Tenor
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2011 (3 BGs 131/11) wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2011 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 (3 BGs 131/11) hat dieser gemäß § 119 Abs. 1 StPO Regelungen für den Vollzug der Untersuchungshaft getroffen und im Hinblick auf den Haftgrund der Fluchtgefahr unter anderem angeordnet, dass Besuche der Genehmigung bedürften, Telekommunikation des Beschuldigten genehmigt werden müsse und zu überwachen sei, ein- sowie ausgehende Schreiben inhaltlich zu überwachen seien, die Briefkontrolle bezüglich der Verteidigerpost dem für die Justizvollzugsanstalt zuständigen Amtsgericht übertragen werde, eine gemeinsame Unterbringung nicht zulässig sei, die Übergabe von Gegenständen der Genehmigung des Richters bedürfe, Verlegungen richterlich genehmigt werden müssten und der Beschuldigte bei Aus- sowie Vorführungen zu fesseln sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Beschuldigten mit der Begründung, dass keine Fluchtgefahr bestehe, er den erhobenen Tatvorwurf zurückweise und die auferlegten Beschränkungen gegen die Unschuldsvermutung verstießen. Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Rz. 2
1. Die Beschwerde ist unzulässig.
Rz. 3
a) Nach § 304 Abs. 5 StPO ist eine Beschwerde gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 StPO bezeichneten Maßnahmen betreffen. Unter „Verfügungen” in diesem Sinne sind auch solche im Vorverfahren getroffenen Entscheidungen zu verstehen, die als Beschluss ergehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 1979 – StB 26/79 u.a., BGHSt 29, 13; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 304 Rn. 19). Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Anordnungen unterfallen nicht den beschwerdefähigen Maßnahmen.
Rz. 4
Insbesondere haben sie nicht die Verhaftung als solche zum Gegenstand; denn diese betreffen nur diejenigen Beschlüsse, mit denen unmittelbar entschieden wird, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist (BGH, Beschluss vom 28. Januar 1976 – StB 1/76, BGHSt 26, 270, 271; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 304 Rn. 13). Nicht mit der Beschwerde angreifbar sind dagegen Beschränkungen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, die – wie hier – dem Untersuchungsgefangenen im Hinblick auf den Zweck der Untersuchungshaft nach § 119 Abs. 1 StPO auferlegt werden und die sich lediglich auf die Art und Weise des Vollzugs erstrecken (vgl. BGH aaO; BT-Drucks. 16/11644 S. 30). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 119 StPO durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274 ff.) nichts geändert.
Rz. 5
b) Die Beschwerde des Beschuldigten hat lediglich die den Vollzug der Untersuchungshaft regelnden Anordnungen zum Gegenstand, nicht die Anordnung der Untersuchungshaft als solcher. Dies folgt bereits aus der Beschwerdeschrift des Verteidigers, die sich ausdrücklich gegen den „ergangenen Beschluss zum Vollzug der Untersuchungshaft vom 12.12.2011” wendet. Auch wenn im Rahmen der Begründung die Voraussetzungen der Haft in Zweifel gezogen werden, ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 10. Januar 2012 und der Beschwerdeschrift, dass die Beschwerde nicht auf die Aufhebung des Haftbefehls, sondern darauf abzielt, dass der Beschuldigte „wie jeder durchschnittliche Untersuchungshäftling anzusehen” sei. Dies ist aber, wie dargelegt, kein statthafter Beschwerdegegenstand.
Rz. 6
2. Im Hinblick auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Rz. 7
Eine Sachprüfung wäre dem Senat selbst in dem Fall nicht möglich, dass die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO umgedeutet werden könnte.
Rz. 8
§ 119 Abs. 5 Satz 1 StPO eröffnet den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO, soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut soll damit nicht ein von der nächsten Instanz zu bescheidendes neues Rechtsmittel eingeführt, sondern die Möglichkeit gegeben werden, eine weitere Überprüfung durch das nach § 126 StPO zuständige Gericht zu veranlassen. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der sicherstellen wollte, dass Beschuldigte im Falle fehlender Beschwerdemöglichkeit nicht auf eine von Amts wegen zu veranlassende Aufhebung einer Beschränkung angewiesen sind, sondern diese auch selbst initiieren können (BT-Drucks. 16/11644 S. 30).
Rz. 9
Die Zuständigkeit des Gerichts, das über den Antrag zu entscheiden hat, folgt aus § 126 StPO (BT-Drucks. aaO; ebenso Radtke/Hohmann/Tsambikakis, StPO, 2011, § 119 Rn. 20; KMR-Wankel, StPO, § 119 Rn. 49 [Stand: Januar 2010]). Damit ist regelmäßig das Gericht zuständig, das auch berechtigt ist, dem Inhaftierten Beschränkungen aufzuerlegen. Mithin kommt dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kein Devolutiveffekt zu, der zur Nachprüfung durch ein Gericht höherer Ordnung führt (teils aA ohne nähere Begründung Graf/Krauß, StPO, 2010, § 119 Rn. 51, wonach über Anträge gegen Maßnahmen der Oberlandesgerichte und des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof der Bundesgerichtshof zu entscheiden habe). Da in Fallgestaltungen wie der vorliegenden über den Antrag derselbe Richter wie über die Ausgangsentscheidung zu befinden hat, besteht eine gewisse Parallele zur Gegenvorstellung (vgl. KMR-Wankel aaO Rn. 48).
Rz. 10
Über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung müsste daher gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 StPO der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs entscheiden, weil eine Anklage noch nicht erhoben ist. Eine Prüfung der vorgebrachten sachlichen Beanstandungen durch den Senat scheidet aus.
Unterschriften
Becker, von Lienen, Mayer
Fundstellen
Haufe-Index 2888052 |
StV 2012, 419 |