Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 20.10.2017) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 20. Oktober 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen aufrechterhalten.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine Revision hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte seit dem Jahr 2002 an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie erkrankt, die zahlreiche stationäre Behandlungen notwendig machte. Im Verlauf seines letzten Krankenhausaufenthaltes, bei dem er neben paranoiden Denkinhalten eine hochangespannte, aggressive Grundhaltung zeigte, griff er „aus nichtigem Anlass” einen Mitpatienten an. Er nahm den Geschädigten in einen festen Würgegriff und ließ sich zunächst weder durch dessen Gegenwehr noch durch das Eingreifen einer herbeigeeilten Krankenschwester von seinem Tun abbringen. Erst als der Geschädigte der Ohnmacht nahe war, ließ der Angeklagte plötzlich von ihm ab.
Rz. 3
Das sachverständig beratene Landgericht ist zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit infolge (sicher) aufgehobener Steuerungsfähigkeit beging und hat ihn deshalb von den Anklagevorwürfen freigesprochen. Es hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da von ihm mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades weitere rechtswidrige Taten zu erwarten seien, durch die die Opfer erheblich geschädigt würden.
Rz. 4
2. Der Maßregelausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die für eine Unterbringungsanordnung vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht rechtsfehlerfrei begründet.
Rz. 5
Insoweit folgt es dem Sachverständigen, der diese ganz wesentlich auch darauf gestützt hat, dass der Angeklagte in seinem psychotischen Zustand wiederholt Familienangehörige, aber auch Dritte gewaltsam angegriffen habe, „wie sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten ergebe und wie seine Schwester … zudem in der Hauptverhandlung berichtet habe” (UA S. 51). Die Schwurgerichtskammer hat indes keinerlei Feststellungen zu den aus den „beigezogenen Ermittlungsakten” ersichtlichen Taten getroffen. Im Urteil ist lediglich erwähnt, dass im Datensystem der Polizei 16 Einträge wegen verschiedener (auch Körperverletzungs-)Delikte enthalten seien, die jeweiligen Ermittlungsverfahren aber wegen Zweifels an der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu keiner strafrechtlichen Konsequenz geführt hätten. Auch zu den vom Sachverständigen erwähnten Angriffen auf Familienangehörige hat sich das Landgericht keine aus dem Urteil ersichtliche eigene Überzeugung gebildet. Die Bekundungen der Schwester des Angeklagten in der Hauptverhandlung sind dem Urteil nur indirekt im Rahmen der Wiedergabe der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen zu entnehmen. Eine unmittelbare Wiedergabe und Bewertung ihrer Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung fehlt. Zudem wird nicht deutlich, inwieweit sie gegebenenfalls eigenes Erleben geschildert hat.
Rz. 6
3. Der Senat hält es für nicht fernliegend, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die die Voraussetzungen des § 63 Satz 1 StGB erfüllen. Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb erneut zu entscheiden.
Rz. 7
Mit Blick auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hebt der Senat auch den Freispruch des Angeklagten auf. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue tatgerichtliche Verhandlung und die zur Erstellung einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose erforderliche erneute Begutachtung des Angeklagten eine abweichende Beurteilung seiner Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstat ergeben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 5 StR 432/17). Das neue Tatgericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung der isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 349/13, NStZ-RR 2014, 89, und vom 26. Juli 2016 – 3 StR 211/16).
Rz. 8
4. Von der Aufhebung nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Tatgeschehen. Vom neuen Tatgericht gegebenenfalls ergänzend getroffene Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
Rz. 9
Der Senat weist darauf hin, dass es zur Darstellung der Krankheitsgeschichte des Angeklagten keiner ins Einzelne gehenden Wiedergabe früherer ärztlicher Epikrisen bedarf.
Unterschriften
Mutzbauer, Schneider, König, Berger, Mosbacher
Fundstellen
Haufe-Index 11759788 |
RPsych 2018, 423 |