Entscheidungsstichwort (Thema)
fahrlässige Tötung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2000
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässigem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig ist,
- im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine – allgemeine – Strafkammer des Landgerichts Cottbus zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit (fahrlässigem) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tötung des Falco L. zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen in Tateinheit mit fahrlässigem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begangener Körperverletzung mit Todesfolge hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen ergeben nämlich – wie die Revision zu Recht einwendet – nicht, daß der Angeklagte eine für den Tod des Falco L. ursächliche tatbestandsmäßige Körperverletzungshandlung begangen hat. Auf die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision im Ergebnis gegen die Annahme einer Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB wendet, kommt es mithin nicht an.
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung „dem mit dem Rücken zur Fahrbahn stehenden Falco L. einen Schlag auf den Brustkorb …. Falco L. verlor dadurch das Gleichgewicht und stolperte – sich zwei Schritte rückwärts bewegend – auf die Straße”. Dadurch geriet er vor ein vorbeifahrendes Taxi, von dem er, „aufrecht auf der Straße stehend”, erfaßt wurde, wodurch er schwerste Verletzungen erlitt, denen er noch am selben Abend erlag.
Die Schwurgerichtskammer sieht in dem „Schlag vor die Brust” eine „körperliche Mißhandlung i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB”. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1977 – 2 StR 540/77). Zwar geht das Landgericht von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab aus (vgl. BGHSt 14, 269 f.; 25, 277 f.). Seine Wertung, der Schlag vor die Brust sei „ein übles, unangemessenes Behandeln, das zumindest das körperliche Wohlbefinden des Falco L. nicht nur unerheblich beeinträchtigte” (UA 47), wird jedoch von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Über die körperliche Beeinträchtigung des Geschädigten durch den „Schlag vor die Brust” verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Den Feststellungen kann auch nicht entnommen werden, daß der Angeklagte den Schlag gegen den Geschädigten mit besonderer Kraft ausführte. Feststellbare Verletzungen hat der Schlag nicht verursacht (UA 37). Auch kann daraus, daß der Geschädigte infolge des Schlages zwei Schritte rückwärts „stolperte”, nicht auf eine besondere Heftigkeit des Schlages geschlossen werden, zumal hierbei auch der Umstand zu berücksichtigen war, daß Falco L. mit einer BAK von über 2 [permil] erheblich alkoholisiert war und zudem unter dem Einfluß von Haschisch stand. Bei dieser Sachlage kann dem Angeklagten eine durch den Schlag vor die Brust des Geschädigten begangene Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB nicht angelastet werden (vgl. OLG Köln StV 1985, 17; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 223 Rdn. 4 m.w.N.). Dies steht zugleich einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge entgegen. Vielmehr kommt insoweit nur eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) – hier in Tateinheit mit dem rechtsfehlerfrei festgestellten fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (sog. Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination nach § 315 b Abs. 5 StGB) – in Betracht.
Der Senat schließt bei der gegebenen Beweislage aus, daß sich aufgrund neuer Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zwar betrifft der aufgezeigte Rechtsfehler unmittelbar nur die wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängte Einsatzstrafe von vier Jahren drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Senat hebt jedoch auch die wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten auf, weil nicht auszuschließen ist, daß sie durch die rechtsfehlerhafte Bewertung der zum Tode des Falco L. führenden Tat beeinflußt ist.
Über die Strafbemessung ist deshalb insgesamt neu zu befinden. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken begegnen: Die strafschärfende Wertung des „jugendliche(n) Alter(s) des getöteten Opfers” (UA 60) steht – worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hingewiesen hat – nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang, wonach der strafrechtliche Schutz des Lebens Wertabstufungen grundsätzlich nicht zuläßt. Indem die Schwurgerichtskammer „aufgrund des nicht feststellbaren Motivs des Angeklagten” von einem „nichtige(n) Anlaß der Vorgehensweise des Angeklagten gegen Falco L.” ausgeht (UA 60) und dies ebenfalls strafschärfend wertet, hat sie den auch bei der Strafzumessung geltenden Zweifelsgrundsatz außer acht gelassen. Nicht erklärlich ist ferner, daß das Landgericht unter den strafschärfend gewerteten Vorverurteilungen diejenige wegen schwerer räuberischer Erpressung als „einschlägig” berücksichtigt hat (UA 60). Schließlich wird der neue Tatrichter zu beachten haben, daß die vom Landgericht ohne nähere Ausführungen berücksichtigten „generalpräventive(n) Erwägungen” (UA 61) die Notwendigkeit allgemeiner Abschreckung für den Gemeinschaftsschutz voraussetzen (st. Rspr.; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 3). Die Besonderheiten dieses Falles lassen nicht ohne weiteres zu, diesem Gesichtspunkt bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen, zumal das Landgericht dem Angeklagten zugute gehalten hat, daß es zunächst das Tatopfer war, das ihn „politisch ‚agitiert’und … beleidigt hat” (UA 59 f.).
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Cottbus zurück. Zugleich verweist er die Sache dort an eine allgemeine Strafkammer, nachdem nach der Änderung des Schuldspruchs durch den Senat eine Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 613396 |
JA 2002, 275 |
StV 2001, 680 |
LL 2002, 107 |