Normenkette
StPO § 354 Abs. 1, 1b S. 1, §§ 460, 462; StGB § 38 Abs. 2, § 40 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Coburg (Entscheidung vom 17.05.2021; Aktenzeichen 3 KLs 112 Js 3439/20) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 17. Mai 2021
a) im Strafausspruch dahin geändert, dass
aa) die Höhe des Tagessatzes in den Fällen B.I und B.IV der Urteilsgründe auf je einen Euro bestimmt
bb) sowie die Freiheitsstrafe im Fall B.II auf einen Monat herabgesetzt wird;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung, Nachstellung in Tateinheit mit Verleumdung und Sachbeschädigung sowie wegen Beleidigung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Strafkammer hat es in den Fällen B.I und B.IV der Urteilsgründe versäumt, die Tagessatzhöhe festzusetzen. Dieser Festsetzung bedarf es auch dann, wenn - wie hier - aus Geld- und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2021- 4 StR 504/20 mwN). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 3 StR 503/08) setzt der Senat die Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) fest.
Rz. 3
2. Das Landgericht hat im Fall B.II der Urteilsgründe nicht erkennbar bedacht, dass Anlass zur Prüfung bestand, ob die Milderung des Regelstrafrahmens (§ 224 Abs. 1 StGB) gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu einem für die Angeklagte günstigeren Ergebnis führen würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 1999 - 4 StR 686/98, NStZ-RR 2000, 43; vom 30. Juni 2021 - 6 StR 232/21). Zwar hat das Landgericht - im Ausgangspunkt zutreffend - zur Begründung des minder schweren Falls (§ 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB) neben den allgemeinen Milderungsgründen den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB herangezogen. Die Milderung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB eröffnet jedoch einen von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen, der mithin im Mindestmaß günstiger ist als der des minder schweren Falls nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB. Die Wahl dieses gemilderten Regelstrafrahmens hätte sich nicht ausschließbar auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt, weil das Landgericht die Freiheitsstrafe von sechs Monaten dem unteren Bereich des angewandten Strafrahmens entnommen hat.
Rz. 4
Um jegliche Benachteiligung der Angeklagten auszuschließen, erkennt der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf die Mindeststrafe von einem Monat Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB).
Rz. 5
3. Die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr hat keinen Bestand. Angesichts der verbleibenden Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie der Geldstrafen in Höhe von 60 und 45 Tagessätzen kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die Reduzierung der Freiheitsstrafe auf einen Monat im Fall B.II auf die Höhe der Gesamtstrafe ausgewirkt hätte.
Rz. 6
Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO zu entscheiden. Es ist anerkannt, dass dieser Weg auch dann beschritten werden kann, wenn über eine Gesamtstrafe nur deshalb neu zu befinden ist, weil im Revisionsverfahren eine oder mehrere Einzelstrafen durch Einstellung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. November 2004 - 4 StR 392/04; vom 15. Oktober 2013 - 1 StR 390/13) oder Freispruch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 1 StR 377/06) weggefallen sind (vgl. Sander, NStZ 2016, 656, 663). Nichts Anderes kann für den hier zu entscheidenden Fall gelten. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 2004 - 4 StR 426/04; vom 1. Dezember 2021 - 6 StR 409/21).
Sander |
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König |
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Feilcke |
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Tiemann |
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von Schmettau |
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Fundstellen
Haufe-Index 15139266 |
NStZ-RR 2022, 150 |