Leitsatz (amtlich)
a) Die Landesjustizverwaltung übt ihr Organisationsermessen bei der Besetzung einer Notarstelle nicht deshalb fehlerhaft aus, weil sie in die Auswahl unter landesfremden Bewerbern einen Notar einbezieht, der nach dem bei ihr allgemein eingeführten Vorrücksystem nicht zum Zuge käme.
b) Das Recht jedes Deutschen auf einen nach Eignung, Befähigung und Leistung gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt (Art. 33 Abs. 2 GG) fordert bei der Entscheidung über die Besetzung einer Notarstelle ein Verfahren, das sich an objektivierbare und in den sachgegebenen Grenzen gerichtliche überprüfbare Methoden hält (Vorstellungsgespräch, im Anschluss an BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 20/03, ZNotP 2004, 241).
c) Die Landesjustizverwaltung verlässt nicht deshalb ihren Beurteilungsspielraum bei der Bestenauslese (§ 6 Abs. 3 BNotO), weil sie Dienstzeugnisse eines Bewerbers (hier: Notarassessor) berücksichtigt, über die ein Mitbewerber infolge seines beruflichen Werdegangs (Übertritt vom Richteramt in den Notardienst eines neuen Bundeslandes) nicht verfügt.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; BNotO §§ 4, 6
Verfahrensgang
OLG Köln (Beschluss vom 04.02.2004; Aktenzeichen 2 VA (Not) 15/03) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des OLG Köln v. 4.2.2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin und der weiteren Beteiligten im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1.2.1994 Notar mit dem Amtssitz W. im Bezirk des OLG Dresden. Zuvor war er Rechtsanwalt in D., anschließend Richter, ab Richter auf Lebenszeit beim LG D. Er bewarb sich um die vom Justizministerium Nordrhein-Westfalen am 15.3.2003 ausgeschriebenen Notarstelle in Wuppertal-V.. Die Antragsgegnerin teilte ihm am 28.7.2003 mit, sie beabsichtige, die Stelle einem Mitbewerber, einem Notarassessor aus Sachsen, zu übertragen. Ihre Entscheidung begründete sie mit Schreiben v. 5.8.2003.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist vor dem OLG ohne Erfolg geblieben. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Notarstelle zu übertragen, hilfsweise über seinen Antrag neu zu entscheiden, weiter. Er beantragt auch in der Beschwerdeinstanz den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Besetzung der Notarstelle auf einen Mitbewerber. Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen ihr Organisationsermessen bei der Besetzung der Notarstelle, der die freie Berufsausübung des Antragstellers (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG) beeinträchtigte (BGH, Beschl. v. 26.3.2001 - NotZ 31/00, MDR 2001, 839 = BGHReport 2001, 441 = ZNotP 2001, 243, v. 14.7.2003 - NotZ 47/02, BGHReport 2003, 1376 = ZNotP 2003, 470, Bewerbung des Antragstellers um eine Notarstelle in Torgau; dazu BVerfG v. 17.7.2003 - 1 BvQ 26/03), liegt nicht vor. Zu Unrecht wirft ihr der Antragsteller vor, vom so genannten Vorrücksystem, das die Inhaber von Planstellen bei der Konkurrenz mit Erstbewerbern begünstigt, abgewichen zu sein. Das Vorrücksystem ist ein zulässiges Mittel der Personalplanung, denn es kann, jedenfalls bei einem ausgeglichenen Verhältnis der vorhandenen Stellen zum Beurkundungsbedarf (§ 4 BNotO), dazu beitragen, den stetigen Übergang der Berufsanwärter (§ 7 BNotO) in das Amt zu fördern (BGH v. 8.7.2002 - NotZ 9/02, BGHZ 151, 252 [255] = BGHReport 2002, 1010 m.w.N.; Beschl. v. 14.7.2003 - NotZ 47/02, BGHReport 2003, 1376 = ZNotP 2003, 470). Die mit dem Vorrücksystem verbundenen Vorteile für eine strukturell vernünftige und vorausschauende, an den Bedürfnissen der Rechtspflege ausgerichtete Personalplanung können aber, was der Antragsteller verkennt, bei einem "Bestellungswechsel", also der Aufgabe der Amtsstelle in einem anderen Bundesland, die beim Erfolg des Antragstellers vorläge, nicht eintreten (BGH, Beschl. v. 2.12.2002 - NotZ 13/02, BGHReport 2003, 311 = DNotZ 2003, 228). Die Konzeption des Bundesgesetzgebers, einen landeseigenen Notariatsdienst zu unterhalten (§ 1 BNotO), legitimiert diese Sicht der Dinge.
Schließlich setzt der Antragsteller unzutreffend das Vorrücksystem mit einer Bevorzugung nach dem Dienstalter gleich. Die Dauer der bisherigen Amtsausübung bindet das organisatorische Ermessen der Justizverwaltung bei der Besetzung einer Stelle nicht. Sie stellt einen - allerdings nachrangigen (BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 19/03; zum Dienstalter bei der Amtssitzverlegung: Beschl. v. 5.2.1996 - NotZ 25/95, DNotZ 1996, 906 [910]; für die Dauer des Anwärterdienstes Beschl. v. 13.12.1993 - NotZ 58/92, DNotZ 1994, 332; zur anwaltlichen Vortätigkeit Beschl. v. 18.9.1995 - NotZ 4/95, AnwBl. 1996, 43) - Gesichtspunkt bei der Auslese unter den geeigneten Bewerbern (§ 6 Abs. 1 BNotO) dar (§ 6 Abs. 3 BNotO).
2. Bei der Auswahl unter den persönlich und fachlich geeigneten Bewerbern, zu denen die Antragsgegnerin den Antragsteller rechnet, ist dieser, im Verhältnis zu dem erfolgreichen Bewerber, kein Beurteilungsfehler (BGH v. 13.12.1993 - NotZ 56/92, BGHZ 124, 327) unterlaufen.
a) Die Antragsgegnerin hat allerdings beim Vergleich der persönlichen Eignung einem Vorstellungsgespräch, an dem der Präsident der Rheinischen Notarkammer und deren Geschäftsführer, Vertreter von Notaren sowie die Dezernentin der Justizverwaltung teilgenommen haben, ausschlaggebende Bedeutung zugemessen. Einstellungsgesprächen in dieser Art kommt, wie der Senat entschieden hat (BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 20/03, BGHReport 2004, 924 = MDR 2004, 779 = ZNotP 2004, 241 [243]), nur eine eingeschränkte Bedeutung zu. Sie können von der Persönlichkeit des Bewerbers nur eine "Momentaufnahme" vermitteln und stehen hinter dienstlichen Beurteilungen über die Tätigkeit als Amtsanwärter (§ 7 BNotO) und hinter der Prüfung der Amtstätigkeit des Notars (§ 93 BNotO) zurück. Was die Prüfberichte angeht, missversteht das OLG die Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschl. v. 5.2.1996 - NotZ 25/95, AnwBl. 1996, 285), wenn es meint, ihnen könne nur eine eingeschränkte Aussagekraft zukommen. Dem Senat ging es darum, das Gewicht von formalen Beanstandungen, welche die inhaltliche Qualität der notariellen Amtsführung nicht berühren, zu begrenzen. Die nur nachrangige Bedeutung des Vorstellungsgesprächs dagegen steht mit dem Recht jedes Deutschen auf einen, nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu dem öffentlichen Amt (Art. 33 Abs. 2 GG) in sachlichem Zusammenhang. Das Grundrecht fordert bei der Entscheidung über eine Bewerbung ein Verfahren, das sich an objektivierbare und in den sachgegebenen Grenzen gerichtlich überprüfbare Methoden der Persönlichkeitsbeurteilung hält. Dem genügen die Eindrücke einer Seite über den Verlauf eines Gesprächs, das sich weitgehend außerhalb der Sachfragen der angestrebten Amtsführung bewegt, nicht ohne weiteres. Im Falle des Antragstellers treten jedoch die Unzulänglichkeiten eines Vorstellungsgesprächs, die den Senat in der Entscheidung v. 22.3.2004 zur Beanstandung veranlasst haben, nicht in gleicher Weise hervor. Zutreffend hebt das OLG darauf ab, dass eine Beurteilung über einen Anwärterdienst des Antragstellers nicht vorliegt, da dieser unmittelbar aus dem Richterdienst in das Amt des Notars übergetreten ist. Dass das den Notarberuf vorbereitende Praktikum, dem sich der Antragsteller noch als Richter unterzogen hat, mit einer Leistungsbeurteilung abgeschlossen hätte, die den Eindrücken im Gespräch vorzugehen hätte, trägt der Antragsteller nicht vor. Er hält es vielmehr für unangebracht, mit dem OLG auf das Ausbleiben der Beurteilung abzustellen. Die Geschäftsprüfungsberichte des Präsidenten des OLG Dresden v. 11.5.1995 und 11.1.1999 hat die Antragsgegnerin nicht unberücksichtigt gelassen. Sie hat den formellen Beanstandungen, mit der Rechtsprechung des Senats (vorstehend), keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Dass sie dem sachlichen Gehalt der Berichte keine ausschlaggebende Bedeutung eingeräumt hat, bleibt noch im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums. Inhaltlich beschränken sich die Berichte darauf, dem Antragsteller zu bescheinigen, dass er sein Amt ordentlich führe. Der Antragsgegnerin ist somit nicht anzulasten, dass sie aussagekräftige Erkenntnisquellen zur persönlichen Eignung des Antragstellers beiseite geschoben hätte. Der Verlauf des Vorstellungsgesprächs selbst, dessen schriftliche Protokollierung nicht unerlässlich ist (BVerwG, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, EntschSlg. A II 1.5, Nr. 21), tritt in dem Bericht des Präsidenten der Notarkammer, den sich die Antragsgegnerin zu Eigen gemacht hat, in einer, die gerichtliche Kontrolle noch ermöglichenden Weise hervor. Der Bericht qualifiziert den Antragsteller nicht ab. Inhaltsarmen Passagen ("Sozialkompetenz strahlte Bewerber ... in deutlich geringerem Umfang aus als ... ") stehen, auch für die Persönlichkeit des Antragstellers relevante, Erörterungen der Amtsführung, der Ergebnisse der juristischen Ausbildung und des Dienstalters gegenüber. Wegen des Vorwurfs der Voreingenommenheit der Antragsgegnerin, den der Antragsteller mit der Beschwerde aufrecht erhält, wird auf die Ausführungen des OLG Bezug genommen.
b) Dem Gesamtzusammenhang der Auswahlbegründung, insb. dem hierzu herangezogenen Material, lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin auch die fachliche Eignung des Mitbewerbers für überlegen angesehen hat. Dies lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen und würde, auch bei gleicher persönlicher Eignung der Konkurrenten, die Entscheidung rechtfertigen. Grundsätzlich unzutreffend ist die Auffassung des Antragstellers, die Antragsgegnerin hätte sich an den für die fachliche Eignung von Bewerbern um das Notariat im Nebenamt (§ 3 Abs. 2 BNotO) entwickelten Richtlinien halten müssen. Wie der Senat bereits entschieden hat (BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 19/03) lässt sich das System der Eignungspunkte, hier nach § 17 AVNot der Antragsgegnerin, nicht auf das hauptberufliche Notariat übertragen, denn für die sachliche Beurteilung bildet der Anwärterdienst nach § 7 BNotO die bestimmungsgemäße Grundlage. Soweit in besonders gelagerten Fällen (Seiteneinsteiger) die verwendeten sachlichen Kriterien der Eignung mit Merkmalen der Richtlinie übereinstimmen, beruht dies auf einer eigenständigen Interpretation der Eignung für das Amt (§ 6 Abs. 1 BNotO), nicht auf einer Bindung an die Verwaltungsvorschrift. Die Antragsgegnerin hat die Ergebnisse des zweiten juristischen Staatsexamens (Antragsteller 9,60 Punkte in Düsseldorf; Mitbewerber 9,52 Punkte in München) fehlerfrei als gleichwertig behandelt (BGH, Beschl. v. 13.12.1993 - NotZ 58/92, DNotZ 1994, 332 f.). Rechtsfehlerfrei hat sie das signifikant Bessere erste Staatsexamen des Mitbewerbers (Antragsteller 4,38 Punkte in Düsseldorf; Mitbewerber 9,0 Punkte in Freiburg) als weiteres Kriterium herangezogen (BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 20/03, BGHReport 2004, 924 = MDR 2004, 779). Fortbildungsveranstaltungen sind, wie auch die vom Antragsteller gefertigte Zusammenstellung bestätigt, von beiden Bewerbern in erheblichem Umfang absolviert worden. Schließlich hat die Antragsgegnerin den herausragenden dienstlichen Beurteilungen des Mitbewerbers, die u.a. eine längere und schwierigere Notariatsverwaltertätigkeit (BGH, Beschl. v. 3.12.2001 - NotZ 22/01, MDR 2002, 423 = BGHReport 2002, 261 = NJW 2002, 970) zum Gegenstand haben, fehlerfrei größeres Gewicht beigemessen als den Berichten über die Geschäftsführung des Antragstellers, die im Rahmen des Unauffälligen verbleiben. Dass der Antragsteller im Hinblick auf seinen, vom gesetzlichen Regelfall abweichenden, Zugang zum Amt des Notars dienstliche Beurteilungen nicht vorzuweisen vermag, kann nicht zu Lasten des Mitbewerbers, etwa in dem Sinne gehen, dass dessen Zeugnisse außer Betracht zu bleiben hätten. Dies folgt nicht nur aus dem Anspruch des Mitbewerbers auf rechtsfehlerfreie und damit umfassende Würdigung seiner Eignungsvoraussetzungen, sondern auch aus dem öffentlichen Interesse an der Auswahl des Geeignetsten. Die öffentliche Hand ist nicht gehalten, mit Rücksicht auf den beruflichen Werdegang des Antragstellers den Kreis der eignungsrelevanten Tatsachen zu verengen. Der Antragsteller hat sich, als der Übertritt aus dem Richteramt in das Notariat eines neuen Bundeslandes lukrativ erschien, der damals bestehenden Möglichkeit bedient, ohne Anwärterdienst zum Notar im Hauptberuf bestellt zu werden. Die Kehrseite hiervon, das Fehlen von Anwärterzeugnissen muss er, nachdem sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt haben, akzeptieren. Wegen aller weiteren Gesichtspunkte wird auf die Entscheidung des OLG Bezug genommen.
3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat sich mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers erledigt.
Fundstellen
Haufe-Index 1205674 |
BGHR 2005, 65 |
NJW-RR 2004, 1701 |
DNotZ 2005, 149 |
ZNotP 2004, 449 |