Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 09.03.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 9. März 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Zwar ist das Verfahren in einer der Justiz anzulastenden Weise verzögert worden. Entgegen der Ansicht der Revision rechtfertigt dies jedoch, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, nicht die Einstellung des Verfahrens aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2225, 2226 f.; 2897, 2899; BGH, NStZ-RR 2004, 230, 231 m.w.N.).
Die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene Kompensation der Verfahrensverzögerung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht weder, wie es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geboten gewesen wäre, das Ausmaß einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung ausdrücklich festgestellt, noch hat es das Maß der von ihm vorgenommenen Kompensation durch einen Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret bestimmt (vgl. BVerfG, NStZ 1997, 591; BGH, NJW 1999, 1198, 1199 = NStZ 1999, 181 f.; NStZ 2001, 52; Fischer StGB § 46 Rdn. 62 m.w.N.).
Eine Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat der Beschwerdeführer jedoch nicht ausdrücklich erhoben. Hierzu wäre die Erhebung einer Verfahrensrüge unter genauer Angabe des beanstandeten Verfahrensverstoßes erforderlich gewesen (Kuckein in KK, 5. Auflage, § 344 Rdn. 34 m.w.N.). Dass eine solche Rüge in dem Revisionsvorbringen enthalten ist, aufgrund einer der Justiz anzulastenden Verzögerung des Verfahrens sei ein Verfahrenshindernis wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben, ist jedenfalls zweifelhaft.
Im Übrigen fehlt es aber an einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll. Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens nicht so umfassend dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. So fehlen insbesondere Angaben zum Ermittlungsverfahren sowie zum gerichtlichen Verfahren bis zur ersten Revisionsentscheidung des Senats, so dass eine Gesamtbeurteilung einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung sowie die Bestimmung des Maßes einer hierfür gebotenen Kompensation nicht möglich ist.
Die Verfahrensrüge, ihre zulässige Erhebung unterstellt, wäre auch im Ergebnis nicht begründet. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beruhen eines Urteils auf dem Fehlen einer ausdrücklichen Quantifizierung der Kompensation nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGH StraFo 2007, 35; Fischer aaO § 46 Rdn. 62 a). Ein solcher Fall liegt hier aber vor. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die in der ersten Hauptverhandlung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten auf nunmehr ein Jahr und sechs Monate mit Strafaussetzung zur Bewährung reduziert und dies allein auf die Verzögerung des Verfahrens gestützt (vgl. UA S. 41). Der Senat kann sicher ausschließen, dass das Landgericht bei einer zutreffenden Darstellung der Kompensation zu einer noch niedrigeren Strafe gekommen wäre.
Dadurch, dass das Landgericht bei der Kompensation im Grundsatz der bis zur Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07 – anzuwendenden sogenannten Strafzumessungslösung gefolgt ist, ist der Angeklagte hier nicht beschwert.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Rothfuß, Fischer, Roggenbuck, Schmitt
Fundstellen
Haufe-Index 2564448 |
wistra 2008, 194 |
StV 2008, 345 |