Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 29. März 2007 mit den Feststellungen aufgehoben; die im Urteil des Landgerichts Kiel vom 1. Juli 2004 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung unterbleibt.
2. Die Kosten des Verfahrens über die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hatte den Beschwerdeführer am 1. Juli 2004 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und mit Verbreitung pornografischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und mit Verbreitung pornografischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen sowie wegen weiterer Delikte zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und gemäß § 66 a StGB die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Mit Urteil vom 29. März 2007 hat es die (vorbehaltene) Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Verurteilten mit der Sachrüge; das Rechtsmittel hat Erfolg.
Rz. 2
Der Verurteilte hatte am 28. Februar 2007 zwei Drittel der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt. Als die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in dem angefochtenen Urteil vom 29. März 2007 angeordnet wurde, war somit der Zeitpunkt, bis zu dem gemäß § 66 a Abs. 2 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB diese Entscheidung spätestens zu treffen war (28. August 2006), um rund sieben Monate überschritten. Das Landgericht ist der Meinung, dass dies die Anordnung nicht hindere. Es teilt schon im Grundsatz nicht die Rechtsauffassung des Senats, dass § 66 a Abs. 2 Satz 1 StGB eine verbindliche materiell-rechtliche Voraussetzung der Maßregelanordnung beinhaltet (Senat, Urt. vom 14. Dezember 2006 – 3 StR 269/06 = NStZ 2007, 327; zum Abdruck in BGHSt 51, 159 vorgesehen). Außerdem meint es, dass eine abweichende Beurteilung jedenfalls deswegen geboten sei, weil hier – im Gegensatz zu dem der genannten Senatsentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt – das Nachverfahren vor dem in § 66 a Abs. 2 Satz 1 StGB genannten Zeitpunkt eingelei- tet worden sei.
Rz. 3
Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Am 29. März 2007 durfte die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden, weil der gesetzlich bestimmte letztmögliche Zeitpunkt für diese Entscheidung um mehr als ein halbes Jahr überschritten war und es damit an einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Anordnung fehlte (BGH NStZ 2007, 327). Der Senat hat die Gründe, die für die grundsätzlich abweichende Ansicht des Landgerichts maßgeblich sind, in der zitierten Entscheidung bereits erwogen und nicht für durchgreifend erachtet. Hieran hält er fest. Das angefochtene Urteil zeigt auch keine Gesichtspunkte auf, die hier eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Insbesondere kommt dem in § 66 a Abs. 2 Satz 1 StGB genannten Zeitpunkt nicht etwa schon deswegen keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu, weil das Nachverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden und seine Überschreitung nicht durch die Justiz zu verantworten ist. Dem steht schon der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen, die ausschließlich auf den – erstinstanzlichen – Abschluss des Nachverfahrens abstellt, nicht auf dessen Einleitung oder dessen Verlauf.
Rz. 4
Im Hinblick darauf, dass das angefochtene Urteil rund sieben Monate nach dem letztmöglichen Zeitpunkt für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung verkündet wurde, liegt auch kein Fall einer ganz kurzfristigen (von der Justiz nicht zu verantwortenden) Überschreitung vor, für die der Senat im Hinblick auf BGH StV 2006, 63 offen gelassen hat, ob hier der Verstoß gegen § 66 a Abs. 2 Satz 1 StGB ausnahmsweise unschädlich sein könnte.
Rz. 5
Ein Ausnahmefall ergibt sich – entgegen der Auffassung des General- bundesanwaltes – auch nicht daraus, dass der Beschwerdeführer und sein Verteidiger mit den Verlegungen der Hauptverhandlung im Nachverfahren auf Termine nach dem 28. August 2006 und der Beauftragung eines neuen Sachverständigen jeweils einverstanden waren bzw. hiergegen keine Einwände erhoben hatten. Denn die Einhaltung der sich aus § 66 a Abs. 2 Satz 1 StGB ergebenden Frist stellt eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Maß-regelanordnung dar. Auf sie konnte der Beschwerdeführer daher nicht mit der Folge verzichten, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch noch sieben Monate nach dem gesetzlich letztmöglichen Zeitpunkt erfolgen konnte.
Rz. 6
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und auszusprechen, dass die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung unterbleibt.
Unterschriften
Becker, Miebach, von Lienen, Hubert, Schäfer
Fundstellen
Haufe-Index 2553372 |
StraFo 2007, 514 |