Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.10.2023; Aktenzeichen 5/6 KLs 11/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2023
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.4. der Urteilsgründe der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Diebstahl schuldig ist,
b) in dem den Fall II.4. der Urteilsgründe betreffenden Einzelstrafausspruch und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Juli 2023 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Weiter hat es die in dem vorgenannten Urteil des Landgerichts Darmstadt angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten und einen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Rz. 2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht des Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung für schuldig befunden hat. Dagegen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II.4. der Urteilsgründe wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt hat.
Rz. 3
a) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts betrat der Angeklagte auf der Suche nach Geld oder anderen stehlenswerten Gegenständen am Morgen des 26. Januar 2023 durch die unverschlossene Tür ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnetes Restaurant in Frankfurt-Sachsenhausen. Dabei war er auch bereit, im Restaurant anwesenden Personen Bargeld oder andere Wertgegenstände wegzunehmen oder diese gewaltsam zur Herausgabe solcher Gegenstände zu veranlassen. Im Restaurant durchsuchte der Angeklagte zunächst erfolglos den Gastraum, bevor er sich in Richtung der Sanitärräume begab, wo er auf die als Reinigungskraft tätige Geschädigte traf. Er forderte diese auf, ihm ihr Geld auszuhändigen, und schlug ihr, um seine Forderung zu unterstreichen, mit der flachen Hand ins Gesicht. Nachdem der Geschädigten - ohne dass es zu einer Herausgabe von Geld gekommen wäre - die Flucht gelungen war, verließ der Angeklagte das Restaurant durch den Gastraum. Dort entdeckte er auf dem Tresen ein zum Inventar des Restaurants gehörendes Mobiltelefon im Wert von 400 €, das er an sich nahm.
Rz. 4
b) Diese Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung nicht. Zwar ermöglichte die Flucht der Geschädigten dem Angeklagten, das im Gastraum des Restaurants liegende Mobiltelefon an sich zu nehmen. Allerdings belegen die Feststellungen der Strafkammer nicht, dass die Gewaltanwendung des Angeklagten gegenüber der Geschädigten (auch) der erstrebten Überlassung des zum Inventar des Restaurants gehörenden Mobiltelefons diente. Der Angeklagte wollte die Geschädigte vielmehr zur Herausgabe von Bargeld nötigen, was ihm jedoch durch deren Flucht misslang. Den konkreten Tatentschluss zur Wegnahme des sich im Gastraum befindlichen Mobiltelefons fasste der Angeklagte erst nach der Flucht der Geschädigten, sodass es - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - an der notwendigen Verknüpfung zwischen Raubmittel und Wegnahme fehlt (vgl. MüKo-StGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 8). Feststellungen zu einem erzwungenen Gewahrsamswechsel gerade im Hinblick auf das entwendete Mobiltelefon hat die Strafkammer nicht getroffen. Die Tat stellt sich daher als versuchte räuberische Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung (in Bezug auf das Handeln des Angeklagten gegenüber der Geschädigten) und mit Diebstahl (durch Wegnahme des Mobiltelefons) dar.
Rz. 5
Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab, da weitere Feststellungen zu einem erzwungenen Gewahrsamswechsel nicht zu erwarten sind. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 6
2. Die Änderung des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung des betreffenden Einzelstrafausspruchs. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs, insbesondere im Hinblick auf den fakultativen Strafmilderungsgrund des Versuchs, zu einer niedrigeren Einzelstrafe als zu der verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren gelangt wäre.
Rz. 7
Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der Anordnung des Vorwegvollzugs nach sich.
Rz. 8
Der Aufhebung der dem Einzelstraf- und dem Gesamtstrafenausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht; diese bleiben bestehen und können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Rz. 9
Bei der neu zu treffenden Anordnung des Vorwegvollzuges wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer zu berücksichtigen haben, dass die einbezogene Maßregel vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordnet worden ist. Daher findet für die Berechnung des Vorwegvollzugs hier der Halbstrafenzeitpunkt des § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 StGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung (vgl. Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB). Insoweit stellt sich § 55 Abs. 2 StGB als andere gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2024 - 2 StR 428/23, Rn. 6, und vom 28. August 2024 - 4 StR 480/23, Rn. 20).
Menges Meyberg Schmidt
Zimmermann Herold
Fundstellen
Dokument-Index HI16676206 |