Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 04.03.2020; Aktenzeichen 711 Js 21224/14 5 KLs) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 4. März 2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision ist unbegründet. Der Erörterung bedarf über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus nur Folgendes:
Rz. 2
1. Die Verurteilung wegen vierfachen Betruges ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen.
Rz. 3
a) Allerdings verweist die Revision zutreffend darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung auch bei Straftaten im Sinne von – hier durch das Landgericht angenommenen – uneigentlichen Organisationsdelikten im Urteil hinreichend konkrete Feststellungen zu den Einzelakten notwendig sind, damit das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob das Tatgericht von einem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; vom 16. Mai 2017 – 2 StR 169/15, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellung 1). Zugrunde lagen jeweils nicht gleichförmig verlaufene Betrügereien zum Nachteil einer Vielzahl von Personen, unter anderem Kapitalanlegern.
Rz. 4
Das Landgericht hat die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten und den Schuldumfang jedoch auch im Lichte dieser Maßgaben hinreichend konkretisiert. Nach den Feststellungen entwickelten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte ein „Geschäftsmodell”, das auf die betrügerische Erlangung von Provisionen für die Vermittlung namentlich von Lebensversicherungsverträgen zielte. Im Zuge dieses „Geschäftsmodells” wurden in arbeitsteiligem Zusammenwirken zwischen dem 1. Oktober 2013 und dem 23. September 2016 insgesamt 905 „kontaminierte” und nach Aufdeckung der Machenschaften allesamt stornierte Versicherungsverträge bei den vier geschädigten Versicherungsunternehmen eingereicht, die diese in gutem Glauben policierten und Provisionen in einer Gesamthöhe von 4.595.128,35 Euro auszahlten. Die Provisionen flossen weitgehend einer vom Mitangeklagten beherrschten Gesellschaft zu und fanden im Zusammenwirken mit dem Angeklagten überwiegend im Rahmen eines „Schneeballsystems” Verwendung.
Rz. 5
Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu der Wertung gelangt, dass in jedem der – anders als in den oben genannten Konstellationen (vgl. BGH aaO) – identisch abgelaufenen Einzelfälle die Tatbestandsvoraussetzungen des Betruges zum Nachteil des betroffenen Versicherungsunternehmens erfüllt waren. Hinsichtlich der Vermögensschäden hat es die auf das jeweilige Versicherungsunternehmen entfallende Anzahl von Verträgen sowie die dafür von diesem insgesamt entrichteten Provisionszahlungen aufgeschlüsselt. Es konnte sich hierfür auf ein umfängliches Geständnis des Mitangeklagten und in Bezug auf den objektiven Sachverhalt auch auf ein solches des Angeklagten sowie auf die Bekundungen je eines Verantwortlichen der vier Versicherungsunternehmen stützen. Die Richtigkeit der nach bloßer Addition vorgenommenen Gesamtsaldierungen stand im Verfahren außer Streit und wird von der Revision nicht angegriffen. Unter diesen Vorzeichen bedurfte es keiner weiteren Eingrenzung in Form einer Auflistung aller eingereichten Versicherungsverträge und der einzeln dafür entrichteten Provisionszahlungen.
Rz. 6
b) Auch die Annahme von vier Betrugstaten begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat festgestellt, dass sich die Taten zunächst nur gegen ein Versicherungsunternehmen („L. „) richteten. Erst nach Zwischenschaltung der gerade zu diesem Zweck von den Angeklagten eingebundenen, weil in der Versicherungsbranche etablierten Gesellschaft („V. „) wurden nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe Verträge bei den drei weiteren Versicherungsunternehmen eingereicht (UA S. 24 f.). Dies lässt die Annahme neuer gemeinsamer Tatentschlüsse in Bezug auf die späteren Betrugstaten zum Nachteil der anderen Versicherungsunternehmen und damit von Tatmehrheit nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft erscheinen. Der Unrechts- und Schuldgehalt des Vorgehens des Angeklagten bliebe im Übrigen auch bei einer abweichenden Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse unverändert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 – 2 BvR 2251/03 juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, NJW 2011, 2149, 2151 mwN).
Rz. 7
2. Der Strafausspruch hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Zwar erlitt der Angeklagte im März des Jahres 2016 einen Schlaganfall, wobei ihm das Landgericht geglaubt hat, dass er ab April 2016 nicht mehr aktiv in der von ihm beherrschten Gesellschaft mitarbeitete (UA S. 11, 49, 58 f.). Indessen wirkten seine Beiträge bis zum Ende des Tatzeitraums am 23. September 2016 fort. Maßgebend der Angeklagte hatte das „Geschäftsmodell” konzipiert. Unter anderem hatte er die im gesamten Tatzeitraum verwendeten Vertragsformulare entworfen und eine gleichfalls durchgehend eingesetzte Software entwickelt, die den Zahlungsverkehr, die Dokumentenablage sowie die Erfassung und Verwaltung der Verträge einschließlich der einzelnen Versicherungsnehmer vollständig automatisierte. Die Urteilsgründe bieten keinen Anhalt für die Annahme, dass die Fortführung des von ihm solchermaßen organisierten und ins Werk gesetzten betrügerischen Unternehmens während seiner krankheitsbedingten Untätigkeit nicht mehr von seinen Tatentschlüssen gedeckt gewesen sein könnte.
Unterschriften
Sander, Schneider, König, Feilcke, Tiemann
Fundstellen
Haufe-Index 14067132 |
NStZ-RR 2022, 239 |