Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.11.2007) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. November 2007 durch das Schreiben des früheren Pflichtverteidigers Sc. vom 21. November 2007 nicht wirksam zurückgenommen worden ist.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten am 15. November 2007 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Zudem ordnete es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung an.
Rz. 2
1. Der damalige Pflichtverteidiger des Angeklagten legte am 19. November 2007 gegen das Urteil Revision ein. Dieses Rechtsmittel nahm er am 21. November 2007 „namens des Angeklagten und aufgrund dessen ausdrücklicher Anweisung” wieder zurück. Das Landgericht kürzte daher die schriftlichen Urteilsgründe im Hinblick auf die von ihm angenommene Rechtskraft des Urteils nach § 267 Abs. 4 StPO ab. Mit Schreiben vom 10. Januar 2008 informierte der damalige Verteidiger das Landgericht, sein „ehemaliger Mandant” habe ihm nun mitgeteilt, das Revisionsverfahren solle doch durchgeführt werden. Als Grund nannte er, dass die ihm seinerzeit erteilte ausdrückliche Anweisung zur Revisionsrücknahme auf einem Missverständnis beruht „haben soll”.
Rz. 3
2. Nach dem Ergebnis des Freibeweisverfahrens führte die Ehefrau des Angeklagten nach der Einlegung der Revision mit dem früheren Verteidiger des Angeklagten ein Gespräch. Sie bestreitet, den Verteidiger hierbei im Auftrag des Angeklagten mit der Rücknahme des Rechtsmittels beauftragt zu haben, da die Durchführung der Revision der Wunsch des Angeklagten gewesen sei. Der Senat hat aufgrund der nur eingeschränkten Deutschkenntnisse der Ehefrau des Angeklagten und der Nichthinzuziehung eines Dolmetschers bei ihrem Gespräch mit dem Verteidiger durchgreifende Bedenken, von einer wirksamen Ermächtigung des damaligen Verteidigers zur Rechtsmittelrücknahme (§ 302 Abs. 2 StPO) auszugehen. Eine Äußerung des Verteidigers selbst zur maßgeblichen Verfahrenslage konnte nicht eingeholt werden.
Rz. 4
Das Landgericht kann ab Eingang dieses Beschlusses und der Strafakten die bisher nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Urteilsgründe im vorliegenden besonders gelagerten, der Wiedereinsetzung ähnlichen Fall in entsprechender Anwendung des § 267 Abs. 4 Satz 3 StPO ergänzen (BGH NStZ-RR 2002, 261; Engelhardt in KK 5. Aufl. § 267 Rdn. 39; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 267 Rdn. 145; a.M. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 267 Rdn. 30 m.N.). Das Landgericht durfte bei Abfassung des abgekürzten Urteils bei der ihm vorliegenden Aktenlage ohne weiteres von der Anwendbarkeit des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgehen. Daher unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem abweichend entschiedenen Sonderfall, der dem Beschluss des 2. Strafsenats vom 9. Februar 1990 (MDR 1990, 490 bei Holtz) zugrundelag.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Brause, Schaal, Jäger
Fundstellen
Haufe-Index 2565177 |
NStZ 2008, 646 |
wistra 2008, 399 |