Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 16.02.2023; Aktenzeichen 606 KLs 18/20) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Februar 2023 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die Rüge einer Verletzung von § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG erweist sich schon als unzulässig, weil der Senat dem Vortrag des Revisionsführers die bestimmte Behauptung eines Rechtsfehlers nicht hinreichend entnehmen kann. Ob die Öffentlichkeit während der Schlussvorträge und des letzten Worts des Angeklagten tatsächlich - und nicht nur laut Protokoll - nicht ausgeschlossen war, trägt der Beschwerdeführer nicht deutlich vor (vgl. zur Problematik Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 344 Rn. 26 mwN). Damit korrespondiert, dass aus dem Revisionsvortrag auch nicht klar wird, ob - anders als ausdrücklich beim Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft vorgetragen - beim letzten Wort des Angeklagten überhaupt Öffentlichkeit anwesend war.
Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob das Urteil auf dem Rechtsfehler auch beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Dagegen spricht, dass die Öffentlichkeit bei der hier in Rede stehenden Inaugenscheinnahme kinderpornografischer Inhalte aufgrund der gesetzlichen Wertung des § 184b Abs. 1 StGB regelmäßig bereits nach § 172 Nr. 1 GVG wegen Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Juli 1985 - 1 StR 216/85, NStZ 1986, 179; vom 19. März 1992 - 4 StR 73/92, BGHSt 38, 248; vom 9. Juni 1999 - 1 StR 325/98, NJW 1999, 3060 aE; LR/Krauß, 27. Aufl., § 172 GVG Rn. 11). Demgegenüber setzt die vom Landgericht auf Antrag der Verteidigung herangezogene Vorschrift des § 171b Abs. 1 GVG eine Abwägung mit schutzwürdigen individuellen Interessen voraus. Der Disposition der Betroffenen nach § 171b Abs. 4 GVG kann der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Inaugenscheinnahme kinderpornografischer Inhalte nicht unterliegen, weshalb § 172 Nr. 1 GVG in solchen Fällen in aller Regel vorrangig anzuwenden sein dürfte (vgl. zum Verhältnis von § 171b GVG und § 172 GVG auch BGH, Urteil vom 19. März 1992 - 4 StR 73/92, BGHSt 38, 248). Durch den zwingenden Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussvorträge nach § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG soll verhindert werden, dass die für den vorherigen Öffentlichkeitsausschluss maßgebenden schutzwürdigen individuellen Umstände gleichwohl später im Rahmen der Schlussplädoyers zur Sprache kommen (vgl. BT-Drucks. 17/12735 S. 18; LR/Krauß, 27. Aufl., § 171b GVG Rn. 20). Demgegenüber ist bei § 172 Nr. 1 GVG - anders als bei § 172 Nr. 4 GVG (vgl. § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG) - ein solcher Automatismus weder gesetzlich vorgesehen noch der Sache nach geboten. Bei richtiger Rechtsanwendung wäre die Öffentlichkeit für die Schlussplädoyers demnach nicht auszuschließen gewesen (vgl. zum Beruhensausschluss in solchen Fällen Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 337 Rn. 38 mwN).
Cirener |
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Gericke |
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Mosbacher |
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Resch |
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von Häfen |
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Fundstellen
Haufe-Index 15940987 |
NStZ-RR 2024, 30 |