Entscheidungsstichwort (Thema)
Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung sowie wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Die Verurteilung des Angeklagten ist auf die Sachbeschwerde aufzuheben; die Verfahrensrügen bedürfen keiner Erörterung.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
a) Der Angeklagte war als Geschäftsführer der Firma W. OHG in B. zuständig für die von dieser als Hauptpächterin geführten Gaststätten sowie für deren Unterverpachtung. Seit Mai 1995 war die OHG auch Pächterin eines Lokals in dem Gebäude C. Straße in St.. Das Lokal war wegen fehlender Rentabilität mehrfach unterverpachtet worden. Zuletzt bestand ein Pachtvertrag vom Mai 1997 mit Frau J. Ci. –, deren Ehemann das Lokal als Bistro „K. ” führte. Dieser stellte den Betrieb jedoch mangels Kostendeckung ein und räumte am 24. September 1997 das Lokal. Durch Anwaltsschreiben von diesem Tag lehnte die Pächterin die Zahlung des Pachtzinses von monatlich 19.592,50 DM ab und focht den gesamten Pachtvertrag wegen Sittenwidrigkeit an.
Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte der Hauseigentümer das Hauptpachtverhältnis mit der Firma W. OHG; gleichzeitig bot er eine einvernehmliche Aufhebung des Pachtvertrages gegen Übernahme des Inventars für einen Betrag von 86.000 DM und Verrechnung auf die Pachtrückstände von 110.000 DM an. Der Angeklagte, der zum 1. Oktober 1997 einen neuen Pächter in Aussicht hatte, lehnte das Angebot angesichts des Wertes der Inneneinrichtung von 500.000 DM ab. Er hatte das Inventar des Lokals – zuletzt angepaßt am 22. April 1997 – mit einer Versicherungssumme von 450.000 DM u.a. gegen Schäden durch Feuer und Einbruchsdiebstahl versichert. Auch bestand ab 1996 eine Mietverlustversicherung gegen Mietausfall u.a. durch Brand, Blitzschlag und Explosion bis zu einer Höhe von 264.000 DM.
Die finanzielle Situation der Firma W. OHG war in dieser Zeit desolat. Rechnungen konnten nicht bezahlt werden und die Kreissparkasse B. drängte auf Rückführung des laufenden Kontokorrentkredits.
b) Der Angeklagte entschloß sich deshalb, im Bistro einen Brand zu legen, um durch die Versicherungsleistungen die Liquidität des Unternehmens zurückzugewinnen. Den Brand wollte er nicht selbst legen. Er wandte sich an E., der früher in einer Diskothek der Firma beschäftigt war, mit dem Ansinnen, dieser möge den Brand legen oder legen lassen. Über E. erfuhr H. über die vom Angeklagten in Auftrag gegebene Brandlegung. Weder E. noch H. wollten den Brand selbst legen. H. fragte Cr., ob er jemanden kenne, der bereit sein könnte, das Bistro anzuzünden. Dafür würden vom Auftraggeber 7.000 DM bezahlt. Über Cr. erfuhr auch S. von dem Ansinnen und dem ausgesetzten Brandstifterlohn. Beide wollten den Brand nicht selbst legen, waren jedoch wegen des Geldes an einer Teilnahme interessiert. Cr. und E. zeigten S. und D., den S. aus der Drogenszene kannte, das Bistro. S. gelang es schließlich V. für die eigentliche Brandlegung zu gewinnen.
Am frühen Abend des 30. September 1997 trafen sich E., H., S., Cr., D., V. und F. zu einer Besprechung. H. erklärte, die Brandlegung müsse noch in dieser Nacht erfolgen, es sei nur noch heute möglich. Man wolle sich – ohne E. und H. – um Mitternacht in der Gaststätte „L. ” treffen, um anschließend Benzin als Brandbeschleuniger zu besorgen. Gegen 24.00 Uhr trafen sich Cr., F., S., D. und V. in der genannten Gaststätte. Mit dem Pkw des F. beschafften sie gemeinsam Benzin. Cr., S. und V. fuhren kurz nach 3.00 Uhr in die Nähe des Tatortes.
c) Das in einem Kanister befindliche Benzin wurde in die Gaststätte verbracht und im Bereich der Theke ausgeschüttet. Welche der an der Brandstiftung beteiligten Personen das Benzin in die Gaststätte verbrachte, ist nicht geklärt. V. entzündete das enstandene Benzin-Luft-Gemisch. Es kam zu einer starken, explosionsartigen Verpuffung, durch welche der Großteil der Einrichtungsgegenstände in Brand geriet. Der aus einem Holzrahmen mit Türen bestehende Windfang wurde aus seinem Rahmen gerissen und samt der Tür auf die Straße geschleudert. V. fing selbst Feuer, konnte die Gaststätte jedoch an der gesamten Kleidung und seinen Haaren brennend verlassen, bevor er bewußtlos zusammenbrach. Er erlitt an rund 60 % der Körperoberfläche Verbrennungen.
d) Das Bistro war von der C. Straße aus über zwei Eingänge zu betreten. Ursprünglich bestand ein direkter Zugang in den Gastraum durch eine verglaste Eingangstür und eine dahinter liegende Windfangtür. Die Eingangstür war am 19. Juli 1997 durch Unbekannte schwer beschädigt worden. Bis zur Begehung der Tat war die Alarmanlage nicht mehr funktionsfähig. Es wurde deshalb an der dahinter liegenden hölzernen Windfangtür ein Schloß angebracht; der Ehemann der Pächterin Ci. verfügte dazu über drei Schlüssel. Der Angeklagte hatte für dieses Schloß keinen Schlüssel.
Ein zweiter Zugang in das Bistro führte über die Haupteingangstür des Gebäudes C. Straße und eine vom Treppenhaus begehbare Seiteneingangstür. Zu dieser Seiteneingangstür hatte der Angeklagte einen Schlüssel.
2. Der Angeklagte bestreitet den Tatvorwurf. Das Landgericht hat angenommen, der Zeuge V. sei mit Hilfe des Angeklagten durch die Haupteingangstür des Gebäudes und die Seiteneingangstür in das Bistro gelangt. Er habe dazu keine Gewalt anwenden müssen. „Ob V. über einen zu beiden Türen passenden, vom Angeklagten stammenden Schlüssel verfügte oder ob der Angeklagte, der sich zu dieser Zeit schlafend in seiner Wohnung in A. befand, dafür gesorgt hatte, daß die Türen durch eine andere Person geöffnet wurden, konnte nicht geklärt werden”.
II.
Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten im wesentlichen auf vier Umstände: Auf die finanzielle Lage des Angeklagten, auf die kurz vor der Brandlegung erfolgte Anpassung der Feuer- und Diebstahlsversicherung, auf die Bekanntschaft mit dem Zeugen E. und auf die Aussage des Brandlegers V.. Soweit die Überzeugungsbildung auf der Aussage des Zeugen V. und auf Feststellungen zur Erteilung des Auftrags durch den Angeklagten stützt, begegnet sie durchgreifenden Bedenken.
1. Nach den Urteilsgründen hat sich V. in der Hauptverhandlung zu der entscheidenden Frage, wie er in das Innere des Lokals gekommen ist, „nicht eindeutig geäußert”. Einerseits will er das Lokal „durch die Lokaleingangstür, also über die unverschlossene Windfangtür”, betreten haben. Andererseits hat er angegeben, er sei durch „eine weiße Tür” in das Lokal gelangt. Die Annahme, der Angeklagte habe V. über diese „weiße Tür” Zugang zum Inneren des Lokals verschafft, entbehrt einer hinreichenden Grundlage.
Die Strafkammer hat nicht verkannt, „daß es gegen die Anstifterschaft des Angeklagten sprechen würde, wenn V. den direkten Lokaleingang und die Windfangtür benutzt hätte, nachdem die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben hat, daß sich der Angeklagte auch nur zeitweise im Besitz eines der für diese Tür ausgegebenen Schlüssels befunden hat”. Deshalb habe sie auch die Aussagen des V. insgesamt mit großer Vorsicht gewürdigt, weil aufgrund des traumatischen Ereignisses mit einer teilweisen Amnesie und nachträglichen Rekonstruktionen gerechnet werden müsse. Auch habe er hinsichtlich der Vortatphase und zum Inbrandsetzen des Gemisches objektiv die Unwahrheit gesagt. Bei der Erinnerung des Zeugen V. an eine weiße Tür handele es sich aber um eine „Erinnerungsinsel”, die nicht verfälscht sein könne.
Diesen Schluß kann der Senat nicht nachvollziehen.
Die Aussage des Zeugen V. zu dem von ihm benutzten Eingang wird in den Urteilsgründen nur in Auszügen mitgeteilt. Auch fehlen Ausführungen zur Genese und zur Entwicklung der Aussage. Dies wäre angesichts einer von der Strafkammer zur Begründung ihrer Überzeugung herangezogenen teilweisen Amnesie bei dem Zeugen und der gerade den Angeklagten belastenden „Erinnerungsinsel” geboten gewesen. Der Senat kann nach den Urteilsgründen nicht überprüfen, ob die Strafkammer zu Recht eine Amnesie angenommen hat und warum der Aussage des Zeugen nicht zu folgen war, er sei durch die Lokaleingangstür und die Windfangtür gegangen. Ebenso kann der Senat nicht überprüfen, ob es tatsächlich Anhaltspunkte für die den Angeklagten belastende „Erinnerungsinsel” gab. Die Urteilsgründe lassen besorgen, die Strafkammer könnte ihre Überzeugungsbildung auf eine in der Hauptverhandlung vorgebrachte Erinnerungslücke gestützt haben, ohne tatzeitnahe Vernehmungen und tatzeitbezogene Einzelheiten zu berücksichtigen. In diesem Fall würde es sich bei der Amnesie und der „Erinnerungsinsel” – die nach den Urteilsgründen von keinem psychiatrischen Sachverständigen bestätigt worden ist – um ein nicht beweiskräftiges, sekundäres Phänomen handeln (vgl. Venzlaff/ Foerster, Psychiatrische Begutachtung 3. Aufl. S. 90). Dies legt nahe, daß der Teil der Aussage, nach der der Brandleger V. durch die Lokaleingangstür und die offene Windfangtür in das Bistro gelangt ist, was den Angeklagten entlastet hätte, im Rahmen einer Gesamtbewertung der Zeugenaussage nicht ausreichend gewürdigt worden ist.
2. Unabhängig von der Frage, durch welche Tür der Zeuge V. in das Innere des Bistro gelangt ist, verdeutlichen die Urteilsgründe auch nicht, auf welchem Weg der Angeklagte den Auftrag an den Brandleger V. erteilt hat. Die Feststellungen zu den Gesprächen, in denen der Angeklagte den entsprechenden Auftrag an den Zeugen E. und dieser an die vom Landgericht gehörten Zeugen H., Cr., F., S. und D. weitergegeben hat, und durch die der Zeuge V. dafür gewonnen worden ist, den Brand zu legen, belegen die Auftragserteilung bisher nicht. Nach den Urteilsgründen „teilte” der Angeklagte dem Zeugen E. „sein Ansinnen mit”, einen Brand zu legen und setzte eine Belohnung von mindestens 7.000 DM aus. Der von der Strafkammer gehörte Zeuge H. „erfuhr von der in Auftrag gegebenen Brandlegung”. Es ist nicht näher festgestellt, daß H. auch vom Auftrag des Angeklagten wußte. H. „fragte” den Zeugen Cr., ob dieser jemanden kenne, der zur Brandlegung bereit sei. Über Cr. „erfuhr” der Zeuge S. „von dem Ansinnen der Brandlegung sowie der ausgesetzten Belohnung”. Die Urteilsgründe enthalten auch hinsichtlich der Zeugen D., F. und V., die von S. angesprochen wurden, keinen Hinweis darauf, daß diese davon Kenntnis hatten, daß ihr Auftraggeber der Angeklagte war. Insbesondere ergeben die Feststellungen zu den Treffen der Zeugen bei der „Firma Sch. ” und im Lokal „L. ” keine Einzelheiten über Gespräche oder Absprachen, denen der Senat entnehmen kann, daß die Beteiligten davon wußten, daß der Brand im Auftrag des Angeklagten gelegt werden sollte.
3. Da das Landgericht seine Überzeugung nicht nur auf das wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Brandlegung gestützt hat, sondern auch auf die Aussage des Zeugen V. und die Umstände der Erteilung des Auftrags an ihn abhebt, muß die Sache insgesamt neu verhandelt werden.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Boetticher, RiBGH Schomburg ist beim Bundesgerichtshof ausgeschieden. Schäfer, Schluckebier
Fundstellen