Tenor
Die Sache wird nach § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung der folgenden Rechtsfrage vorgelegt:
Reicht es für die Annahme vollendeten Handeltreibens aus, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen eintritt, aber keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt?
Tatbestand
I.
Beim Senat sind Revisionsverfahren gegen zwei Urteile anhängig, durch die Fälle erfolgloser Bemühungen um den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln als vollendetes Handeltreiben ab-geurteilt worden sind. Die Rechtsmittel der Angeklagten geben Anlaß, die Abgrenzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung zu überprüfen. Der Senat hat beide Verfahren für die Durchführung eines Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Vielfalt der Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen.
1. Das Landgericht Mönchengladbach hat vollendetes Handeltreiben auch bei folgenden Sachverhaltsfeststellungen angenommen:
a) In dem Verfahren gegen den Angeklagten K. (3 StR 61/02):
aa) Der Angeklagte wurde von einem Freund angerufen, der ihm anbot, 10.000 Ecstasy-Tabletten zum Preis von 9.000 DM zu besorgen. Der Angeklagte erklärte ihm, er solle die Tabletten beschaffen. Dabei hatte der Angeklagte aber Zweifel, ob dieser hierzu in der Lage sein würde. Zu einer Lieferung von Tabletten kam es nicht.
bb) Der Angeklagte telefonierte mit einem Freund und beauftragte ihn, die Telefonnummer von einem „A.” herauszufinden. Der Angeklagte wollte feststellen, ob er von „A.” 10.000 Ecstasy-Tabletten erwerben könnte.
b) In dem Verfahren gegen den Angeklagten Ke. (3 StR 243/02):
aa) Der Angeklagte wollte 50 g Kokain erwerben, um es teilweise gewinnbringend weiterzuverkaufen. Er telefonierte deshalb mit mehreren Betäubungsmittelhändlern in Holland und besuchte auch einige von ihnen, konnte jedoch nirgends Kokain kaufen.
bb) Der Angeklagte wollte erneut 50 g Kokain erwerben und fuhr deshalb nach Holland. Das Geschäft kam nicht zustande, weil der Angeklagte mit dem Betäubungsmittelhändler nicht handelseinig wurde.
cc) Der Angeklagte wollte 70 g Kokain mit hohem Wirkstoffgehalt erwerben und fuhr deshalb nach Holland. Weil die Qualität des Angebots nicht ausreichend war, kaufte er statt dessen 40 g Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von weniger als 10 Gramm Amphetaminbase, das er nach Deutschland verbrachte und weiterverkaufte. Obgleich das erworbene Amphetamin die Grenze zur nicht geringen Menge nicht überschritt, hat das Landgericht den Angeklagten wegen vollendeten Handeltreibens mit einer nicht geringen Menge verurteilt, weil er Bemühungen entfaltet hatte, eine nicht geringe Menge von Kokain zu erwerben.
2. Die Angeklagten haben mit ihren Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Der Generalbundesanwalt hat im Fall I. 1. a) bb) (Auftrag, Telefonnummer eines Lieferanten herauszufinden) beantragt, das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen und in den übrigen oben genannten Fällen die Verurteilung wegen vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu bestätigen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Senat hält in diesen Fällen den Schuldspruch für rechtsfehlerhaft. Während im Fall I. 1. a) bb) die bloßen Vorsondierungen in Übereinstimmung mit bisherigen Rechtsprechungsansätzen dem Vorbereitungsstadium zugerechnet werden können (vgl. unten Abschnitt III. 3., 5.), steht in den übrigen Fällen der beabsichtigten Entscheidung die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, nach der für die Annahme vollendeten Handeltreibens bereits ernsthafte Verhandlungen über den Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln ausreichen, sofern nur das Stadium allgemeiner Anfragen verlassen ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anfragebeschluß des Senats vom 10. Juli 2003 Bezug genommen.
In diesem Beschluß hat der Senat Bedenken gegen die bisherige weite Auslegung des Begriffs des Handeltreibens in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geäußert und eine Einschränkung für erforderlich gehalten. Er hat dazu vorgeschlagen, diese weite Definition durch einen Katalog handelstypischer Tätigkeiten zu ersetzen, der an der gesetzlichen Definition des Waffenhandels in § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nF und an den Tätigkeitsbeschreibungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG orientiert ist.
In ihren Antworten haben die anderen Strafsenate eine solche Kataloglösung abgelehnt. Der 4. Senat hat statt dessen eine Definition vorgeschlagen, wonach mit Betäubungsmitteln Handel treibt, wer mit einem anderen Einigung über ihre Lieferung erzielt in der Absicht, aus ihrem Umsatz Gewinn zu erzielen. Der 1., 2. und 5. Senat haben erklärt, an der bisherigen Definition festhalten zu wollen.
In der Divergenzfrage hat der 4. Strafsenat der Anfrage zugestimmt. Dagegen haben der 1., 2. und 5. Strafsenat mitgeteilt, daß sie an ihrer bisherigen Rechtsprechung, wonach bereits ernsthafte, wenn auch erfolglose Ankaufsbemühungen für die Annahme vollendeten Handeltreibens ausreichen, festhalten wollen. Der 2. Strafsenat hat hinzugefügt, daß der Erfassung typischer Vorbereitungs- und Versuchshandlungen als vollendetes Handeltreiben durch eine restriktive Handhabung bei der Anwendung des Begriffs in Grenzfällen Rechnung getragen werden kann. Der 5. Strafsenat hat bemerkt, daß Teile des Senats eine Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit zu Lasten vollendeten Handeltreibens für vorzugswürdig hielten.
2. Der Senat hält an seiner Rechtsansicht fest, daß für die Annahme vollendeten Handeltreibens ernsthafte Verhandlungen über einen Ankauf dann nicht ausreichen, wenn keine Einigung über die Lieferung erzielt wird. Er legt diese Rechtsfrage dem Großen Senat vor. Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG sind gegeben, da die beabsichtigte Entscheidung von der Rechtsprechung des 1., 2. und 5.Strafsenates abwiche.
3. Entgegen seiner früheren, dem Anfragebeschluß zugrundeliegenden Auffassung sieht der Senat davon ab, dem Großen Senat die Frage einer umfassenden Neubestimmung des Begriffs des Handeltreibens zu unterbreiten. Zwar ist er nach wie vor der Auffassung, daß die bisherige Bestimmung des Begriffs des Handeltreibens zu weit gefaßt ist. Danach reicht jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit aus; dabei ist es rechtlich unerheblich, ob es zu eigenen Umsatzgeschäften oder auch nur zur Anbahnung bestimmter Geschäfte gekommen ist; auch der Besitz an dem zum Umsatz vorgesehenen Rauschgift ist nicht vorausgesetzt. Selbst eine einmalige, gelegentliche oder vermittelnde Tätigkeit genügt (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 239 f.; 30, 359, 361; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28, 29, 31, 41, 50; BGH NStZ 2000, 207 f.). Demgegenüber meint der Senat, daß eine konkrete Tätigkeiten umschreibende Definition des Begriffs des Handeltreibens nicht nur dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG besser entspräche, sondern es auch erlaubte, eine stimmige Abgrenzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung vorzunehmen, die mit den sonst zu den §§ 22, 23 StGB entwickelten allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung in Einklang stünde und zum anderen bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme vorteilhaft wäre. Doch hält er es – im Hinblick auf das Ergebnis des Anfrageverfahrens – für aussichtslos, eine Mehrheit für eine Neubestimmung des Begriffs zu gewinnen.
III.
1. Auch bei der grundsätzlichen Beibehaltung der bisherigen weiten Definition des Handeltreibens, wonach jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit ausreicht, muß eine Einschränkung dahin erfolgen, daß typische Vorbereitungs- und Versuchshandlungen nicht als vollendetes Handeltreiben erfaßt werden.
Für eine derart eingeschränkte Anwendung des Begriffs des Handeltreibens spricht zunächst, daß der Gesetzgeber in Absatz 2 des § 29 BtMG die Strafbarkeit des Versuchs nicht für alle, sondern nur für einen Teil der in Absatz 1 dieser Vorschrift genannten Tätigkeiten bestimmt hat. Dabei hat er die Tatbestandsvarianten des Absatzes 1 Nr. 1 sämtlich, somit auch das Handeltreiben, erfaßt. Damit ist für das Handeltreiben nicht nur vorgesehen, daß ein Versuch überhaupt bestraft werden kann, sondern wegen der Geltung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches auch im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts gleichzeitig die Möglichkeit einer Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB und einer Strafbefreiung wegen Rücktritts nach § 24 StGB eröffnet worden. Die fakultative Strafmilderung wegen Versuchs ermöglicht es, Handlungen im Vorfeld, die im Hinblick auf den mit dem Straftatbestand bezweckten Rechts-güterschutz eine geringere Gefährlichkeit aufweisen, unter eine dementsprechend niedrigere Strafdrohung zu stellen. Nach dem das Strafrecht wesentlich bestimmenden Schuldgrundsatz sind – gemessen an der Idee der Gerechtigkeit – Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abzustimmen (vgl. BVerfGE 50, 205, 214 f.). Diesem Grundsatz wird nur eine Auslegung gerecht, die es erlaubt, unterschiedlich gewichtige Verhaltensweisen nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB einer abgestuften Strafdrohung zu unterwerfen. Dies gilt in besonderem Maße für Fälle qualifizierten Handeltreibens nach §§ 29 a, 30, 30 a BtMG mit erhöhten Mindeststrafen. Für die Strafbefreiung wegen freiwilligen Rücktritts nach § 24 StGB gilt entsprechendes.
Die uneingeschränkte Anwendung der Definition des Handeltreibens hat jedoch dazu geführt, daß Aktivitäten, die an sich typische Versuchshandlungen darstellen, als vollendetes Handeltreiben bewertet und damit der vollen Strafdrohung der Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes für Handeltreiben unterworfen werden. Ebenso wird der Anreiz, durch einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch Strafbefreiung zu erlangen, vereitelt.
2. Die Rechtsprechung hat bereits bisher in einzelnen Entscheidungen die sehr weite Definition des Handeltreibens („jede Tätigkeit”) nur formal beibehalten, aber inhaltliche Einschränkungen vorgenommen:
Tätigkeiten, die einem späteren, aber noch nicht konkretisierten Rauschgiftgeschäft dienen sollten, wurden als Vorbereitungshandlungen qualifiziert; so die Darlehensgewährung für künftige Geschäfte (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 22), die Präparierung eines Fahrzeugs für Schmuggelfahrten (BGH NStZ 2001, 323) und der Transport von Streckmitteln (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 37, 43).
Aber auch Handlungen, die auf einen konkreten Rauschgiftumsatz gerichtet waren, wurden in einzelnen Fällen dem Vorbereitungsstadium zugeordnet. Dies wurde etwa bei Beteiligten angenommen, die sich lediglich bereit erklärt hatten, eine Kurierfahrt zu unternehmen, aber aus irgendwelchen Gründen die zu transportierenden Drogen letztlich nicht übernehmen konnten (BGH NJW 1987, 720 f. = BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1; BGH NStZ 1990, 545). Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Handlungen weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes nur als auf Drogenumsatz „im weitesten Sinne” gerichtet und damit als nicht tatbestandsmäßig bewertet werden können. Dabei liege je nach den Umständen des Einzelfalls Vorbereitung oder Versuch vor (BGH NJW 1987, 720 f.). Ebenso wurden allgemeine, unverbindliche Anfragen dem Vorbereitungsstadium zugeordnet (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 7; BGH NStZ-RR 1996, 48). Auch eine Einkaufsfahrt nach Holland, die vergeblich blieb, weil der vorgesehene Lieferant verhaftet, der Coffee-Shop geschlossen und eine andere Bezugsquelle nicht bekannt war, wurde als bloße Vorbereitung bewertet (BGH NStZ 1996, 507). Allerdings ist insoweit das Bild der Rechtsprechung nicht einheitlich (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19 zum Versuch der Kontaktaufnahme zu einem Abnehmer).
Diese Rechtsprechungsansätze zur Einschränkung der Anwendung des Begriffs des Handeltreibens können fortgeführt werden und ermöglichen es, im Vorfeld liegende Handlungen, die noch keine Nähe zum beabsichtigten Umsatzgeschäft aufweisen und bei wertender Betrachtung mit Blick auf das zu schützende Rechtsgut von noch geringem Gefährdungspotential sind, dem Vor-bereitungsstadium zuzuweisen. Hierzu könnten etwa Tätigkeiten wie Erkundigungen nach Lieferquellen und Preisen, unverbindliche Anfragen, Beschaffung von Hilfsmaterial wie Waagen, Mobiltelefonen, Verpackungsmaterial u. ä. gerechnet werden.
3. Um der Versuchsstrafbarkeit in Fällen des Handeltreibens bei grundsätzlicher Beibehaltung der bisherigen Definition dieses Begriffs einen angemessenen Anwendungsbereich zu eröffnen, ist es erforderlich, diese Definition einzuschränken: Vollendetes Handeltreiben ist beim Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln erst mit der Einigung zwischen Händler und Lieferanten gegeben. Von diesem Zeitpunkt an ist bis zur vollständigen Abwicklung des Umsatzgeschäftes – wie bisher – jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit als Handeltreiben anzusehen.
a) Ohne eine solche Einschränkung kann der Versuch bei diesem Delikt keine Bedeutung erlangen. Denn Versuch (unmittelbares Ansetzen) liegt nach den von der Rechtsprechung sonst zu Tätigkeitsdelikten entwickelten Grundsätzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (BGH NStZ 1989, 473). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los” überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr.; vgl. BGHSt 48, 34, 35 f. m. w. N.). Im Bereich des Handeltreibens kann sich eine Abschichtung von Versuchshandlungen nicht an dem Kriterium des Ansetzens zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung orientieren, da nach der von der Rechtsprechung entwickelten Definition „jede” Tätigkeit tatbestandsmäßig ist, die mit entsprechender Tendenz erfolgt. Diese Begriffsbestimmung verzichtet beim äußeren Sachverhalt auf weitere Begrenzungen und nimmt die erforderliche Konturierung ausschließlich im Subjektiven (durch die Merkmale „eigennützig” und „auf Umsatz gerichtet”) vor. So werden auch Handlungen erfaßt, die bei sonstigen Tatbeständen erst als ein Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung angesehen werden würden. Vielfach wird das Handeltreiben daher als sog. unechtes Unternehmensdelikt bezeichnet (vgl. dazu Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 11 Rdn. 52 ff.). Jedenfalls erklärt sich hieraus, warum die Versuchsstrafbarkeit beim Handeltreiben keine Bedeutung erlangt hat und auch nicht erlangen konnte.
In der Tat ist es der – insoweit uneinheitlichen – Rechtsprechung nicht gelungen, handhabbare Kriterien für die Bestimmung des Bereichs der Versuchsstrafbarkeit zu entwickeln. Es ist lediglich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs bekannt, in der der Versuch des Handeltreibens ernsthaft in Betracht gezogen worden ist: Die Versuche eines Kuriers, an den zu transportierenden, jedoch der Verfügungsmacht der Beteiligten entglittenen Drogenkoffer zu gelangen, sind als Ansetzen zur Inbesitznahme zum Zwecke des Weitertransportes und damit „allenfalls als Versuch” des Handeltreibens beurteilt worden (BGH NJW 1987, 720 f. = BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1). Auf der gleichen Linie liegen die oben im Abschnitt III. 2. zitierten Entscheidungen des 2. Strafsenats zu ähnlichen Sachverhalten, bei denen Kuriere versucht haben, an das zu transportierende, tatsächlich aber bereits sichergestellte Rauschgift zu gelangen, aber noch nicht „angesetzt” hatten. Diese sind als straflose Vorbereitungshandlungen gewertet worden (BGH NJW 1987, 720 f. = BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1; BGH NStZ 1990, 545). Diese Bewertung wird indes von Entscheidungen des 1. Strafsenats in Zweifel gezogen, weil der Sicherstellung der Drogen zu viel Gewicht beigemessen werde. In ihnen werden entsprechende Bemühungen als vollendetes Handeltreiben gewürdigt; allerdings liege keine Abweichung vor, da dort Kuriere, hier aber Händler betroffen seien (BGH NJW 1994, 2162; NJW 1992, 38).
b) Die danach gebotene Einschränkung macht es notwendig, daß eine Grenze festgelegt wird, von der an vollendetes Handeltreiben angenommen werden kann. Bei wertender Betrachtungsweise ergibt sich diese Grenze mit der Einigung zwischen dem Händler und seinem Lieferanten über den Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Drogen. Mit der Einigung wird im Hinblick auf den beabsichtigten Güterumsatz ein Gefährdungspotential erreicht, das es rechtfertigt, von vollendetem Handeltreiben auszugehen. Dies gilt jedenfalls für den Regelfall des Handeltreibens von Tätern, die sich zunächst Betäubungsmittel durch Ankauf beschaffen müssen, bevor sie Umsatzgeschäfte tätigen können. Diese Festlegung stimmt insoweit auch mit der Auffassung des 4. Strafsenats überein, der ebenfalls die Einigung über die Lieferung als das entscheidende Kriterium ansieht.
In anderen Fällen, in denen ein Täter des Handeltreibens die Betäubungsmittel nicht zuvor ankauft, werden sich entsprechende Grenzen festlegen lassen (etwa bei der Herstellung zum Zweck des gewinnbringenden Verkaufs, der Vermittlung eines Umsatzgeschäftes oder bei der Inbesitznahme der Betäu-bungsmittel durch den selbständig als Täter agierenden Kurier, vgl. BGH NJW 1987, 720 f.).
c) Mit der Festlegung eines konkreten Vollendungszeitpunktes ergibt sich die Möglichkeit, nach den oben genannten allgemeinen Grundsätzen den Versuchsbeginn zu bestimmen: Das Ansetzen zu Tätigkeiten, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dazu werden insbesondere die Verkaufsverhandlungen zählen, die auf eine Einigung abzielen, aber auch sonstige vorgelagerte Tätigkeiten, die damit in dem genannten engen Zusammenhang stehen.
4. Die Bedenken, die der 1. und 5. Strafsenat gegen eine Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit beim Handeltreiben vorgebracht haben, vermag der Senat nicht zu teilen. Beweisschwierigkeiten können grundsätzlich nicht als primäre Auslegungskriterien für die Definition eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals herangezogen werden. Im übrigen teilt der Senat die geäußerte Skepsis nicht. Die Erfahrung zeigt, daß die Tatgerichte auch sonst in der Lage sind, Beweisschwierigkeiten in BtM-Verfahren wie bei der Zuordnung aufgefundener Drogen, der Feststellung der Eigennützigkeit des Handeltreibens und des Wirkstoff-gehalts nicht sichergestellter Rauschmittel zu bewältigen. Jedenfalls können diese – nicht unüberwindlichen – praktischen Erwägungen es nicht rechtfertigen, einem Täter eine gegebenenfalls gebotene Strafmilderung wegen Versuchs oder die Strafbefreiung wegen Rücktritts zu versagen.
5. Für die Einzelfälle der Ausgangsverfahren bedeutet dies:
Im Fall I. 1. a) bb), in dem erst eine Telefonnummer zur Aufnahme von Verhandlungen herausgefunden werden sollte, liegt eine straflose Vorbereitungshandlung vor. Zwar hat der Generalbundesanwalt insoweit die Einstellung beantragt, doch hat der Senat vorrangig einen Freispruch zu prüfen.
In den Fällen I. 1. b) aa) und bb) wurden ernsthafte Gespräche über den Ankauf geführt, eine Einigung jedoch nicht erzielt und damit das Handeltreiben nur versucht. Der Fall I. 1. c) cc) liegt entsprechend, soweit sich die Verurteilung auf eine nicht geringe Menge an 70 g Kokain bezieht.
Im Fall I. 1. a) aa) (Auftrag, Ecstasy-Tabletten zu „besorgen”) reichen die Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung des Schuldspruchs nicht aus. Diese wird davon abhängen, ob sich der Freund selbst als Lieferant bindend zur Lieferung der Tabletten verpflichtete und der Angeklagte die Lieferung immerhin für möglich hielt (Einigung über Ankauf = vollendetes Handeltreiben).
Hatte der Angeklagte ihm jedoch lediglich den Auftrag erteilt, in seinem Namen und Auftrag die Tabletten bei dem Dritten im Sinne einer Geschäftsbesorgung zu beschaffen, ist die Sachlage der von erfolglosen Ankaufsbemühungen vergleichbar (versuchtes Handeltreiben).
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2556767 |
JR 2005, 258 |