Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Schuldners zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung. Befragung auf Verdacht
Leitsatz (amtlich)
a) Der Schuldner muss in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und auf Leistungsansprüche aus Sachversicherungen sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern angeben.
b) Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, die im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen.
Normenkette
ZPO § 807
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 02.12.2010; Aktenzeichen 19 T 447/10) |
AG Strausberg (Entscheidung vom 03.11.2010; Aktenzeichen 8 M 1153/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des LG Frankfurt/O. - 9. Zivilkammer - vom 2.12.2010 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 300 EUR
Gründe
Rz. 1
I. Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung.
Rz. 2
Die Schuldnerin gab auf Betreiben eines anderen Gläubigers am 17.5.2010 die eidesstattliche Versicherung gem. § 807 ZPO ab. Dabei verneinte sie im Vermögensverzeichnis die Frage Nr. 18 nach "Ansprüchen aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen, auch Untermiete und Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Mietkautionen". Auch die Frage Nr. 22 nach "sonstigen Forderungen" verneinte die Schuldnerin.
Rz. 3
Am 1.9.2010 beantragte der Gläubiger die Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung durch Beantwortung folgender Fragen:
1. Ist die Schuldnerin Versicherungsnehmerin diverser Sachversicherungen? Insofern wird um Bekanntgabe der Art der Versicherung, des Versicherungsunternehmens mit Angabe dessen Sitzes und der Versicherungsnummer gebeten.
2. Die Schuldnerin hat anzugeben, mit welchen Energieversorgern (Strom, Gas) Vertragsbeziehungen unterhalten werden.
3. Die Schuldnerin wird gebeten, den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Vermieters mitzuteilen.
Rz. 4
Im Antrag führte der Gläubiger zur Begründung aus:
Bezüglich der unter 3. gestellten Frage wird darauf verwiesen, dass im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen den Mietern Betriebskostenrückerstattungen zustehen können, deren Pfändung möglich ist.
Rz. 5
Der Gerichtsvollzieher bestimmte Termin zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung auf den 15.9.2010, zu dem die Schuldnerin nicht erschien.
Rz. 6
Der Gläubiger hat beantragt, gegen die Schuldnerin Haftbefehl gem. § 901 ZPO zu erlassen. Zur Begründung hat er ausgeführt, aus der Beantwortung der von ihm gestellten Fragen sollten sich weitere Vollstreckungsmöglichkeiten ergeben. Bei möglicherweise bestehender Sachversicherung könne die Pfändung des Anspruchs auf Prämienrückvergütung oder auf Erstattung zu viel gezahlter Beiträge oder die Pfändung von Erstattungsansprüchen nach Eintritt des Versicherungsfalls erfolgen. Hinsichtlich der Energieversorger wäre u.a. die Pfändung der Rückerstattung von zu viel gezahlten Energiekosten zweckdienlich; Energie müsse jeder beziehen, die monatlichen Abschläge würden dem Verbrauch angepasst, es könne so zu Überzahlungen gekommen sein. Ebenso verhalte es sich im Hinblick auf die Mitteilung des Namens und der Anschrift des Vermieters. Auch im Rahmen der mietvertraglichen Betriebskostenabrechnung könne der Schuldner im Falle einer Überzahlung mit einer Erstattung rechnen.
Rz. 7
Das AG hat den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der erneuten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung eines Termins zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung weiter.
Rz. 8
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 901 ZPO lägen nicht vor, weil die Schuldnerin nicht zur Nachbesserung ihrer eidesstattlichen Versicherung gemäß dem Begehren des Gläubigers verpflichtet sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Rz. 9
Ein allgemeiner Fragenkatalog zur "Befragung auf Verdacht" müsse nicht beantwortet werden. Ein Schuldner sei nur dann zur Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Vermögensverzeichnis vorgelegt werde. Weiter müsse sich der Gläubiger bei Fragen mit hohem Abstraktionsgrad nicht in jedem Fall mit verneinenden Angaben ebenfalls globalen Zuschnitts zufrieden geben, wenn die Lebenssituation des Schuldners oder die dem Gläubiger zu Gebote stehenden Informationen etwas anderes nahelegten. Dann sei ein präzisierendes Nachfragen zulässig. Im Streitfall bestünden keine Anhaltspunkte für solche Nachfragen.
Rz. 10
Die Frage, ob die Schuldnerin Versicherungsnehmerin von Sachversicherungen sei, sei auf eine Ausforschung gerichtet. Konkrete Anhaltspunkte für den Abschluss von Versicherungen, die Beitragsrückerstattungen vorsähen, seien nicht ersichtlich, zumal es bei etwaigen Versicherungsverhältnissen auch völlig ungewiss sei, ob der Versicherungsfall jemals eintrete. Im Übrigen habe die Schuldnerin im Vermögensverzeichnis das Bestehen "sonstiger Forderungen", zu denen auch Forderungen gegen Versicherer gehörten, verneint.
Rz. 11
Auch im Hinblick auf die Frage nach Vertragsbeziehungen mit Energieversorgern sei es völlig ungewiss, ob es jemals zu pfändbaren Erstattungsansprüchen wegen zu viel geleisteter Abschlagszahlungen kommen werde, zumal die niedrigen Einkommensverhältnisse der Schuldnerin das Entstehen eines Erstattungsanspruchs ohnehin unwahrscheinlich erscheinen ließen.
Rz. 12
Die Schuldnerin müsse auch Namen und Anschrift des Vermieters nicht mitteilen. Sie habe im Vermögensverzeichnis die Frage nach dem Bestehen mietvertraglicher Ansprüche ausdrücklich verneint. Das zukünftige Entstehen von pfändbaren Ansprüchen aus dem Mietverhältnis sei völlig ungewiss.
Rz. 13
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des Erlasses eines Haftbefehls nach § 901 ZPO nicht vorliegen.
Rz. 14
Der Erlass eines Haftbefehls setzt nach § 901 ZPO voraus, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt ferngeblieben ist oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos verweigert hat. Die Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss damit im Termin bestanden haben (BGH, Beschl. v. 17.7.2008 - I ZB 80/07, NJW 2008, 3288, 3289). Daran fehlt es hier. Die Schuldnerin war zu der vom Gläubiger beantragten Nachbesserung ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet.
Rz. 15
1. Allerdings scheidet eine Nachbesserung vorliegend nicht bereits deshalb aus, weil Fragen nach Sachversicherungsverträgen, Energieversorgern und nach dem Namen und der Anschrift des Vermieters vom Schuldner im Verfahren nach § 807 ZPO grundsätzlich nicht beantwortet werden müssten.
Rz. 16
Inhalt und Umfang der Pflicht einer Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung bestimmen sich nach § 807 ZPO und dessen Zweck, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980; Beschl. v. 3.2.2011 - I ZB 2/10, NJW-RR 2011, 851 Rz. 9; MünchKomm/ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 903 Rz. 27). Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO kann sich auch auf künftige Forderungen erstrecken, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (BGH NJW-RR 2011, 851 Rz. 10 m.w.N.).
Rz. 17
Nach diesen Maßstäben muss der Schuldner in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und auf Leistungsansprüche aus Sachversicherungen (vgl. LG Koblenz, JurBüro 2006, 548; LG Mönchengladbach, JurBüro 2008, 552, 553; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rz. 24; Kessen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rz. 26; Goebel, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 2 Rz. 123; a.A. LG Münster, Beschl. v. 25.8.2009 - 5 T 376/09, juris Rz. 7) sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern (dazu LG Koblenz, JurBüro 2006, 548; AG Rüdesheim, JurBüro 2008, 665 f.; AG Aachen, JurBüro 2008, 664 f.; a.A. LG Münster, a.a.O., juris Rz. 23) und auf mietvertragliche Betriebs- und Nebenkosten (LG Kleve, JurBüro 2010, 383; a.A. LG Münster, a.a.O., juris Rz. 19) angeben.
Rz. 18
Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, welche im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen (Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 900 Rz. 29, § 903 Rz. 14, 16; MünchKomm/ZPO/Eickmann, a.a.O., § 900 Rz. 17; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 900 Rz. 22 f.; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 807 Rz. 34; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 807 Rz. 20; krit. Goebel, a.a.O., § 2 Rz. 116).
Rz. 19
2. Es kann offenbleiben, ob die vom Gläubiger im Streitfall geltend gemachten Fragen bereits deshalb nicht von der Schuldnerin beantwortet werden müssen, weil der Gläubiger die Fragen und deren Begründung nicht konkret auf die Situation der Schuldnerin bezogen hat. Denn jedenfalls fehlt es an den weiteren Voraussetzungen, die an die Zulässigkeit der Nachbesserung einer bereits abgegebenen eidesstattlichen Versicherung zu stellen sind.
Rz. 20
a) Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung nur verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat (BGH NJW 2004, 2979, 2980; Beschl. v. 4.10.2007 - I ZB 11/07, NJW-RR 2008, 1163 Rz. 8; Beschl. v. 20.11.2008 - I ZB 20/06, WM 2009, 1431 Rz. 13; Beschl. v. 3.2.2011 - I ZB 50/10, NJW-RR 2011, 667 Rz. 7; MünchKomm/ZPO/Eickmann, a.a.O., § 900 Rz. 19; vgl. auch § 185o GVGA). Dies setzt voraus, dass aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich ist, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind oder aber der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat (vgl. BGH NJW-RR 2011, 667 Rz. 8 f.; Münzberg in Stein/Jonas, a.a.O., § 903 Rz. 5; Olzen in Prütting/Gehrlein, a.a.O., § 903 Rz. 15; Zöller/Stöber, a.a.O., § 903 Rz. 14, 16).
Rz. 21
b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Schuldnerin hat unter Nr. 18 des Vermögensverzeichnisses die Frage verneint, ob ihr "Ansprüche aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen, auch Untermiete und Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Mietkautionen" zustünden. Auch die Frage Nr. 22 nach "sonstigen Forderungen" hat die Schuldnerin mit "nein" beantwortet. Es ist aus dem Vermögensverzeichnis selbst nicht ersichtlich, dass diese Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind. Der Gläubiger hat auch nicht Anhaltspunkte für einen konkreten Verdacht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Schuldnerin versehentlich im Vermögensverzeichnis unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht hat. Derartige auf die konkrete Schuldnersituation bezogene Umstände macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Zwar meint sie, es liege zumindest nahe, dass die Schuldnerin Sachversicherungen und Vertragsbeziehungen zu Energieversorgern unterhalte, jedenfalls sei die Wahrscheinlichkeit derartiger Verträge nicht derart gering, dass das Nachbesserungsersuchen als schikanös und mutwillig erscheine. Dieses Vorbringen reicht jedoch für die Darlegung eines Nachbesserungsgrundes nicht aus, weil die Rechtsbeschwerde keine auf die Verhältnisse der Schuldnerin bezogenen konkreten Umstände zu benennen vermag. Soweit sie ferner geltend macht, die Schuldnerin beziehe Wohngeld und wohne zur Miete, sind zwar Umstände der konkreten Schuldnersituation benannt, es fehlt insoweit jedoch an entsprechenden Feststellungen des Beschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerde rügt nicht, dass das Beschwerdegericht solche Feststellungen verfahrensfehlerhaft nicht getroffen hätte.
Rz. 22
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Gläubigers zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
NJW 2012, 6 |
EBE/BGH 2012 |
JurBüro 2012, 383 |
WM 2012, 805 |
ZAP 2012, 589 |
ZMR 2012, 747 |
DGVZ 2012, 93 |
MDR 2012, 606 |
FoVo 2012, 148 |
GuT 2012, 58 |