Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 09.09.2004) |
Tenor
1. Nach Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluß des Landgerichts Wiesbaden vom 9. September 2004 wird dem Angeklagten von Amts wegen und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Verwerfungsbeschluß des Landgerichts Wiesbaden vom 9. September 2004 aufgehoben.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 23. März 2004 sowie der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist werden als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. März 2004 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Im Anschluß an die Urteilsverkündung und nach Rechtsmittelbelehrung sowie Rücksprache mit seinem Verteidiger hat er noch in der Hauptverhandlung auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Gleichwohl hat er mit Schreiben vom 19. Mai 2004, beim Landgericht eingegangen am 25. Mai 2004, Revision gegen dieses Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Beschluß vom 9. September 2004, dem Angeklagten zugestellt am 29. September 2004, hat das Landgericht die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO wegen Versäumung der Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist hat das Landgericht für offensichtlich aussichtslos erachtet und sich deshalb für befugt gehalten, die Revision selbst als unzulässig zu verwerfen.
Mit einem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Schreiben vom 4. Oktober 2004, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 7. Oktober und beim Landgericht eingegangen am 25. Oktober 2004, hat der Angeklagte erneut an seinem Wiedereinsetzungsantrag festgehalten und nochmals geltend gemacht, er habe auf Rechtsmittel nur verzichtet, um eine vermeintlich rechtswidrige Inhaftierung zu beenden.
Entscheidungsgründe
II.
Das Schreiben des Angeklagten vom 4. Oktober 2004 ist als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehen (§ 300 StPO). Dieser Antrag ist nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings führt dieser Antrag zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft, also etwa – wie hier – die Revision nach wirksamem Rechtsmittelverzicht verspätet eingelegt worden ist (vgl. BGH NStZ 2000, 217; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 346 Rdn. 2 jew. m.w.N.).
Demgemäß obliegt es dem Bundesgerichtshof, die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO). Sie ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel gegen das Urteil vom 23. März 2004 verzichtet hat. Die Rechtsmittelverzichtserklärung kann nicht widerrufen, angefochten oder sonst zurückgenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier nicht gerechtfertigt. Für die Richtigkeit der Behauptung, die Verzichtserklärung des Angeklagten sei durch Anwendung von Druck in Form von Freiheitsberaubung unter Folter zustandegekommen, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der angeordneten Untersuchungshaft sprechen könnten, hat der Angeklagte weder dargetan, noch sind sie sonst ersichtlich. Zudem war dem Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Verzichtserklärung bekannt, daß die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden war, so daß der behauptete Druck in Form von „Freiheitsberaubung” für die Verzichtserklärung nicht ursächlich gewesen sein kann.
Da somit der Rechtsmittelverzicht wirksam ist, ist auch kein Raum mehr für die von dem Angeklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Rothfuß, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2556672 |
NStZ-RR 2005, 150 |