Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 08.03.2011) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. März 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.2.2.1: Einsatzstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe), wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und wegen zweier Waffendelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen auf Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Im Fall II.2.2.1 der Urteilsgründe greift die vom Angeklagten erhobene Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) durch. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Aus der vom Beschwerdeführer zitierten Urteilspassage auf UA S. 27 ergibt sich, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Rechtswidrigkeit der Tat ausdrücklich auch auf vermeintlich verlesene Bekundungen des Zeugen H. aus dessen kriminalpolizeilicher Vernehmung gestützt hat, obschon die hierüber gefertigte Niederschrift in der Hauptverhandlung zu Beweiszwecken nicht verlesen wurde. Hierin liegt ein durchgreifender Rechtsfehler, weil das Landgericht in seiner Beweiswürdigung auf diesen hauptverhandlungsfremden Umstand abgestellt hat. Zwar hat es zu diesem Beweisthema zusätzlich den Vernehmungsbeamten S. zeugenschaftlich gehört; jedoch hat es dessen Bekundungen lediglich ergänzend zu den vermeintlich verlesenen Angaben des H. berücksichtigt. Ausgehend hiervon kann ein Beruhen des Urteils auf diesem Beweiswürdigungsfehler nicht ausgeschlossen werden; denn der einschlägigen Urteilspassage kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, dass der Zeuge S. anlässlich der Vernehmung in der Hauptverhandlung neben seinen ergänzenden Angaben auch vollumfänglich die ihm gegenüber seinerzeit erfolgten Bekundungen des H. zum Tatverlauf wiedergegeben hat.”
Rz. 3
Dem folgt der Senat. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.2.2.1 der Urteilsgründe, der insoweit verhängten Einzelstrafe und des Gesamtstrafausspruchs. Die übrigen Schuld- und Einzelstrafaussprüche werden von dem Verfahrensverstoß nicht berührt. Der Senat schließt insbesondere aus, dass die vom Landgericht in den Fällen II.3 der Urteilsgründe vorgenommene Beweiswürdigung von dem Verfahrensfehler erfasst ist. Zwar hat das Schwurgericht auch insoweit auf das persönlichkeitsbedingt gewalttätige Verhalten des Angeklagten „in den übrigen Tatsituationen des hiesigen Verfahrens” und bei einem großen Teil seiner Vorstrafen abgestellt. Diese Wertung findet ihre tragfähige Grundlage aber auch in der geständigen Einlassung des Angeklagten zum objektiven Sachverhalt im Fall II.2.2.1, wonach er dem fliehenden Nebenkläger nachgesetzt und ihm – als er massive Gegenwehr leistete – „in Notwehr” drei Messerstiche versetzt habe.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Schaal, König, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 2905196 |
NStZ-RR 2014, 134 |