Leitsatz (amtlich)
Im Bereich des hauptberuflichen Notariats ist es nicht zu beanstanden, auch die Bestellung "einfacher" (nicht ständiger) Notarvertreter - gegebenenfalls im Wege der Selbstbindung der Verwaltung durch ermessenssteuernde Verwaltungsvorschrift - am Leitbild des § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BNotO a.F. beziehungsweise § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO n.F. auszurichten. Daran hat sich auch das Vorschlagsrecht des Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO a.F. beziehungsweise § 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO n.F. zu orientieren.
Normenkette
BNotO § 39 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Fassung: 2002-04-27, S. 3 Fassung: 2002-04-27, S. 2 Fassung: 2021-06-25, S. 4 Fassung: 2021-06-25
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Entscheidung vom 15.10.2021; Aktenzeichen Not 8/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Notarsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für die Zeit seiner urlaubsbedingten Abwesenheit einen anwaltlichen Notarvertreter zu bestellen.
Rz. 2
Der Kläger ist hauptberuflicher Notar mit Amtssitz in W.. Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 ersuchte er den Beklagten als zuständige untere Aufsichtsbehörde, ihm während der Dauer eines geplanten Urlaubs vom 25. bis zum 29. Oktober 2021 Rechtsanwalt P., der bis 2019 als Notarassessor im Land Brandenburg tätig war und dort an insgesamt 89 Tagen Notarvertretungen wahrgenommen hatte, als Notarvertreter zu bestellen.
Rz. 3
Mit Bescheid vom 11. Juni 2021 wies der Beklagte den Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt P. als Notarvertreter nach Anhörung der Notarkammer zurück und bestellte auf den Hilfsantrag des Klägers den Notar a.D. K. zum Vertreter in den Notargeschäften für den gewünschten Zeitraum. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, sein Auswahlermessen sei gemäß Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz zur Ausführung der Bundesnotarordnung und der Dienstordnung für Notarinnen und Notare vom 3. Dezember 1998 (JMBl. LSA S. 499; im Folgenden: AV Not) dahingehend eingeschränkt, dass zum Notarvertreter in der Regel nur ein Notar, ein Notarassessor aus dem Vorbereitungsdienst des Landes Sachsen-Anhalt oder ein Notar a.D. bestellt werden solle. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg mit Bescheid vom 26. August 2021 zurück.
Rz. 4
Mit seiner Klage begehrt der Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2021, den Beklagten zur Bestellung von Rechtsanwalt P. als Notarvertreter für den Zeitraum vom 25. bis zum 29. Oktober 2021 zu verpflichten beziehungsweise hilfsweise die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids festzustellen. Der Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts hat die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Die Berufung hat er nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Rz. 5
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Rz. 6
1. Das Oberlandesgericht hat den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juni 2021 als ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig bewertet. Der Beklagte habe von seinem Auswahlermessen in einer dem Zweck des § 39 BNotO entsprechenden Weise unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens Gebrauch gemacht. Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null habe nicht vorgelegen. Der Beklagte habe sich zu Recht durch Nummer 14 Abs. 3 AV Not daran gehindert gesehen, Rechtsanwalt P. in dem hier in Rede stehenden Zeitraum mit der Notarvertretung zu betrauen. Als Rechtsanwalt gehöre dieser nicht zu dem in Nummer 14 Abs. 3 AV Not aufgeführten Personenkreis von Berufsträgern (Notar, Notarassessor aus Vorbereitungsdienst oder Notar a.D.). Dass die Justizverwaltung sich durch eine ermessenssteuernde Verwaltungsvorschrift allgemein dahin gebunden habe, im Regelfall solle auch der nicht ständige Notarvertreter vorrangig aus dem genannten engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis genommen werden, entspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO für den Fall der ständigen Vertretung eines Notars und sei daher nicht zu beanstanden. Nummer 14 Abs. 3 AV Not kollidiere insbesondere nicht mit dem Vorschlagsrecht des zu vertretenden Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO in der bis zum 31. Juli 2021 geltenden Fassung (aF) bzw. § 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO in der Fassung ab 1. August 2021 (nF). Aus dieser Sollvorschrift ergebe sich nicht, dass der Vorschlag des antragstellenden Notars für die Aufsichtsbehörde bindend sei. Vielmehr verbleibe nach ihrem Sinn und Zweck die Verantwortung für die Vertreterbestellung in den Händen des Staates. Besondere die Bestellung von Rechtsanwalt P. ausnahmsweise rechtfertigende Umstände lägen nicht vor. Schon aus dem Antrag des Klägers vom 15. Februar 2021 gehe hervor, dass mit Notar a.D. K. eine nach Nummer 14 Abs. 3 AV Not vorrangig zu bestellende Person aus dem Kreis der Berufsträger, die ebenfalls das Vertrauen des Klägers genieße, in dem Abwesenheitszeitraum zur Verfügung stehe.
Rz. 7
2. Ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 VwGO, § 111b Abs. 1 Satz 1, § 111d BNotO liegt nicht vor. Insbesondere bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO.
Rz. 8
a) Die Zulassung der Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids, der gemäß § 84 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO als Urteil wirkt, geboten.
Rz. 9
aa) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ist gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit des Ergebnisses auswirken kann (st. Senatsrechtsprechung, z.B. Senat, Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 19 [insoweit nicht in BGHZ 206, 248 abgedruckt]; vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 311 Rn. 5; vom 20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 5/19, ZNotP 2020, 48 Rn. 2; vom 15. November 2021 - NotZ(Brfg) 3/21, ZNotP 2022, 206 Rn. 8 und vom 14. März 2022 - Notz(Brfg) 10/21, juris Rn. 9; jeweils mwN; siehe auch BeckOK BNotO/Herrmann, § 111d BNotO Rn. 3 [5. Edition, Stand: 31. Juli 2021]; Kopp/R.-W. Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 7).
Rz. 10
bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Oberlandesgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen von dem Kläger vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
Rz. 11
(1) Der Kläger ist zunächst der Auffassung, aus § 39 Abs. 3 Satz 2 und 3 BNotO nF folge nicht, dass die nicht ständige Notarvertretung nur einem Notar, Notarassessor und Notar a.D. übertragen werden solle. Hinsichtlich der Bestellung eines nicht ständigen Notarvertreters komme allein die Regelung in § 39 Abs. 3 Satz 1 und 4 BNotO nF zur Anwendung. Danach könne die nicht ständige Vertretung ohne Anhörung der Notarkammer auch einem Rechtsanwalt übertragen werden, der als Notarvertreter fachlich und persönlich geeignet sei und von dem Notar vorgeschlagen werde. Dem Vorschlag des Notars sei grundsätzlich zu folgen. Im Bereich der nicht ständigen Vertretung verstoße die Verwaltungsvorschrift der Nummer 14 Abs. 3 AV Not somit gegen höherrangiges Recht.
Rz. 12
(2) Diese Ausführungen stellen die Argumentation des Oberlandesgerichts nicht in Frage. Dieses ist auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung zur Notarvertretung zutreffend davon ausgegangen, dass es im Bereich des hauptberuflichen Notariats nicht zu beanstanden ist, auch die Bestellung "einfacher" (nicht ständiger) Notarvertreter - gegebenenfalls im Wege der Selbstbindung der Verwaltung durch ermessenssteuernde Verwaltungsvorschrift - am Leitbild des § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF auszurichten, woran sich auch das Vorschlagsrecht des Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO aF beziehungsweise § 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF zu orientieren hat.
Rz. 13
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entscheidet die Aufsichtsbehörde über den Antrag des Notars, ihm für die Zeit seiner Abwesenheit oder Verhinderung einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BNotO). Der Notar hat keinen Rechtsanspruch auf Bestellung eines (bestimmten) Vertreters. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde ein Entschließungsermessen, ob sie bei Verhinderung des Notars überhaupt einen Vertreter bestellt, und ein Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters (z.B. Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 - NotZ 31/02, DNotZ 2003, 785; vom 26. März 2007 - NotZ 42/06, DNotZ 2007, 872 und vom 24. November 2014 - NotZ (Brfg) 4/14, DNotZ 2015, 395 Rn. 13). Richtschnur für die Ausübung des Ermessens sind die Erfordernisse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege (Senat, Beschlüsse vom 10. März 1997 - NotZ 39/96, DNotZ 1997, 827, 828; vom 31. März 2003 aaO und vom 24. November 2014 aaO). Diesen gerecht zu werden, macht den Hauptzweck der Vertretung aus, an dem sich die Ermessensausübung zu orientieren hat (Senat, Beschluss vom 9. Januar 1995 - NotZ 6/93, DNotZ 1996, 186, 188; vgl. auch BeckOK BNotO/Frisch aaO § 39 BNotO Rn. 6). In diesem Rahmen ist neben dem Interesse des Notars an der Bestellung eines Vertreters, wie es unter anderem in dem Vorschlagsrecht nach § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF zum Ausdruck kommt, vor allem zu beachten, dass das hauptberufliche Notariat durch seine klare Trennung der grundlegend unterschiedlichen Tätigkeiten des Notars und des Rechtsanwalts in besonderem Maße die Unabhängigkeit des Notars sichert und der Qualitätsgewähr dient. Die weitgehende Orientierung an diesem Leitbild auch bei der Auswahl der zur Notarvertretung heranzuziehenden Personen wahrt wesentliche Belange einer geordneten Rechtspflege (Senat, Beschluss vom 9. Januar 1995 aaO S. 189; siehe auch BeckOK BNotO/Frisch aaO Rn. 15 f; Szalai/Jung, NJW 2020, 1475, 1477 f).
Rz. 14
Eine Selbstbindung der Verwaltung bei der Auswahl von Notarvertretern ist grundsätzlich möglich. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, wenn das (Auswahl-)Ermessen der Justizverwaltung durch Ausführungsvorschriften zur Bundesnotarordnung allgemein dahin gebunden wird, dass zu "einfachen" (nicht ständigen) Notarvertretern im Bereich des hauptberuflichen Notariats im Regelfall vorrangig Notare, Notarassessoren und Notare a.D. bestellt und Angehörige anderer juristischer Berufe wie zum Beispiel Rechtsanwälte nur ausnahmsweise berücksichtigt werden. Dafür spricht die Regelung in § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF, die - obwohl sie nur den ständigen Vertreter betrifft - Leitbildcharakter für die Bestellung von Notarvertretern hat (Senat, Beschluss vom 26. März 2007 aaO S. 873; Frenz/Miermeister/Wilke, BNotO, 5. Aufl., § 39 Rn. 19). Da ermessenssteuernde Vorschriften auf den "Regelfall" zugeschnitten sind, muss die Behörde, wenn ein Fall wesentliche Besonderheiten aufweist, das bei ihrer Ermessenentscheidung berücksichtigen und gegebenenfalls von der Richtlinie abweichend entscheiden. Die Aufsichtsbehörde muss daher im besonders gelagerten Ausnahmefall auch eine andere Person zum Vertreter bestellen, wenn dies der Notar mit beachtlichen Gründen beantragt, insbesondere weil Personen aus dem engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis nicht im aus Sicht des Notars notwendigen Umfang zur Verfügung stehen (Senat, Beschlüsse vom 2. Dezember 2002 - NotZ 11/02, DNotZ 2003, 226, 227 und vom 26. März 2007 aaO; Frenz/Miermeister/Wilke aaO). In diesem Kontext hat der Senat entschieden, dass dem Vorschlagsrecht des Notars erhebliches Gewicht zukommt, wenn durch die von der Justizverwaltung angebotenen Maßnahmen die Aufrechterhaltung eines (annähernd) vollständigen Bürobetriebs im Notariat nicht gewährleistet ist (Beschluss vom 26. März 2007 aaO S. 874).
Rz. 15
Das Oberlandesgericht hat den Ablehnungsbescheid des Beklagten unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte umfassend dahingehend geprüft, ob der Beklagte von seinem (Auswahl-)Ermessen in einer dem Zweck des § 39 BNotO entsprechenden Weise unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens Gebrauch gemacht hat. Es hat dabei eine Ermessensreduzierung auf Null zutreffend verneint. Denn der Beklagte war durch Nummer 14 Abs. 3 AV Not, die dem Leitbildcharakter von § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF Rechnung trägt und deshalb keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, gehindert, Rechtsanwalt P. auf Vorschlag des Klägers zu dessen Vertreter zu bestellen. Nach dieser Verwaltungsvorschrift soll zum Vertreter in der Regel nur ein Notar, ein Notarassessor aus dem Vorbereitungsdienst des Landes oder ein Notar a.D. bestellt werden, die nicht als Mitarbeiter bei einem Notar beschäftigt sind. Die Bestellung anderer zum Richteramt befähigter Personen kommt nur in Betracht, wenn die Notarkammer bescheinigt, dass in ihrem Bezirk Notarvertreter aus dem vorgenannten engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis nicht zur Verfügung stehen. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass der Fall wesentliche, zu einer Abweichung von der Richtlinie zwingende Besonderheiten aufweise. Insbesondere war die Bestellung von Rechtsanwalt P. nicht zur Aufrechterhaltung eines möglichst störungsfreien Betriebs des Notariats erforderlich. Denn mit Notar a.D. K. stand ein Notarvertreter zur Verfügung, der die Vorgaben der Nummer 14 Abs. 3 AV Not erfüllte und vom Kläger - jedenfalls hilfsweise - als geeigneter Vertreter ausdrücklich benannt und vorgeschlagen wurde.
Rz. 16
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Nummer 14 Abs. 3 AV Not unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) beziehungsweise eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Ermessensanwendung auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 und 3 BNotO i.V.m. Nummer 14 Abs. 3 AV Not ist - wie ausgeführt - vorrangig am Interesse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege auszurichten. Dabei handelt es sich um einschränkende Berufsausübungsregelungen fraglos rechtfertigende Gründe des Gemeinwohls (vgl. Senat, Beschluss vom 10. März 1997 - NotZ 39/96, DNotZ 1997, 827, 828).
Rz. 17
Für eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist gleichfalls nichts ersichtlich. Die ermessenssteuernde Regelung in Nummer 14 Abs. 3 AV Not erfasst nach ihrem klaren Wortlaut nur den Regelfall ("soll in der Regel"), so dass die Aufsichtsbehörde Besonderheiten des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen und abweichend entscheiden kann. Von einem faktischen generellen Ausschluss der Bestellung von Rechtsanwälten zu Notarvertretern kann keine Rede sein.
Rz. 18
(4) Soweit der Kläger geltend macht, in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein, weil der Präsident des Landgerichts Halle (Saale) für eine Notarin in Halle (Saale) regelmäßig seit mehr als zehn Jahren eine berufsfremde Person (Leitender Oberstaatsanwalt a.D.) zum Notarvertreter bestelle (es handele sich um die Konstellation aus BGH, Beschluss vom 26. März 2007 - Not 42/06, DNotZ 2007, 872), vermag er einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Gleichbehandlungsgebot) nicht aufzuzeigen. Er übergeht dabei bereits, dass vorliegend ein Notar a.D. als Notarvertreter zur Verfügung stand, wodurch ein (annähernd) störungsfreier Betrieb des Notariats während der Abwesenheit des Klägers gewährleistet war, während dies in der vom Kläger in Bezug genommenen Konstellation (zunächst) gerade nicht der Fall war. Darüber hinaus hat der Präsident des Oberlandesgerichts in dem Widerspruchsbescheid vom 26. August 2021, ohne dass der Kläger dem entgegentritt, ausgeführt, dass die Präsidenten der vier zum Bezirk des Oberlandesgerichts gehörenden Landgerichte als untere Aufsichtsbehörde bei ihren Entscheidungen Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 AV Not einheitlich anwendeten und dabei den Vorschlägen der Notare besonderes Gewicht beimäßen. Wenn ein konkreter Einzelfall wesentliche Besonderheiten aufweise oder Personen aus dem Kreis der in Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 AV Not Genannten nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stünden, würden auch andere zum Richteramt befähigte Personen zu Notarvertretern bestellt. In den letzten Jahren habe allerdings lediglich der Präsident des Landgerichts Halle in einem Einzelfall eine Person wiederholt zum Notarvertreter bestellt, die nicht zu der nach Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 AV Not vorrangig zu berücksichtigenden Personengruppe gehöre. Insoweit lägen jedoch - anders als im Streitfall - besondere Gründe vor, insbesondere auch ein besonders enges Vertrauensverhältnis. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend, dass sich bereits aus dem Beschluss vom 26. März 2007 (aaO S. 873) ergibt, dass es sich hierbei um einen Leitenden Oberstaatsanwalt a.D. und ehemaligen Richter handelt, der als Vater der Notarin die Aufrechterhaltung eines störungsfreien Notariatsbetriebs in besonders hohem Maß gewährleistet.
Rz. 19
2. Die Zulassung der Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO) veranlasst.
Rz. 20
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (st. Senatsrechtsprechung; z.B. Senat, Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 9; vom 20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 2/19, ZNotP 2021, 33 Rn. 5; vom 15. November 2021 - NotZ(Brfg) 3/21, ZNotP 2022, 206 Rn. 13 und vom 14. März 2022 - NotZ(Brfg) 10/21, juris Rn. 32; siehe auch BeckOK BNotO/Herrmann aaO § 111d BNotO Rn. 5; Kopp/R.-W. Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 10; jeweils mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dabei nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (z.B. Senat, Beschluss vom 14. März 2016 - NotZ(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 879 Rn. 15 mwN).
Rz. 21
b) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob Nummer 14 Abs. 3 AV Not mit höherrangigem Recht im Einklang stehe und insbesondere das gesetzliche Vorschlagsrecht des zu vertretenden Notars gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF genügend berücksichtigt werde, bedarf keiner weiteren Klärung. Sie kann auf der Grundlage der bislang ergangenen Senatsrechtsprechung - wie oben dargelegt - ohne weiteres beantwortet werden. Es besteht kein Grund, die Wirksamkeit derartiger ermessenssteuernder Verwaltungsvorschriften in Zweifel zu ziehen.
III.
Rz. 22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Rz. 23
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 BNotO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Herrmann |
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Reiter |
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Böttcher |
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Frank |
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Kuske |
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Fundstellen
NJW 2022, 9 |
MittBayNot 2023, 190 |
WM 2023, 1102 |
AnwBl 2023, 434 |
JZ 2022, 701 |
ZNotP 2022, 421 |