Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Feststellungsklage eines Gesellschafters bei Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GbR
Leitsatz (amtlich)
Wurde über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die von einem Gesellschafter gegen einen Gesellschaftsgläubiger erhobene Klage auf Feststellung, diesem nicht persönlich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft zu haften, unzulässig.
Normenkette
InsO § 93
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 28.11.2011; Aktenzeichen 5 U 3715/11) |
LG München I (Entscheidung vom 18.08.2011; Aktenzeichen 22 O 15224/10) |
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des OLG München vom 28.11.2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 21.559,36 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger zeichnete im Jahre 1991 eine Beteiligung als Gesellschafter an der I. GbR (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am 21.4.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte gewährte der Schuldnerin mehrere Darlehen. Durch Schreiben vom 21.10.2009 machte sie daraus gegenüber dem Kläger als Gesellschafter der Schuldnerin einen Betrag i.H.v. 21.559,36 EUR geltend.
Rz. 2
Der Kläger, der einen wirksamen Beitritt zu der Schuldnerin in Abrede stellt und seine Beteiligung gekündigt hat, nimmt die Beklagte auf die Feststellung in Anspruch, ihr aus den Darlehensverträgen nicht persönlich zur Zahlung verpflichtet zu sein. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die nach §§ 522 Abs. 3, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf (§ 543 Abs. 2 ZPO); die Sache ist nach der eindeutigen Rechtslage auch im Ergebnis zutreffend entschieden. Der Zulässigkeit des von dem Kläger erhobenen Feststellungsbegehrens (§ 256 Abs. 1 ZPO) steht § 93 InsO entgegen.
Rz. 4
1. Nach dieser Vorschrift kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur von dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden. Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus, die Sperrwirkung und die Ermächtigungswirkung.
Rz. 5
a) Die Sperrwirkung besteht darin, dass die Gläubiger nicht mehr gegen persönlich haftende Gesellschafter vorgehen können und diese nicht mehr befreiend an die Gläubiger der Gesellschaft leisten können. Der Gläubiger kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens einen Haftungsanspruch gegen persönlich haftende Gesellschafter weder durch Klage noch durch Zwangsvollstreckung durchsetzen (BGH, Urt. v. 9.10.2008 - IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 Rz. 10).
Rz. 6
b) Die Ermächtigungswirkung verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft die treuhänderische Befugnis, die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter gebündelt einzuziehen. Hierbei handelt es sich wie bei § 171 Abs. 2 HGB nicht um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Der in Anspruch genommene Gesellschafter tilgt durch die Zahlung an den Insolvenzverwalter der Gesellschaft konkrete Gläubigerforderungen, deren Selbständigkeit durch die Verfahrenseröffnung unangetastet geblieben ist (BGH, a.a.O., Rz. 11).
Rz. 7
c) Zweck der Regelung des § 93 InsO ist es, einen Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der Haftsummen zu verhindern, den Haftungsanspruch der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die Gesellschafterhaftung auszudehnen (BT-Drucks. 12/2443, 140; Brandes in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 93 Rz. 1). Die Ermächtigung des Verwalters zur Geltendmachung der Haftungsforderungen schließt in Verbindung mit der Sperrfunktion im Sinne einer Ausschließlichkeitsermächtigung (vgl. Armbruster, Die Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz der Personengesellschaft nach geltendem und künftigem Recht, 1996, S. 143) während der Dauer des Insolvenzverfahrens eine Verfolgung dieser Ansprüche gegen den Gesellschafter aus.
Rz. 8
2. Sperrwirkung und Ermächtigungswirkung begründen die alleinige Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen der Gesellschaftsgläubiger gegen Gesellschafter.
Rz. 9
a) Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Gesellschafterhaftung wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, weil der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an ihn konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH, Urt. v. 14.11.2005 - II ZR 178/03, WM 2006, 573, 574 f.; v. 9.10.2006 - II ZR 193/05, WM 2007, 122 Rz. 9; FK-InsO/App, 6. Aufl., § 93 Rz. 1; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 93 InsO Rz. 11). Die Prozessführung für die Einziehung von Forderungen gegen Gesellschafter liegt während der gesamten Verfahrensdauer allein bei dem Insolvenzverwalter (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 93 Rz. 3). Die Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters umfasst damit auch die Prozessführungsbefugnis (HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 93 Rz. 50; Jaeger/Müller, InsO, § 93 Rz. 72; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O.). Im Umkehrschluss verlieren die Gesellschaftsgläubiger die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die Gesellschafter (HmbKomm-InsO/Pohlmann, 4. Aufl., § 93 Rz. 26; Piekenbrock, a.a.O.). Mithin ist eine nach Verfahrenseröffnung von einem Gesellschaftsgläubiger gegen einen Gesellschafter verfolgte Haftungsklage als unzulässig abzuweisen (HK-InsO/Kayser, a.a.O.; Jaeger/Müller, a.a.O.).
Rz. 10
b) Wegen der alleinigen Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Einziehung der Ansprüche erweist sich auch die von dem Kläger gegen die Beklagte als Gesellschaftsgläubigerin erhobene, eine Haftung leugnende Feststellungsklage als unzulässig.
Rz. 11
Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters als Verwalter der Masse erstreckt sich sowohl auf Aktivprozesse als auch auf Passivprozesse (Gehrlein in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 50 Rz. 36). Die dem Insolvenzverwalter in § 93 InsO vorbehaltene Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen Gesellschafter umfasst ebenso Aktivprozesse und - wie im Streitfall - Passivprozesse. Ganz allgemein ist zur Prozessführung über Forderungen, welche die Gesellschafterhaftung betreffen, nur der Insolvenzverwalter befugt (Uhlenbruck/Hirte, a.a.O.). Ebenso wie der Gesellschaftsgläubiger gehindert ist, den Gesellschafter in Regress zu nehmen, fehlt umgekehrt dem Gesellschafter die Befugnis, sich durch die Klage gegen einen Gesellschaftsgläubiger seiner Haftung zu erwehren. Hätte die hier erhobene Feststellungsklage Erfolg, stünde rechtskräftig fest, dass die Beklagte den Kläger nicht als Gesellschafter der Schuldnerin in Anspruch nehmen kann. Damit würde jedoch dem Insolvenzverwalter die ihm durch § 93 InsO kraft der Ermächtigungswirkung vorbehaltene Einziehungs- und Prozessführung entzogen. Würde die negative Feststellungsklage hingegen aus sachlichen Gründen abgewiesen, hätte das Urteil dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, welches das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (BGH, Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757). Dann stünde fest, dass die Beklagte als Gesellschaftsgläubigerin gegen den Kläger als Gesellschafter Rückgriff nehmen kann. Ein solches von dem Gesellschaftsgläubiger erstrittenes Erkenntnis wäre jedoch, weil der Kläger auf der Grundlage des Feststellungsurteils nicht befreiend an die Beklagte leisten dürfte, mit der in § 93 InsO zugunsten des Insolvenzverwalters verankerten Sperrwirkung unvereinbar. Bei dieser Sachlage erweist sich die hier erhobene Klage als unzulässig.
Fundstellen
Haufe-Index 3253542 |
DB 2012, 2098 |
DStR 2012, 12 |
WPg 2012, 1120 |
NJW-RR 2012, 1391 |
EWiR 2013, 121 |
NZG 2012, 1113 |
StuB 2012, 808 |
WM 2012, 1637 |
ZIP 2012, 1683 |
AnwBl 2013, 4 |
DZWir 2012, 525 |
JZ 2012, 608 |
MDR 2012, 1115 |
NZI 2012, 858 |
ZInsO 2012, 1587 |
NJW-Spezial 2012, 599 |
RÜ 2012, 633 |
StBW 2012, 850 |
ZVI 2012, 342 |
FMP 2013, 9 |