Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 02.08.2017) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten A. und I. gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 2. August 2017 wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts bei beiden Angeklagten von der Einziehung der beschlagnahmten Mobiltelefone abgesehen.
2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorbezeichnete Urteil – soweit es ihn betrifft – im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten A., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
5. Der Angeklagte I. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von 30.000 Euro eingezogen. Den Angeklagten I. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt und die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 28.000 Euro angeordnet. Außerdem hat es „bei den Angeklagten beschlagnahmte Mobiltelefone” eingezogen. Die Revisionen haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts bei beiden Angeklagten nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von einer Einziehung der Mobiltelefone abgesehen, weil sie neben den (zu erwartenden) Strafen nicht ins Gewicht fällt.
Rz. 3
2. Bei dem Angeklagten A. war der Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, weil zu besorgen ist, dass sich die Strafkammer bei der Bestimmung der Gesamtstrafe an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat.
Rz. 4
a) Die Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen sind. Zu ihrer Begründung braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. In einfach gelagerten Fällen bedarf es dabei nur weniger Hinweise; eine Bezugnahme auf bei der Bildung der Einzelstrafen abgehandelte Gesichtspunkte ist grundsätzlich zulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 107; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55; BGHSt 8, 205, 210 f.). Da der Summe der Einzelstrafen bei der Bestimmung der Gesamtstrafe zumeist nur ein geringes Gewicht zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 StR 451/02, NStZ-RR 2003, 295 [Ls]; siehe auch BGH, Beschluss vom 8. April 2009 – 2 StR 64/09, NStZ-RR 2009, 200), ist eine nähere Begründung aber erforderlich, wenn sich die Gesamtstrafe der durch § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmten Obergrenze des Strafrahmens annähert und sich die Gründe hierfür nicht von selbst aus den Feststellungen ergeben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, aaO, 107; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, aaO, 271; Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, aaO, 210 f.; siehe dazu auch BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32 [zur starken Erhöhung der Einsatzstrafe]). Fehlt es in einem solchen Fall an einer näheren Begründung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der Tatrichter bei der Bemessung der Gesamtstrafe nicht an den hierfür maßgeblichen Kriterien, sondern – rechtsfehlerhaft – an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, aaO, mwN). Dies führt auch mit Rücksicht auf den nur eingeschränkten Prüfungsumfang zu einem Eingreifen des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16 mwN).
Rz. 5
b) Daran gemessen erweist sich die Begründung des Gesamtstrafenausspruchs als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat aus zwei Einzelstrafen in Höhe von jeweils zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gebildet und damit den sich aus § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB ergebenden Strafrahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft. Dabei hat es zugunsten des Angeklagten gewertet, dass es sich um Taten mit demselben Handlungsmuster und derselben Motivation handelte (zwei Ankäufe von jeweils 300 Gramm Kokain bei demselben Lieferanten in Amsterdam mit anschließender Auslieferung durch denselben Kurier). Zu seinem Nachteil hat es lediglich den Zeitabstand zwischen den beiden Taten (ca. vier Monate), die kriminelle Energie und das professionelle Vorgehen herangezogen. Diese Erwägungen reichen zur Begründung der die Summe der Einzelstrafen nahezu erreichenden Gesamtstrafe nicht aus. Dem von der Strafkammer ins Feld geführten zeitlichen Abstand zwischen den Taten kommt mit Rücksicht auf die für einen straffen Zusammenzug sprechenden nahezu gleichen Tatumstände nur ein geringes Gewicht zu. Auch der formelhafte Verweis auf die „kriminelle Energie” des Angeklagten und sein professionelles Vorgehen zeigt keine Gesichtspunkte auf, die für ein Ausschöpfen des Strafrahmens sprechen könnten. Umstände, die die Verhängung einer Gesamtstrafe an der Grenze der Summe der Einzelstrafen rechtfertigen könnten, sind auch den übrigen Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Rz. 6
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben.
Rz. 7
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Der geringe Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten I. lässt es nicht unbillig erscheinen, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 11571794 |
NStZ-RR 2018, 171 |