Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilprozessreform. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Parallele Geltung von altem und neuem Recht. Umstellung der Organisation. Fristenbearbeitung. Fristenkontrolle. Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Die Tatsache, dass die parallele Geltung von alter und neuer Fassung der Zivilprozessordnung in jeder Anwaltskanzlei eine grundlegende Umstellung der Organisation der Fristenbearbeitung und -kontrolle erfordert, führt nicht bereits zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Juni 2002 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 10.735,95 EUR.
Gründe
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 – V ZB 11/02, WM 2002, 1567). Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 – V ZR 75/02, WM 2002, 1811 und – V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1897). So liegen die Dinge hier nicht.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Rechtsbeschwerde nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil im Hinblick auf die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozeßreform die parallele Geltung von altem und neuem Recht in jeder Anwaltskanzlei eine grundlegende Umstellung der Organisation der Fristenbearbeitung und -kontrolle erfordere. Die parallele Geltung der bis zum 31. Dezember 2001 für die Berufung maßgeblichen Vorschriften und derjenigen, die am 1. Januar 2002 in Kraft getreten sind, beschränkt sich auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. Es ist allgemein anerkannt, daß eine Rechtsfrage, die Übergangsrecht oder auslaufendes Recht betrifft, in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung hat (BGH, Beschluß vom 24. Oktober 1991 – III ZR 78/90, WM 1992, 362, 363 f.; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 543 Rdn. 5; MünchKomm/Wenzel, ZPO 2. Aufl. § 546 Rdn. 36; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 7; BVerwG NVwZ-RR 1996, 712 für § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist, wofür der Beschwerdeführer darlegungspflichtig ist und was nur bejaht werden kann, wenn Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sind (so BVerwG aaO m.w.Nachw.). Das ist hier nicht der Fall.
b) Ob die vom Beklagten angesprochene mündliche Einzelanweisung geeignet war, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu vermeiden (vgl. hierzu auch BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 – VIII ZB 26/00, NJW-RR 2001, 782, 783) und ob die Erteilung einer solchen Einzelanweisung überhaupt hinreichend glaubhaft gemacht worden ist, sind Fragen der Würdigung des Einzelfalls und offensichtlich nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
c) Bereits geklärt ist, daß eine besonders auffällige Häufung von Mängeln im Zusammenhang mit der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist, die entweder Bedenken gegen die ordnungsgemäße Ausbildung, Erprobung und Überwachung der Büroangestellten oder Schlüsse auf die Unvollständigkeit der organisatorischen Anweisungen des Anwalts rechtfertigt, für ein Organisationsverschulden des Berufungsanwalts sprechen kann (BGH, Beschluß vom 18. Dezember 1997 – III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11). Ob eine solche auffällige Häufung von Mängeln im Zusammenhang mit der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist zu verzeichnen ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalls.
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Daß das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abgewichen wäre, hat der Beklagte nicht geltend gemacht. Ebenso fehlt es an konkreten Angaben zur „symptomatischen Bedeutung” des behaupteten Rechtsfehlers (vgl. Senat, Beschluß vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, Umdr. S. 8).
Unterschriften
Nobbe, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen