Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit von Miteigentumsanteilen an in einem Sammeldepot gehaltenen Wertpapieren als andere Vermögensrechte i.S.v. §§ 856 Abs. 1, 828 ff. ZPO
Leitsatz (amtlich)
Zur Pfändung von Miteigentumsanteilen an im Sammeldepot verwahrten Wertpapieren.
Normenkette
ZPO § 857 Abs. 1; DepotG § 6 Abs. 1; ZPO § 828
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 23.02.2007; Aktenzeichen 5 T 4682/06) |
AG Landsberg a. Lech (Entscheidung vom 26.10.2006; Aktenzeichen 1 M 1688/06) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Augsburg vom 23.2.2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
[1] Durch rechtskräftiges Urteil vom 4.5.2004 wurde der Schuldner zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde der Verfall von Wertersatz i.H.v. 4.500.000 EUR angeordnet. Im Ermittlungsverfahren war zur Sicherung des Anspruchs auf Verfall von Wertersatz ein dinglicher Arrest in das Vermögen des Schuldners ausgebracht worden, zu dessen Vollzug vier Pfändungsbeschlüsse vom 16.11.2000 bzw. 8.12.2000 erlassen wurden. Der Pfändungsbeschluss vom 16.11.2000 hat folgenden auszugsweisen Wortlaut:
"Aufgrund und in Vollziehung des dinglichen Arrestes ... werden ... die angeblichen Forderungen des ... - Schuldner - gegen die ... - Drittschuldnerin - aus dem Vertrag über die Wertpapierverwahrung bis zur Höhe von 27.271.794 DM gepfändet. Insbesondere wird der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe von Wertpapieren aus Sonder- oder Drittverwahrung samt dem Miteigentumsanteil von Stücken im Sammelbestand aus den Depots ... gepfändet."
[2] Die drei Pfändungsbeschlüsse vom 8.12.2000 lauten auszugsweise:
"Aufgrund und in Vollziehung des dinglichen Arrestes ... werden ... sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen des ... - Schuldner - aus allen vorhandenen Geschäftsverbindungen (Konten, Depots, Schließfächer etc.), insb. aus den Konten/Depots ... bei der ... - Drittschuldnerin - bis zur Höhe von 15.000.000 DM gepfändet. Insbesondere der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe von Wertpapieren aus Sonder- oder Drittverwahrung samt dem Miteigentumsanteil von Stücken im Sammelbestand, sowie alle Forderungen aus sonstigen Kontoverbindungen."
[3] Der Gläubiger hat bei dem AG (Vollstreckungsgericht) beantragt, ihn gem. § 844 Abs. 1 ZPO zu ermächtigen, Vermögenswerte des Schuldners in Form von im Einzelnen bezeichneten Aktien bis zur Tilgung der offenen Forderung durch Beauftragung des jeweiligen Drittschuldners zum gängigen Börsenpreis an der Börse zu verkaufen. Das AG hat den beantragten Beschluss erlassen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.
II.
[4] Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
[5] 1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Vollstreckung in Wertpapiere in Sammelverwahrung erfolge durch Pfändung und Überweisung des Miteigentumsanteils und zweckmäßigerweise zusätzlich des Auslieferungsanspruchs aus § 7 DepotG. Vorliegend seien aber lediglich die Hilfsansprüche aus den Verwahrungsverträgen mit den Bankinstituten gepfändet worden, nicht jedoch die Miteigentumsanteile. Nach dem Wortlaut der Pfändungsbeschlüsse seien jeweils Forderungen ggü. den Banken gepfändet worden. Das Innehalten eines Miteigentumsrechts sei jedoch keine Forderung gegenüber diesen Instituten. Die Beschlüsse könnten auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Miteigentumsrechte erfasst seien.
[6] 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
[7] a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Miteigentumsanteile an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren (§ 6 Abs. 1 DepotG) als andere Vermögensrechte i.S.v. §§ 857 Abs. 1, 828 ff. ZPO pfändbar und verwertbar sind (BGH, Beschl. v. 16.7.2004 - IXa ZB 24/04, BGHZ 160, 121, 124; Erk, Rechtspfleger 1991, 236; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz. 1787e).
[8] b) Die Pfändungsbeschlüsse vom 16.11.2000 bzw. 8.12.2000 sind dahin auszulegen, dass die dem Schuldner zustehenden Miteigentumsanteile an den von den Drittschuldnerinnen im Sammeldepot verwahrten Wertpapieren mitgepfändet sind.
[9] Als Hoheitsakt ist der Pfändungsbeschluss vom Rechtsbeschwerdegericht selbst auszulegen (BGH, Beschl. v. 13.4.1983 - VIII ZB 38/82, NJW 1983, 2773, 2774; Urt. v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544). Nach ständiger Rechtsprechung muss der Pfändungsbeschluss zur Rechts- und Verkehrssicherheit das gepfändete Vermögensrecht und dessen Rechtsgrund so bestimmt bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welches Vermögensrecht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Das gepfändete Vermögensrecht muss von anderen unterschieden werden können; das Rechtsverhältnis, aus dem es hergeleitet wird, ist wenigstens in allgemeinen Umrissen anzugeben. Die Bestimmtheit des Pfändungsgegenstands muss sich bei einer Auslegung des Pfändungsbeschlusses aus diesem selbst ergeben und nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für andere Personen - insb. für weitere Gläubiger des Schuldners - klar sein. Deswegen können Umstände außerhalb des Beschlusses bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. An die Bezeichnung des gepfändeten Vermögensrechts dürfen allerdings keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden, weil der Gläubiger regelmäßig die Verhältnisse seines Schuldners nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind unschädlich, wenn eine sachgerechte Auslegung ergibt, was in Wahrheit gemeint ist (BGH, Urt. v. 8.5.2001 - IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976, 2977; Urt. v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544, jeweils m.w.N.).
[10] Aus dem Wortlaut der Pfändungsbeschlüsse ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Pfändung auf die Miteigentumsanteile des Schuldners an den sammelverwahrten Wertpapieren erstreckt. Anders kann die Formulierung "samt dem Miteigentumsanteil von Stücken im Sammelbestand" nicht verstanden werden. Daran ändert nichts, dass der Obersatz nur von Forderungen, nicht hingegen von Vermögensrechten i.S.v. § 857 ZPO spricht, zu denen ein Miteigentumsanteil gehört. Der mit "insb." eingeleitete, den Pfändungsgegenstand konkretisierende Satz lässt objektiv erkennen, dass die Pfändung jedenfalls die ausdrücklich erwähnten Rechte erfassen soll. Eine Beschränkung auf Forderungen im Rechtssinne ist ersichtlich nicht gewollt, auch wenn § 857 ZPO im Beschluss nicht erwähnt ist.
[11] c) Der Pfändungsbeschluss ist bezüglich der Wertpapiere hinreichend bestimmt. Es ist zweifelsfrei erkennbar, dass es um alle Wertpapiere geht, die die jeweilige Drittschuldnerin für den Schuldner verwahrt. Eine nähere Bezeichnung der Wertpapiere oder Nennung der betroffenen Depotnummern zu fordern, würde die Anforderungen an den Gläubiger überspannen, der genauere Kenntnisse in der Regel nicht haben kann.
[12] 3. Eine abschließende Entscheidung des Senats nach § 577 Abs. 5 ZPO ist nicht möglich, da das Beschwerdegericht Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die begehrte andere Art der Verwertung nach § 844 Abs. 1 ZPO nicht getroffen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1888598 |
BGHR 2008, 402 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2008, 494 |
JurBüro 2008, 211 |
Rpfleger 2008, 266 |
ZBB 2008, 121 |
ZVI 2008, 51 |