Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 20.05.2020; Aktenzeichen 203 Js 485/15 190 KLs 3/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 20. Mai 2020
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im unter Gliederungspunkt II. B. der Urteilsgründe geschilderten Fall 7 verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
geändert im
aa) Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des Betruges in zehn Fällen schuldig ist,
bb) Ausspruch über die Einziehung dahin, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 393.634,71 EUR angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung getroffen. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 398.235,67 EUR angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens im unter Gliederungspunkt II. B. der Urteilsgründe geschilderten Fall 7. Dies bedingt die Änderung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Wertersatzeinziehung. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel erfolglos.
Rz. 2
1. Hinsichtlich der Tat II. B. 7 (H.) hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges keinen Bestand, weil das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) besteht. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
„a) Die Verjährungsfrist für Taten nach § 263 [Abs. 1] StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Beim Betrug beginnt die Verjährung mit der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils (vgl. Senat, Beschluss vom 28. November 2017 – 3 StR 266/17). Nach den Feststellungen hat die Geschädigte aufgrund eines am 22. März 2012 mit dem Angeklagten geschlossenen Vertrages am 27. März 2012 einen Betrag i.H.v. 2.000 EUR per Überweisung auf das Konto der P. eingezahlt und weitere 5.000 EUR am 11. April 2012 an einen Mitarbeiter der P. in bar übergeben (UA Bl. 25, II. B.). Mithin begann die Verjährungsfrist am 11. April 2012 zu laufen. Am 6. Juni 2016 hat die Geschädigte Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Kleve erstattet (Fallakte 7, Bl. 3). Das Verfahren wurde zunächst unter dem Az. 203 Js 330/16 geführt und mit Verfügung vom 4. April 2017 zu dem hier gegenständlichen Verfahren (Az. 203 Js 485/15) hinzuverbunden (Band II, Bl. 370). Verjährungsunterbrechende Handlungen nach § 78c Abs. 1 Satz 1 StGB sind bis dahin nicht erfolgt.
b) Auch die zuvor erfolgten Handlungen im Verfahren 203 Js 485/15 vermochten eine Unterbrechung nach § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB hinsichtlich der Tat II. B. 7 (H.) nicht herbeizuführen, weil diese Tat nicht Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens war.
aa. Zwar erstreckt sich, wenn in einem Verfahren wegen einer Vielzahl von Taten ermittelt wird, die Unterbrechungswirkung einer Untersuchungshandlung grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, es sei denn der Verfolgungswille der tätig werdenden Strafverfolgungsorgane ist auf eine oder mehrere Taten beschränkt. Dementsprechend genügt für die Darstellung der Verdachtslage, dass die Taten unter zusammenfassenden kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind, um sie von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen zu unterscheiden. Ergibt sich der Verfolgungswille nicht bereits aus dem Wortlaut der Untersuchungshandlung, ist auf den Sach- und Verfahrenszusammenhang abzustellen und in Zweifelsfällen der Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen (Senat, NStZ 2009, 05, Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 8. September 2020 – 4 StR 75/20).
bb. Hiervon ausgehend war die Tat II. B. 7 (H.) vor Verbindung der Verfahren von keiner der in Betracht kommenden Unterbrechungshandlungen im Verfahren 203 Js 485/15 (UA Bl. 34, II.) erfasst. Das gilt insbesondere auch für die Anordnung der Beschuldigtenvernehmung vom 31. August 2015 (Band I, Bl. 31 Rückseite; UA, Bl. 34, II.). Denn diesem Verfahren lag die Strafanzeige der W. vom 17. August 2015 (Band 1, Bl. 3 ff.) zugrunde, welche nur Fälle erfasst, die an eine W. gekoppelt waren (UA Bl. 33 f., III.). Das ist bei der Tat II. B. 7 (H.) nicht der Fall, obgleich der Vertrag als ‚Beitragsdepotvertrag’ bezeichnet wurde (UA Bl. 8 und 25, II. A. und B.; Fallakte 7). Die Tat wird dementsprechend weder in der Strafanzeige noch in den Anlagen hierzu erwähnt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft gleichwohl hierauf erstreckt haben könnte, liegen nicht vor. Vielmehr ist nach dem Akteninhalt davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft von der Tat II. B. 7 (H.) erstmals mit Erstattung der Strafanzeige durch die Geschädigte am 6. Juni 2016 (s.o.) Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 1 StR 489/18).
c) Die erste Handlung, die den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Tat II. B. 7 (H.) unterbrechen konnte (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), war demnach die dem Verteidiger nach Verbindung der Verfahren mit Verfügung vom 5. Mai 2017 gewährte Akteneinsicht (Band II, Bl. 381). Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten.”
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an.
Rz. 4
2. Der Schuldspruch ist aufgrund der Verfahrenseinstellung hinsichtlich der Tat II. B. 7 (H.) wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Der Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. In Anbetracht der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von dreimal einem Jahr und sechs Monaten, einmal einem Jahr und drei Monaten sowie sechsmal zehn Monaten ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Gesamtstrafe als zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 5
3. Gemäß der zutreffenden Berechnung des Generalbundesanwalts ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen auf einen Betrag von 393.634,71 EUR herabzusetzen, weil sie auf die nicht verjährten Taten zu beschränken ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 1 StR 489/18, juris Rn. 7).
Rz. 6
4. Im Übrigen hat die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Berg, Hoch, Anstötz
Fundstellen
Dokument-Index HI14362876 |