Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 30.08.2004) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 30. August 2004 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluß des Landgerichts Lübeck vom 11. November 2004, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil in den Fällen II. 1, 3, 4, 6, 8, 9, 12, 13, 18 – 22, 26, 29, 32 und 33 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Hehlerei” (nach dem Ergebnis der rechtlichen Würdigung: „gewerbsmäßiger Hehlerei”) in fünf Fällen, gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwölf Fällen, schweren Bandendiebstahls, Diebstahls, Unterschlagung und Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei verurteilt worden ist, sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
1. Die Urteilsgründe genügen in den genannten Fällen nicht den Anforderungen des § 267 StPO:
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO sind die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter auf der Grundlage einer vorausgegangenen rechtlichen Subsumtion die Urteilsgründe so abzufassen, daß sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. zur Feststellung der Tatbestandsmerkmale Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen 27. Aufl. Rdn. 281 ff., insbes. 287). Daran fehlt es hier. Der in Abschnitt II. der Urteilsgründe mitgeteilte Sachverhalt ist vielfach unvollständig und erlaubt eine ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruches nicht (vgl. BGH NStZ 2000, 607 f.). Eine ergänzende Heranziehung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe ist nicht möglich, da sich die Beweiswürdigung in der Mitteilung erschöpft, die Angeklagten hätten die Taten übereinstimmend und glaubhaft gestanden, und sich die rechtliche Würdigung auf die Angabe des Endergebnisses beschränkt.
b) Ferner müssen nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO die zur Anwendung gebrachten Strafgesetze bezeichnet werden. Enthält eine Strafvorschrift mehrere Begehungsformen, muß ersichtlich sein, in welcher Form der Tatbestand nach Auffassung des Gerichts erfüllt ist (Meyer-Goßner/Appl aaO Rdn. 415). Das wäre hier insbesondere bei den Hehlereifällen erforderlich gewesen, da der Tatbestand des § 259 Abs. 1 StGB vier verschiedene Alternativen (Ankauf, Sichverschaffen, Absatz und Absatzhilfe) kennt; nur in einem Teil dieser Fälle versteht sich die angewandte Begehungsform auf Grund des mitgeteilten Sachverhalts von selbst.
2. Im einzelnen ergeben sich aus der unzureichenden Darstellung folgende Rechtsmängel:
a) Der Tatbestand der Hehlerei nach § 259 StGB setzt voraus, daß ein anderer die Sache gestohlen oder sonst durch ein Vermögensdelikt an sich gebracht hat. Hehler kann somit nicht sein, wer an der Vortat als Täter oder Mittäter beteiligt war. Hier hätte sich in den Fällen 1, 4, 8 und 29 die Prüfung aufgedrängt, ob der Angeklagte S. nicht als Mittäter am Diebstahl beteiligt war. Er hat in diesen Fällen Mitbeteiligten den Auftrag erteilt, ein bestimmtes Gerät zu entwenden, um es sodann an ihn zu übergeben, damit er es verkaufen bzw. für sich verwenden kann (Fall 8). Dies spricht dafür, daß er nicht nur den Plan für diese Taten entwickelt hat, sondern durch die Auftragserteilung für ein bestimmtes Tatobjekt und die anschließende Verwertung ein erhebliches eigenes Tatinteresse und auch Anteil an der Tatherrschaft hatte. Besonders deutlich wird dies im Fall 1, in dem er den Auftrag erteilte, einen bestimmten Minibagger auf dem von ihm selbst als Niederlassungsleiter verwalteten Betriebsgelände der Fa. M. in B. wegzunehmen. Dabei wäre in diesem Fall weiter zu prüfen gewesen, ob der Angeklagte nicht Alleingewahrsam an den auf dem Gelände gelagerten Geräten hatte. Denn dann würde Diebstahl als Vortat ausscheiden und Unterschlagung durch den Angeklagten selbst in Betracht kommen, die bereits in der Erteilung des Wegnahmeauftrags liegen könnte. Im Fall 8 liegt die Annahme von mittäterschaftlichem Diebstahl besonders nahe, weil hier der Angeklagte einen anderen beauftragt hat, einen für ihn selbst benötigten Elektroherd zu entwenden. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Mittäter eines Diebstahls auch sein kann, wer selbst am Tatort nicht mitwirkt, jedoch die übrigen Voraussetzungen von Mittäterschaft erfüllt (BGHSt 33, 50, 53).
b) Im Fall 6 ist fraglich, ob eine Hehlereihandlung vorliegt. Es wird nicht mitgeteilt, welche der Alternativen des § 259 Abs. 1 StGB angenommen worden ist. Die Sachverhaltsschilderung deutet darauf hin, daß die Strafkammer an Absatzhilfe gedacht hat. Denn danach gestattete der Angeklagte den Dieben, die Beute bei ihm vorübergehend einzulagern, „um ihnen beim Absatz zu helfen”. Bloßes Einlagern für einen späteren Verkauf bereitet jedoch den Absatz erst vor und stellt noch keine Absatzhilfe dar (st. Rspr.; vgl. BGH wistra 1993, 61 f.; NStZ 1993, 282 f.). Allerdings käme bei dieser Sachlage Begünstigung nach § 257 StGB in Betracht, die von der Strafkammer nicht geprüft worden ist.
c) Der Tatbestand der Hehlerei erfordert zudem das subjektive Tatbestandsmerkmal „sich oder einen Dritten zu bereichern”. Eine solche Bereicherungsabsicht mag zwar bei Tatumständen wie hier nahe liegen, doch macht dies eine entsprechende tatrichterliche Feststellung – ähnlich wie beim Erfordernis des Eigennutzes beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – nicht entbehrlich. Denn es ist durchaus vorstellbar, daß ein Beteiligter, der sich generell durch Straftaten eine Einnahmequelle erschließen will, gleichwohl im Einzelfall Hilfeleistungen auch aus Gefälligkeit erbringt. Dies betrifft insbesondere die Fälle 6, 18 und 32, in denen nicht ersichtlich ist, daß der Angeklagte einen Erlösanteil bekommen sollte. Auch im Fall 3 ist dies nicht eindeutig. Zwar wird mitgeteilt, daß er von dem Verkäufer Sch. einen Erlösanteil von 5.000 DM erhalten hat, doch fehlt es an der Angabe, was er dem Vortäter zu zahlen hatte.
Sollte es dem Angeklagten darauf angekommen sein, einen Vortäter durch seine Absatzbemühungen zu bereichern, würde auch dies für die Erfüllung des Tatbestandes nicht ausreichen. Denn Dritter im Sinne des § 259 StGB kann nicht ein Vortäter sein (BGH NStZ 1995, 595).
d) Soweit der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei verurteilt worden ist, fehlt es an ausreichenden Feststellungen, ob er als Hehler Mitglied der Bande geworden war und ob sämtliche nach § 260 a StGB abgeurteilten Fälle der Bande zugerechnet werden können.
aa) In den Urteilsgründen wird vorab festgestellt, daß der Angeklagte sich mit vier anderen Personen verabredet habe, sich durch Diebstähle und den anschließenden Verkauf der Beute eine Einnahmequelle zu schaffen. Näheres zum Inhalt und den Umständen dieser Verabredung wird nicht mitgeteilt. Dies wäre erforderlich gewesen, zumal sich aus den sonstigen Feststellungen Umstände ergeben, die gegen eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten sprechen könnten.
Schließen sich mehrere Personen zur gemeinsamen Begehung von Diebstählen zusammen, um anschließend die Beute durch einen Dritten verkaufen zu lassen, so können sie ihm die Beute zum einen – auch in der Art einer ständigen „Geschäftsbeziehung” – zum An- und Weiterverkauf anbieten, zum anderen können sie ihn aber als Bandenmitglied einbeziehen, das dann den Weiterverkauf für die (gemischte) Bande bewerkstelligt. Welche der beiden Konstellationen vorliegt, hat der Tatrichter nach Bewertung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei werden neben dem Inhalt etwaiger Abreden insbesondere die Erlösverteilung und Risikotragung von wesentlicher Bedeutung sein (vgl. zur ähnlichen Problematik beim Bandenhandel BGH StraFo 2004, 253). Zu alledem ist den Urteilsgründen – abgesehen davon, daß im Fall 29 der Erlös verteilt worden ist – nichts zu entnehmen. Die zu einzelnen Fällen festgestellte Handhabung spricht sogar eher gegen eine Bandenmitgliedschaft. So wird zu Fall 26 mitgeteilt, daß der Angeklagte aus der Gesamtbeute, die u. a. aus einer „größeren Anzahl” von DVD-Playern bestand, nur zwei DVD-Player von den Dieben übernommen und „mit Gewinn” abgesetzt habe. Dies deutet daraufhin, daß er die Ware abgekauft und im Eigeninteresse weiterverkauft hat. Bei einem Handeln für die Bande wäre eine Auskehrung des Erlöses, nicht aber die Erzielung eines „Gewinns” zu erwarten gewesen. Entsprechendes gilt im Fall 33, bei dem die Diebe von 318 erbeuteten Bügeleisen 313 selbst absetzten und nur fünf dem Angeklagten für je 10 EUR verkauften.
bb) Auch bei Annahme einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten wäre weiterhin zu prüfen gewesen, ob er die jeweilige Tat „als Mitglied der Bande” begangen hat, also ein ausreichender Bandenbezug feststellbar ist (vgl. BGHR StGB § 260 Abs. 1 Bande 1). Dies mag bei Taten, die entsprechend der Bandenabrede von mehreren Bandenmitgliedern begangen werden, auf der Hand liegen und keiner näheren Begründung bedürfen. Anders liegt es indes bei Taten, an denen keine weiteren Bandenmitglieder oder nur außenstehende Personen beteiligt sind oder die nach ihrer Begehungsweise der Bandenabrede nicht entsprechen. Bei den hier abgeurteilten Sachverhalten fällt auf, daß als Vortäter und – eingeweihte – Abnehmer zahlreiche weitere Personen mitgewirkt haben, die nicht der Bande zugerechnet worden sind, ohne daß den Urteilsgründen die Kriterien entnommen werden können, nach welchen gleichwohl die Zuordnung als Bandentat erfolgt ist. Besonders fraglich ist der Bandenbezug in dem bereits aus anderen Gründen der Aufhebung unterliegenden Fall 18, in dem die Vortat kein Diebstahl, sondern eine Unterschlagung durch ein Nichtbandenmitglied war, und der Beutegegenstand lediglich an ein Bandenmitglied, den Mitangeklagten Ho., weitergegeben worden ist. Entsprechendes gilt im Fall 21, bei dem kein anderes Bandenmitglied beteiligt war, vielmehr der Angeklagte von einem Dritten entwendete Geräte diesem ab- und sodann weiterverkaufte. Soweit die Strafkammer dazu festgestellt hat, dies sei im „Bandeninteresse” erfolgt, fehlt es an jeglicher Begründung; insbesondere ist nichts dazu zu entnehmen, daß die übrigen Bandenmitglieder am Verkaufserlös beteiligt worden wären.
3. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Daß im Fall 5 Ausführungen dazu fehlen, ob H. an dem LKW mit Ladung Allein- oder Mitgewahrsam hatte und somit Diebstahl oder Unterschlagung vorliegt (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 6, 7), beschwert den Angeklagten nicht. Entsprechendes gilt für den Fall 7, in dem der Verkauf des Computers nicht unter dem Gesichtspunkt einer Hehlerei geprüft worden ist.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556849 |
NStZ 2005, 567 |
StraFo 2005, 214 |