Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 03.11.2020; Aktenzeichen 6 KLs 120 Js 22372/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 3. November 2020, auch soweit es den Mitangeklagten A. betrifft,
im Schuldspruch dahin abgeändert, dass
aa) der Angeklagte B. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und
bb) der Mitangeklagte A. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
schuldig sind,
im Strafausspruch aufgehoben hinsichtlich
aa) der Einzelstrafen in den Tatkomplexen C.I. und C.II. der Urteilsgründe sowie
bb) der jeweiligen Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen „7 tatmehrheitlicher Fälle des gemeinschaftlichen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in 4 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Mitangeklagten A. hat es wegen „7 tatmehrheitlicher Fälle des gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit einem Fall des gemeinschaftlichen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten B. in Höhe von 21.000 Euro und gegen den Mitangeklagten in Höhe von 9.000 Euro angeordnet sowie sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge – gemäß § 357 StPO auch mit Wirkung für den Mitangeklagten A. – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie – auch im Hinblick auf die erhobene Verfahrensrüge – aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Schuldsprüche halten im Wesentlichen rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 3
a) Der Änderung bedarf lediglich der Schuldspruch wegen „Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” betreffend die von dem Angeklagten und dem Mitangeklagten für den jeweiligen Eigenkonsum erworbenen Betäubungsmittel. Die Angeklagten sind insoweit des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich die Angeklagten hiergegen nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
Rz. 4
b) Im Übrigen fasst der Senat die Schuldsprüche wie aus der Beschlussformel ersichtlich neu. Hierzu bemerkt der Senat im Hinblick auf § 260 Abs. 4 StPO: Es entfallen jeweils die Worte „gemeinschaftlich” und „vorsätzlich”. Die Urteilsformel soll in knapper und verständlicher Sprache abgefasst und von allem freigehalten werden, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgabe dient, das begangene Unrecht zu kennzeichnen und die im Urteil getroffenen Anordnungen zu verlautbaren. Die Bezeichnung einer Tat als „gemeinschaftlich begangen” erübrigt sich deshalb (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289 und vom 4. September 2002 – 3 StR 192/02 Rn. 4). Da vom Verbrechenstatbestand des § 29a BtMG nur vorsätzliches Handeln erfasst wird (vgl. § 15 StGB), ist die Kennzeichnung als „vorsätzlich begangen” hier ebenfalls entbehrlich. Zudem werden zur besseren Verständlichkeit des Urteilstenors die Taten mit derselben rechtlichen Bezeichnung im Schuldspruch jeweils zusammengefasst.
Rz. 5
2. Die Strafzumessung im Fall C.III. der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten B. auf und hat daher Bestand. Demgegenüber halten bei beiden Angeklagten (§ 357 StPO) die Einzelstrafen in den Tatkomplexen C.I. und C.II. der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
Das Landgericht hat bei allen verfahrensgegenständlichen Taten das Vorliegen minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG verneint und die Einzelstrafen jeweils dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen. Dabei hat es für die Taten der Tatkomplexe C.I. und C.II. sowohl bei der Strafrahmenwahl (UA S. 38 bzw. UA S. 41) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn (UA S. 40 bzw. UA S. 43) hinsichtlich der zur Weiterveräußerung bestimmten Betäubungsmittel zum Nachteil der Angeklagten in die Abwägung eingestellt, dass diese Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt sind.
Rz. 7
Dies erweist sich mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln erfasst typischerweise deren Verkauf an andere Personen und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangen (BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17 Rn. 3 f. und vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17 Rn. 11).
Rz. 8
Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die genannten Erwägungen des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl und der Bemessung der Einzelstrafen in den Tatkomplexen C.I. und C.II. der Urteilsgründe zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt haben. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich.
Rz. 9
3. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht erfasst (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Unterschriften
Jäger, Bellay, Hohoff, Leplow, Pernice
Fundstellen
Dokument-Index HI14487923 |