Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchter Mord
Tenor
Es wird festgestellt, daß die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 13. April 2000 wirksam zurückgenommen ist.
Gründe
1. Das Landgericht hat den Angeklagten am 13. April 2000 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben der Angeklagte und sein ihm beigeordneter Verteidiger nach Verkündung des Urteils erklärt, daß sie „auf Rechtsmittelbelehrung und Rechtsmittel in jeder Hinsicht” verzichten. Die Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Dennoch hat der Angeklagte mit einem am 20. April 2000 beim Landgericht eingegangenen Schreiben Revision gegen das Urteil eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 28. April 2000 zurückgenommen, worauf das Landgericht mit Beschluß vom 3. Mai 2000 dem Angeklagten die Kosten der Revision auferlegt hat. Hiergegen führt der Angeklagte mit Schreiben vom 11. Mai 2000 sofortige Beschwerde, mit der er gleichzeitig beantragt, ihm hinsichtlich der von ihm persönlich eingelegten Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren bzw. das Verfahren wieder aufzunehmen. Er macht namentlich geltend, seinen Verteidiger nicht mit der Rücknahme der Revision beauftragt bzw. ihn hierzu nicht bevollmächtigt zu haben.
2. Wird die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten bestritten, ist in der Regel eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8 m.w.Nachw.). Dies führt hier zu der deklaratorischen Feststellung des Senats, daß die vom Angeklagten eingelegte Revision durch seinen Verteidiger mit dem Schriftsatz vom 28. April 2000 wirksam zurückgenommen wurde:
Dieser war weiterhin befugt, Erklärungen für den Angeklagten abzugeben. Zwar gilt die Bestellung eines Verteidigers durch den Tatrichter grundsätzlich nur bis zur Urteilsrechtskraft (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 140 Rdn. 33; Laufhütte in KK 4. Aufl. § 141 Rdn. 9 jew. m.w.Nachw.). Auch ist diese hier bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung eingetreten, da nicht nur der Angeklagte und sein Verteidiger, sondern auch die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichtet hat, und Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verzichtserklärungen nicht bestehen. Damit ist hier jedoch nicht die allgemeine Befugnis des Verteidigers entfallen, den Angeklagten in dem durch dessen – unzulässiges – Rechtsmittel eröffneten Revisionsverfahren zu vertreten und Erklärungen in seinem Namen abzugeben. Denn diese muß jedenfalls deshalb fortgelten, da unter den gegebenen Umständen erst im Revisionsverfahren im Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels verbindlich der Eintritt der Rechtskraft des Urteils festgestellt wird.
Auch die für die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme durch den Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten lag vor. Für diese Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben (vgl. BGH NJW 1952, 273; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 6 und 8 sowie § 302 Abs. 2 Rücknahme 6), so daß sie auch telefonisch erteilt werden kann. Ihr Nachweis kann noch nach Abgabe der Rücknahmeerklärung geführt werden (BGHSt 36, 259, 260 f.; BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6), auch durch anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH NJW 1952, 273; BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 302 Rdn. 33 m.w.Nachw.). Hier hatte der Verteidiger schon im Schriftsatz vom 28. April 2000 mitgeteilt, daß er den Angeklagten in einem Telefonat vom 27. April 2000 auf die Unzulässigkeit der Revision infolge des Rechtsmittelverzichts hingewiesen und dieser ihn daraufhin gebeten habe, die Revision zurückzunehmen. Auf entsprechende Nachfrage hat der Verteidiger diese Darstellung in seinem Schriftsatz vom 16. Mai 2000 nochmals bestätigt unter gleichzeitigem Hinweis darauf, daß er mit dem Angeklagten mehrfach ohne Dolmetscher Gespräche geführt habe.
Diese Angaben des Verteidigers ergeben vor dem Hintergrund der tatsächlichen Rechtslage ein in sich schlüssiges Bild und sind aus diesem Grunde ohne weiteres nachvollziehbar. Der Senat folgt ihnen daher.
Der Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme steht letztlich nicht entgegen, daß die Revision schon wegen des Rechtsmittelverzichts unzulässig war (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1957, 527; BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 7).
Das Revisionsverfahren ist daher durch wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen. Seine Fortsetzung im Sinne der vom Angeklagten beantragten „Wiederaufnahme” scheidet daher ebenso aus wie eine Wiedereinsetzung in die Frist zu – erneuter – Revisionseinlegung oder zur Revisionsbegründung.
3. Über die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den isolierten Kostenbeschluß des Landgerichts vom 3. Mai 2000 hat der Senat nicht zu befinden. Gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO hat das Revisionsgericht über die Kostenbeschwerde nur zu entscheiden, wenn gegen das tatrichterliche Urteil Revision in der Hauptsache und gleichzeitig sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt wird. Daran fehlt es, wenn der Tatrichter nach ihm gegenüber erklärter Revisionsrücknahme eine selbständige Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens trifft. Der Umstand, daß der Senat deklaratorisch über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme entscheidet, ändert daran nichts. Die Sache ist daher wegen der Kostenbeschwerde dem zuständigen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 540522 |
NStZ 2001, 104 |
wistra 2000, 391 |