durchgeführten Versammlung höherrangiger PKK-Funktionäre als Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG angelastet;
(6) ebenso die Teilnahme an einer vom „Verein zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” angemeldeten „Informationsveranstaltung”, die am 17. Mai 1998 in einer Schule in B. stattfand und Zwecken der PKK diente;
(7) als nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG strafbares Verhalten des Angeklagten Y. hat das Landgericht schließlich gewertet, daß zur Zeit seiner ab dem 24. Januar 1999 laufenden zweiten Zugehörigkeit zum Vereinsvorstand anläßlich einer am 12. Februar 1999 durchgeführten erneuten Durchsuchung des „Vereins zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” größere Mengen Propagandamaterials der PKK und ihrer Teilorganisationen sichergestellt wurden. Bei dieser Durchsuchung stellte die Polizei fest, daß die Räume des Vereins immer noch, wie bei früheren Gelegenheiten schon festgestellt, mit ERNK-Symbolen und Bildern von Abdullah Öcalan geschmückt waren.
Diese Ereignisse hat das Landgericht jeweils als Vergehen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG – für den Angeklagten Yi. in sechs Einzelfällen, für den Angeklagten Y. in fünf Einzelfällen – gewertet und angenommen, daß die Angeklagten sich jeder nur wegen einer einzigen Tat des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG schuldig gemacht haben, weil sie sich über einen längeren Zeitraum mitgliedschaftlich in der PKK betätigt hätten, so daß jeweils eine natürliche Handlung anzunehmen sei. Diese Würdigung hält unter mehreren Gesichtspunkten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2. Das Landgericht hat die rechtliche Ausgestaltung des Tatbestandes des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht hinreichend bedacht und den Angeklagten außerdem einzelne Ereignisse als Verstöße gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot angelastet, für die es keine ausreichenden, den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG genügenden Feststellungen getroffen hat.
a) § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG beinhaltet, anders als § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VereinsG, kein Organisationsdelikt. Diese Vorschrift bezieht sich auf die sog. ausländischen Vereine des § 15 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, die nicht wenigstens über eine Teilorganisation im Inland verfügen. Gegen sie ergeht mangels inländischer Organisation kein Organisationsverbot, sondern ein Betätigungsverbot gemäß § 18 Satz 2 VereinsG. Verstöße gegen ein solches Betätigungsverbot werden von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erfaßt und strafrechtlich sanktioniert (vgl. BGHSt 42, 30, 33 f.; Köbler NStZ 1995, 531, 532; Wache in Erbs/Kohlhaas, 122. Erg.Lfg., § 20 VereinsG Rdn. 18 f.). Adressaten des einem Organisationsverbot sachlich gleichwertigen Betätigungsverbots (vgl. BGHSt 42, 30, 34; Köbler NStZ aaO S. 532) sind alle Personen, durch die der selbst nicht handlungsfähige Verein im Inland tätig wird, so daß von der Strafnorm des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG außer den Vereinsmitgliedern auch Dritte erfaßt werden, die, ohne mitgliedschaftlich oder sonst organisatorisch eingebunden zu sein, für den Verein in der Weise aktiv werden, daß ihr Handeln als Tätigkeit des Vereins erscheint oder wenigstens geeignet ist, das mit dem Verbot belegte Tätigwerden des Vereins zu unterstützen (BGHSt aaO S. 36). Tatbestandsmäßig im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG ist deshalb jedes Handeln, das sich als Betätigung für den Verein oder wenigstens als Förderung der Aufrechterhaltung oder Unterstützung der Tätigkeit des Vereins darstellt, indem etwa ein außenstehender Dritter ein Verhalten entfaltet, das auf die Tätigkeit des Vereins bezogen und konkret geeignet ist, eine vorteilhafte Wirkung für dessen verbotene Betätigung hervorzurufen und damit das verbotene Wirken des Vereins zu fördern (vgl. BGHSt 42, 30, 36 f.).
b) Wegen der von einem Organisationsverbot zu unterscheidenden andersartigen Rechtsnatur des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG setzt eine tatbestandliche Zuwiderhandlung gegen ein solches Betätigungsverbot stets entweder ein Tätigwerden für den Verein voraus oder aber ein Verhalten, das – sei es als aktives Tun, Dulden oder pflichtwidriges Unterlassen – konkret auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und geeignet ist, für diese vorteilhaft zu wirken. Insbesondere die bloße Mitgliedschaft in einem mit einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG belegten Verein reicht für sich genommen, anders als etwa bei der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129 a Abs. 1 StGB, bei der nicht stets das Ausüben einer Tätigkeit vorausgesetzt wird (vgl. BGHSt 29, 114, 123), nicht als strafbare Handlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG aus. Auch gehört § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht zu den Deliktstatbeständen, die nach ihrer Handlungsbeschreibung ein über den Einzelfall hinausreichendes, auf gleichartige Tatwiederholung gerichtetes Verhalten und somit ganze Handlungskomplexe erfassen können und sollen. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ermöglicht § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG für sich genommen nicht die rechtliche Verbindung mehrerer Zuwiderhandlungen zu einer Tat im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG ist vielmehr nach seiner Deliktsnatur ein auf das verwaltungsrechtliche Betätigungsverbot bezogener Ungehorsamstatbestand, der durch jede dem Verbot widersprechende und für den Verein vorteilhafte Betätigung erfüllt wird. Jeder Verstoß gegen das Betätigungsverbot wird deshalb grundsätzlich als solcher selbständig tatbestandlich erfaßt und ist eine selbständige Tat, die mit anderen Zuwiderhandlungen nicht durch die tatbestandliche Handlungsumschreibung, sondern allenfalls nach den Grundsätzen der sogenannten natürlichen Handlungseinheit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefaßt werden kann (vgl. BGHSt 43, 312, 314; BGHR VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4 Tatmehrheit 3 = NStZ 1999, 411 f.).
c) Diese Grundsätze hat das Landgericht in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend beachtet. Zum einen hat es in der Mehrzahl der Fälle ersichtlich den Umstand der mitgliedschaftlichen Einbindung der Angeklagten in die PKK und ihre Zugehörigkeit zum Vorstand des „Vereins zur Förderung des deutschkurdischen Kulturaustausches e.V.” in B. ausreichen lassen, um ihnen Ereignisse in den Räumlichkeiten des Vereins oder im Zusammenhang mit dem Kulturverein als von ihnen zu verantwortende Zuwiderhandlungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zuzurechnen, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob die Angeklagten von den einzelnen Vorfällen überhaupt wußten und was sie in deren Zusammenhang konkret unternommen oder unterlassen haben. Abgesehen davon, daß auch an keiner Stelle des Urteils mitgeteilt wird, welche Funktionen und Aufgaben den Angeklagten während der Zeiten ihrer Zugehörigkeit zu dem Vorstand des Kulturvereins zukamen, reicht jedenfalls allein die Tatsache ihrer Vorstandsmitgliedschaft nicht als Grundlage für die Annahme aus, die einzelnen Aktivitäten für die PKK seien mit ihrer Duldung und Einwilligung erfolgt, ohne konkrete, über die bloße Zugehörigkeit zum Vereinsvorstand hinausgehende Anhaltspunkte für diese Schlußfolgerung zu benennen.
Ebenso fehlerhaft ist es, die einzelnen als Zuwiderhandlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG den Angeklagten zugerechneten Vorkommnisse allein deshalb als eine Tat zu werten, weil sie sich längere Zeit mitgliedschaftlich in der PKK betätigt haben (vgl. UA S. 35). Die Mitgliedschaft in der PKK als solche ist im Hinblick auf die bereits dargelegte Deliktsstruktur des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht geeignet, mehrere Zuwiderhandlungen gegen das Betätigungsverbot zu einer (tatbestandlichen) Handlungseinheit zu verbinden; auch liegen die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit nicht vor.
Eine natürliche Handlungseinheit setzt voraus, daß der Täter aufgrund eines einheitlichen Willens im Sinne derselben Willensrichtung handelt und die einzelnen tatbestandsverwirklichenden Handlungen in einem derart engen – zeitlichen, räumlichen und sachlichen – Zusammenhang stehen, daß sie bei natürlicher, an den Anschauungen des Lebens orientierter Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGHSt 43, 312, 315 m.w.Nachw.). Daß diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind, tritt schon angesichts der nicht unbeträchtlichen Zeitspannen zwischen den einzelnen Geschehnissen und der Verschiedenartigkeit der den Angeklagten zugerechneten Ereignisse deutlich zutage. Allerdings hat der Senat in der bereits zitierten Entscheidung BGHSt 43, 312 selbst darauf hingewiesen, daß die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit am ehesten im Rahmen mitgliedschaftlicher Betätigung, insbesondere bei ununterbrochen fortlaufenden, gegen das Betätigungsverbot verstoßenden Handlungen in Betracht kommen kann (vgl. BGHSt aaO S. 315 f.). Zum einen kann aber vorliegend von ununterbrochen fortdauernden Handlungen der Angeklagten keine Rede sein, weil sie mit jeweils zeitlichen Unterbrechungen als Vorstandsmitglieder des „Vereins zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” fungiert haben, und weil zwischen den Einzelfällen teilweise mehrere Monate liegen. Zum anderen dürfen die Ausführungen des Senats nicht fehlgedeutet werden. Die Darlegungen des Senats besagen nur, daß in einem engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang ununterbrochen begangene natürliche Handlungen nach einer an den Anschauungen des Lebens orientierten Betrachtungsweise eher als ein einheitlich zusammengehörendes Tun erscheinen, wenn der Täter diese Handlungen als Mitglied des mit dem Betätigungsverbot belegten Vereins in dessen Interesse vornimmt, so daß es deshalb auch naheliegend erscheint, daß er aufgrund eines einheitlichen Willens gehandelt hat.
3. Unbeschadet der dargelegten Rechtsgrundsätze und der bisherigen Rechtsprechung, an der der Senat festhält, besteht aber im vorliegenden Fall Anlaß, eine bisher vom Senat noch nicht erörterte, anders geartete Form einer rechtlichen Handlungseinheit in Betracht zu ziehen, die sich je nach den Umständen der konkreten Fallgestaltung aus der Art der Zuwiderhandlung oder aus der Form des Tätigwerdens des Angeklagten für den mit einem Betätigungsverbot belegten Verein ableiten läßt.
So ist zunächst zu berücksichtigen, daß schon in der Übernahme eines auf eine gewisse Dauer angelegten Amtes oder einer Funktion, um diese (zumindest auch) im Interesse eines mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins – hier der PKK – auszuüben, eine Betätigung liegen kann, die konkret geeignet ist, eine vorteilhafte Wirkung für die verbotene Tätigkeit des Vereins hervorzurufen, so daß sich schon die Übernahme eines solchen Amtes als Zuwiderhandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG darstellt. Allerdings kann das anschließende bloße Innehaben eines solchen Amtes nicht als andauernder Verstoß gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot gewertet werden, weil § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auch kein Dauerdelikt beinhaltet (BGHSt 43, 312, 315). Wenn im Rahmen der Ausübung eines solchen Amtes aber weitere Tätigkeiten entfaltet werden, die sich ebenfalls unterstützend oder sonst vorteilhaft auf die Aufrechterhaltung der verbotenen Tätigkeit des Vereins – hier konkret der PKK oder ihrer Unterorganisationen – auswirken, liegen darin zwar jeweils neue und zusätzlich begangene Zuwiderhandlungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG, diese erscheinen jedoch als notwendige, weil schon in der Übernahme des Amtes angelegte Folge bzw. als Ausfluß der Amtsträgerschaft und der Ausübung der im Interesse des mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins übernommenen Funktionen. In derartigen Fällen ist es wenig sachgerecht, jede einzelne Zuwiderhandlung gesondert abzuurteilen, sondern es erscheint naheliegend, diese als eine Tat im Rechtssinne zu bewerten. Die Bewertung mehrerer, schon für sich genommen tatbestandsmäßiger Zuwiderhandlungen gegen ein Betätigungsverbot i.S.d. § 18 Satz 2 VereinsG als eine einheitliche Tat ist auch dann zwar nicht in der Handlungsbeschreibung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG angelegt und deshalb auch keine tatbestandliche Handlungseinheit im eigentlichen Sinne. Die Möglichkeit, an sich eigenständige tatbestandsmäßige Handlungen strafrechtlich als eine Einheit zu bewerten, ist allein in einer Eigenheit, der besonderen Art und Weise der Tatbestandserfüllung begründet, der das Element der Wiederholung immanent ist.
Jedenfalls dann, wenn ein Täter ein auf eine gewisse Dauer angelegtes Amt oder einen Tätigkeitsbereich im Interesse eines mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins mit dem Willen übernimmt, zur Aufrechterhaltung oder zur Unterstützung der verbotenen Tätigkeit dieses Vereins beizutragen, und in Ausübung dieser Funktion weitere für den Verein förderliche Tätigkeiten entfaltet, ist eine solche einheitliche Bewertung mehrerer Handlungen nach Auffassung des Senats gerechtfertigt und geboten. In diesen Fällen verbindet das übernommene Amt oder die übernommene Funktion als Grundlage und Gegenstand der einheitlichen strafrechtlichen Bewertung sämtliche in Ausübung dieses Amtes begangenen weiteren Zuwiderhandlungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu einer einzigen Tat (Bewertungseinheit). Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die weiteren Tätigkeiten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG in Ausübung des Amtes bzw. der übernommenen Funktion erfolgen und nicht nur gelegentlich oder lediglich zeitgleich mit der Innehabung des Amtes vorgenommen werden. Derartige nicht funktionsbezogene Tätigkeiten, etwa im privaten Bereich, sind dann, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vorliegen, als eigenständige Zuwiderhandlungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu behandeln.
4. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht mit seiner Orientierung an den Zeiten der Zugehörigkeit der beiden Angeklagten zum Vorstand des „Vereins zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” zumindest einen rechtlich zutreffenden Ansatz gewählt. Aus dem Umstand, daß beide Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen Mitglieder der PKK sind, kann auch noch mit hinreichender Sicherheit abgeleitet werden, daß sie das Amt eines Vorstandsmitgliedes in dem Kulturverein, der nicht identisch mit der PKK oder einer der ebenfalls mit einem Betätigungsverbot belegten Unterorganisationen der PKK ist, aber zumindest in der Vergangenheit auch Ort und Ausgangspunkt vielfältiger Propagandatätigkeiten zugunsten der PKK war, im Interesse und mit dem Willen zur Aufrechterhaltung der Tätigkeiten der PKK im B. Raum übernommen haben.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegen aber schon unter dem Gesichtspunkt der möglicherweise verklammernden Wirkungen der Übernahme und Ausübung eines Amtes oder einer Funktion für die PKK mehrere – nämlich mindestens zwei – Taten der Angeklagten vor. Als erste, von beiden Angeklagten begangene, einer einheitlichen Bewertung zugängliche Tat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG kommen die in Ausübung des Vorstandsamtes in der Zeit vom 14. April 1996 bis zum 22. März 1997 begangenen mehreren Einzeltaten in Betracht. Spätere, in den Zeiten der jeweils zweiten Zugehörigkeit der Angeklagten zum Vorstand des Kulturvereins und in Ausübung dieser Funktion begangene Zuwiderhandlungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG würden als neue, d.h. zweite einheitliche Straftat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu werten sein.
b) Im übrigen ist es fehlerhaft, den Angeklagten die einzelnen Vorfälle allein schon deshalb zuzurechnen, weil sie in die Zeit ihrer Vorstandstätigkeit fallen und in einem Zusammenhang mit dem Kulturverein stehen. Die Feststellungen reichen in der Mehrzahl der Fälle nicht aus, eine Strafbarkeit der Angeklagten zu begründen. Soweit es um die Aufnahme des Zeugen Ku. in die Vereinsräumlichkeiten, die Durchführung von „Volksversammlungen” oder das Aufbewahren von Propagandamaterial der PKK und der ERNK in den Vereinsräumen geht, hätte es näherer Feststellungen bedurft, ob die Angeklagten über diese Ereignisse informiert waren, was sie getan oder pflichtwidrig unterlassen haben, um die Tätigkeiten anderer für die PKK zu unterstützen. Von Bedeutung wären auch Feststellungen zu der Art der Vorstandsaufgaben und der Verantwortlichkeiten der Angeklagten im Vorstand des Vereins, um beurteilen zu können, ob etwa die Lagerung in den und Verteilung von Propagandamaterial aus den Räumen des Vereins der Zustimmung und Billigung gerade der Angeklagten bedurfte; allein auf der Duldung solcher Propagandamaßnahmen beruht aber z.B. der Schuldvorwurf im letzten, dem Angeklagten Y. angelasteten Einzelfall vom 12. Februar 1999.
Soweit dem Angeklagten Yi. zu Recht die Teilnahme an einer Versammlung höherrangiger PKK-Funktionäre um die Jahreswende 1996/1997 als Zuwiderhandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG angelastet wird, ergeben die bisherigen Feststellungen nicht, daß diese Teilnahme in Ausübung des Vorstandsamtes für den „Verein zur Förderung des deutsch-kurdischen Kulturaustausches e.V.” geschah, so daß eine Verbindung zu einer Tat mit den vorangehenden Taten (1) bis (3), sofern bei diesen überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG für die Person des Angeklagten festgestellt werden können, nicht ohne weiteres gerechtfertigt erscheint. Hinreichend konkrete Umstände, die einen solchen Zusammenhang als möglich erscheinen lassen, sind bisher nicht festgestellt. Im übrigen würde es der Grundsatz in dubio pro reo auch nur dann, wenn solche hinreichend konkreten Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit des Angeklagten festgestellt werden können, gebieten, von einer, mit den übrigen in Ausübung des Vorstandsamtes begangenen Betätigungen einheitlich zu bewertenden Tat im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auszugehen.
Zu der am 17. Mai 1998 vom Angeklagten Yi. zusammen mit den Mitangeklagten C. und T. in Zusammenhang mit einer PKK-Veranstaltung begangenen Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot reichen die Feststellungen für einen – eigenständigen – Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG an und für sich aus; der Senat hat deshalb auch die Revisionen der Mitangeklagten C. und T., die nur wegen dieses Vorfalls verurteilt worden sind, mit Beschluß vom selben Tage als offensichtlich unbegründet verworfen. Hinsichtlich des Angeklagten Yi. hat der Senat das Urteil dennoch auch insoweit aufgehoben, um dem nunmehr mit der Sache zu befassenden Tatrichter insgesamt Gelegenheit zu geben, neue und in sich stimmige Feststellungen zu treffen.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556768 |
BGHSt |
BGHSt, 6 |
NJW 2000, 2118 |
NStZ 2000, 322 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 2000, 733 |
NJ 2000, 326 |
StV 2001, 111 |