Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 12.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 12. Dezember 2017, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das vorgenannte Urteil
- im Ausspruch über die Einziehung eines Betrages in Höhe von 1.000 Euro aufgehoben,
- im Ausspruch über die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel dahingehend neu gefasst, dass Metamphetamin einer Nettomasse von 48,15 Gramm eingezogen wird.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten R. sowie diejenige des Angeklagten P. werden verworfen.
4. Die Angeklagten R. und P. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und R. jeweils wegen (unerlaubter) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (unerlaubtem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten (W.) bzw. zwei Jahren und neun Monaten (R.) verurteilt, den Angeklagten P. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es die Unterbringung der Angeklagten W. und R. in der Entziehungsanstalt sowie die Einziehung eines Betrages von 1.000 Euro, des „sichergestellten Betäubungsmittels” und der Handys der Angeklagten angeordnet. Während die Revision des Angeklagten P. unbegründet ist (§ 349 Abs. 2 StPO), haben die Revisionen der Angeklagten W. und R. – diese im Umfang der Beschlussformel – Erfolg.
Rz. 2
1. Die auf die Sachrüge der Angeklagten W. gebotene Überprüfung des Urteils führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils, soweit es sie betrifft, da die Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen.
Rz. 3
a) Nach den Feststellungen mietete der Angeklagte P. aufgrund eines gemeinsam mit den miteinander verlobten Angeklagten W. und R. gefassten Tatentschlusses einen Pkw zur Durchführung einer Drogenbeschaffungsfahrt. In Umsetzung ihres Planes fuhren die drei Angeklagten an die deutsch-tschechische Grenze nach Johanngeorgenstadt. Von dort aus begab sich R. in die Tschechische Republik, wo er in Potucky für 1.000 Euro mindestens 48,15 Gramm Metamphetamin erwarb. Nachdem er mit dem erworbenen Rauschmittel wieder in die Bundesrepublik gelangt war, wurde er von den beiden übrigen Angeklagten erneut in den von R. gesteuerten Pkw aufgenommen.
Rz. 4
b) Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Mittäterschaft der Angeklagten W. (§ 25 Abs. 2 StGB) in Bezug auf die Einfuhr der Betäubungsmittel.
Rz. 5
aa) Zwar ist es für eine Einfuhr nicht erforderlich, dass der Mittäter das Rauschgift eigenhändig ins Inland bringt. Vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, Mittäter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht nur als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt und die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 – 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 319; Beschluss vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209, 210; jeweils mwN). Wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Eigeninteresses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33, und vom 31. März 2015 – 3 StR 630/14, StraFo 2015, 259, 260). Entscheidender Bezugspunkt für all diese Merkmale ist der Einfuhrvorgang selbst, wobei dem Interesse des Handeltreibenden am Gelingen des Einfuhrvorgangs keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633; vom 2. Juni 2016 – 1 StR 161/16, und vom 30. Juni 2016 – 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296). Für die Annahme von Mittäterschaft bei der Einfuhr reicht es demnach nicht aus, dass ein Tatbeteiligter ohne Einfluss auf den Einfuhrvorgang lediglich darauf wartet, dass ein Anderer die eingeführten Betäubungsmittel bringt.
Rz. 6
bb) Nach diesen Maßstäben begegnet die Einordnung der Beteiligung der Angeklagten als Mittäterschaft an der Einfuhr durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar weisen die Urteilsgründe darauf hin, dass die Angeklagte ein nicht unerhebliches Interesse an dem Erwerb der Betäubungsmittel sowie deren Transport nach Deutschland gehabt haben könnte, da sie diese mitverkaufen und teilweise selbst konsumieren wollte. Dies würde jedoch mit Blick auf den Umfang ihrer Tatbeteiligung und ihrer fehlenden Tatherrschaft ebenso wenig eine (Mit-)Täterschaft an der Einfuhr begründen wie der Umstand, dass R. sie während seines Aufenthalts in Tschechien versuchte, per Chat zu kontaktieren. Den Feststellungen lässt sich insbesondere kein auch nur geringer Einfluss der Angeklagten auf den konkreten Vorgang der Einfuhr der Betäubungsmittel entnehmen. Der vom Landgericht festgestellte gemeinsame Tatplan und ihre bloße Anwesenheit während der Fahrt zur und von der Grenze vermögen die rechtliche Einordnung ihrer Handlungen als mittäterschaftlich begangene Einfuhr nicht zu rechtfertigen.
Rz. 7
cc) Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Angeklagten W. neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere, über die bisherigen Feststellungen hinausgehende Umstände festgestellt werden können, die die Annahme rechtfertigen, die Angeklagte habe sich in strafbarer Weise an der Einfuhr beteiligt. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr bedingt auch die Aufhebung der rechtsfehlerfrei erfolgten tateinheitlichen Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, sieht der Senat davon ab, die bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu lassen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 8
2. Die Revision des Angeklagten R. ist nur in geringem Umfang begründet.
Rz. 9
a) Die auf die Behauptung einer Verletzung des § 265 Abs. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unzulässig. Der Angeklagte hat nicht vorgetragen, auf welche neu hervorgetretene, von ihm bestrittene Tatsachen oder tatsächliche Verhältnisse (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 – 2 StR 215/02, BGHSt 48, 183, 184) sich die Feststellung eines bei ihm vorliegenden Hanges, seiner Gefährlichkeit und der Erfolgsaussicht einer Unterbringung nach § 64 StGB stützt.
Rz. 10
b) Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler lediglich in Bezug auf die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und des Geldbetrages ergeben. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„(1.) Die Einziehungsentscheidung ist – die sichergestellten Betäubungsmittel betreffend – nicht hinreichend bestimmt. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, die der Einziehung unterliegenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über Umfang und Reichweite der getroffenen Entscheidung besteht (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 5 StR 383/17 –). Dazu ist es erforderlich, Betäubungsmittel nach Art und Menge aufzuführen (BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 2 StR 418/14 –; BGH, Urteil vom 7. November 2017 – 1 StR 195/17 –).
Einer Zurückverweisung bedarf es nicht; der Senat kann vielmehr die konkrete Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst nachholen.
(2.) Die auf die Vorschriften der §§ 73, 73a StGB gestützte Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 1.000,– (vgl. UA S. 34) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das von den Angeklagten R. und W. zum Erwerb von Rauschdrogen aufgewandte Kaufgeld ist nicht im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ‚durch eine rechtswidrige Tat oder für sie […] erlangt’.
Eine Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht. Zwar mag das Geld Tatmittel insoweit gewesen sein, als sein Einsatz der Verwirklichung des beabsichtigten eigennützigen Umsatzes von Betäubungsmitteln diente (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl. 2017, § 33 Rdnrn. 312, 313). Unabhängig davon, dass weitergehende Feststellungen zum Verbleib der dem vietnamesischen Drogenhändler (vgl. UA S. 16) übergebenen Zahlungsmittel fehlen und diesbezügliche Erkenntnisse auch nicht mehr zu erlangen sein werden, steht jedenfalls nicht fest, dass die Angeklagten W. und R. im Zeitpunkt des Urteils (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55 –, BGHSt 8, 205, 212) noch Eigentümer der Geldscheine waren (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juni 1985 – 5 StR 275/85 –, NStZ 1985, 556 m. Anm. Eberbach).
Soweit das Landgericht maßgeblich auf den Wert der Betäubungsmittel abgestellt hat, unterliegen diese nur der Einziehung als Tatobjekte (§ 74 Abs. 2 StGB, § 33 Satz 1 BtMG), nicht hingegen der Tateinziehung nach § 73 StGB. Vor diesem Hintergrund ist auch für eine ersatzweise Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB … kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2001 – 3 StR 442/01 –, NStZ-RR 2002, 118 f.).”
Rz. 11
Dem schließt sich der Senat an.
Rz. 12
c) Wegen des nur geringfügigen Erfolges der Revision des Angeklagten R. entspricht es nicht der Billigkeit, ihn auch nur teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Schneider, Berger, Köhler
Fundstellen
Dokument-Index HI12132401 |