Verfahrensgang
LG Marburg (Urteil vom 19.12.2014) |
Tenor
Die Revision der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Marburg (Lahn) vom 19. Dezember 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler ergeben hat.
Die sofortige Beschwerde der Nebenkläger gegen die Kostenentscheidung des vorgenannten Urteils wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten der Rechtsmittel und die der Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Rüge der Nebenkläger, das Landgericht habe gegen seine Amtsaufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, da es den Inhalt des ärztlichen Berichts des sachverständigen Zeugen Dr. S. nicht verlesen habe, bleibt ohne Erfolg.
Die Aufklärungspflicht ist nicht verletzt. Der Senat neigt zu der Ansicht, dass die Verlesung des ärztlichen Berichts von Dr. S. bereits unzulässig gewesen wäre, weil seine Einführung in die Hauptverhandlung den in § 250 StPO enthaltenen Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt hätte. Dr. S., der kurz nach der Tat von den Ärzten, die die Angeklagte nach einem Suizidversuch intensivmedizinisch behandelt hatten, im Hinblick auf eine möglicherweise weiterhin bestehende Suizidgefahr als Konsiliararzt hinzugezogen worden war und über seine Untersuchung einen schriftlichen Bericht gefertigt hatte, machte in der Hauptverhandlung zwar Angaben zur „Befindlichkeit” der Angeklagten anlässlich dieser konsiliarischen Untersuchung, berief sich im Übrigen aber – nach dem (vorsorglichen) Widerruf der Schweigepflichtentbindung durch die Angeklagte – auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
Bei dieser Sachlage liefe die Verlesung des von dem Zeugen gefertigten Berichts auf eine nach § 250 Satz 2 StPO unzulässige Ersetzung des Zeugenbeweises hinaus. Denn Dr. S. hatte zum Inhalt des Berichts, der auch Angaben zu einer Befragung der Angeklagten enthielt, aus denen die Revision Rückschlüsse auf einen schon länger zuvor gefassten Tatplan ziehen will, vollumfänglich die Auskunft verweigert und lediglich Angaben zum Zustand der Angeklagten gemacht. Macht aber ein Zeuge zu einem bestimmten Sachverhaltskomplex von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, würde die Verlesung der von ihm stammenden schriftlichen Erklärung dazu dienen, seine mündliche Vernehmung insoweit zu ersetzen. Dies würde zu einer Umgehung des durch § 53 StPO bezweckten Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen den dort genannten Berufsgeheimnisträgern und einem Angeklagten führen. Der Senat neigt daher zu der Ansicht, dass eine Teilaussage nicht den pauschalen Zugriff auf alle schriftlichen Erklärungen ermöglicht (vgl. Pauly in: Radtke/Hohmann, StPO, § 250 Rn. 20). Soweit der 1. Strafsenat demgegenüber im Falle eines die Aussage nach § 55 StPO verweigernden Zeugen die Verlesbarkeit einer von ihm schriftlich abgegebenen Erklärung auch mit Blick auf § 250 Satz 2 StPO für zulässig erachtet hat, weil dieser jedenfalls Fragen zur Herkunft dieser Erklärung beantwortet hatte, weshalb sich ihre spätere Verlesung nicht als Ersetzung, sondern als zulässige Ergänzung seiner (auf die Herkunft begrenzten) Aussage darstellte (BGH, Urteil vom 23. Dezember 1986 – 1 StR 514/86, NStZ 1988, 36 m. krit. Anm. Dölling NStZ 1988, 6, 10), vermag dies den Senat daher nicht zu überzeugen.
Indes bietet der vorliegende Fall keinen Anlass zur Erörterung der Frage, ob die im Zusammenhang mit § 55 StPO ergangene Entscheidung des 1. Strafsenats der Ansicht des Senats entgegenstehen würde, denn letztlich kommt es im hiesigen Fall darauf nicht an. Die Verwertung des schriftlichen Berichts des Zeugen Dr. S. musste sich dem Landgericht schon nicht aufdrängen. Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer in ihrer ablehnenden Entscheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Verlesung des Berichts auch darauf hingewiesen, dass den Angaben der Angeklagten gegenüber Dr. S. nur geringe Bedeutung zukommen könne, weil sie anlässlich der Untersuchung nicht zu sachgerechten Äußerungen in der Lage gewesen sei.
2. Die Verwerfung der sofortigen Beschwerde der Nebenkläger gegen die Kostenentscheidung als unzulässig erfolgt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
Unterschriften
Krehl, Eschelbach, Ott, Zeng, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 8841317 |
NStZ 2016, 428 |
NStZ 2018, 644 |
NJW-Spezial 2016, 57 |
RÜ 2016, 173 |
StV 2017, 792 |