Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 05.10.2012) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 5. Oktober 2012 wird
- der Vorwurf der Bedrohung nach § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen;
- das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und das bei der Tat verwendete Messer eingezogen. Mit seiner nicht weiter ausgeführten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des formellen und des materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf der Bedrohung nach § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen, weil er neben der begangenen gefährlichen Körperverletzung nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Da die tateinheitlich begangene Bedrohung vom Landgericht bei der Strafbemessung nicht zum Nachteil des Angeklagten herangezogen worden ist, kann der Senat ausschließen, dass eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt worden wäre.
Rz. 3
2. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die Feststellungen zum Alkoholkonsum des Angeklagten drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB gegeben sind.
Rz. 4
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 52 Jahre alte Angeklagte trinkt hauptsächlich am Wochenende Bier und Wodka. Seit acht Jahren ist er überwiegend arbeitslos und lebt von öffentlicher Unterstützung. Er hat bereits mehrfach in alkoholisiertem Zustand die Kontrolle über sich verloren und ist aggressiv geworden. Dabei geriet er sowohl mit seiner Lebensgefährtin, als auch mit Dritten aneinander (UA 3). Seiner Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Jahr 2005 lag ein in alkoholisiertem Zustand begangener Übergriff zugrunde. Bei der abgeurteilten Tat, einer Körperverletzung unter Verwendung eines Messers, war der Angeklagte erheblich alkoholisiert (Tatzeit-BAK: 2,48 Promille). Das Landgericht hat deshalb die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ausschließbar für gegeben erachtet (UA 9). Vor der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte für eine Alkoholtherapie in eine Tagesklinik begeben (UA 4).
Rz. 5
Diese Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2012 – 4 StR 253/12, Rn. 2; Beschluss vom 6. November 2003 – 1 StR 406/03, NStZ-RR 2004, 39, 40) und die abgeurteilte Tat hierauf zurückgeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NJW 1990, 3282, 3283). Die mitgeteilte Vorstrafe und das in der Vergangenheit zu beobachtende aggressive Verhalten nach dem Konsum von Alkohol deuten darauf hin, dass ihm auch die für eine Maßnahme nach § 64 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose zu stellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1993 – 1 StR 572/93, NStZ 1994, 280). Die freiwillige Aufnahme einer Alkoholtherapie kann Ausdruck eines gefestigten Therapiewillens sein und für die Annahme einer positiven Behandlungsprognose im Sinne des § 64 Satz 2 StGB sprechen.
Rz. 6
Eine Erörterung des § 64 StGB ist hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ein begrenztes Ermessen („soll”) eingeräumt ist. Will der Tatrichter von einer Maßregel nach § 64 StGB in Ausübung seines Ermessens absehen, muss er die dafür maßgeblichen Gründe mitteilen und seine Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 4 StR 99/11).
Rz. 7
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Rz. 8
Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte. Die Sache wird an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen, weil der die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründende Tatvorwurf weggefallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11, Rn. 9).
Rz. 9
Der Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 5. März 2013 hat vorgelegen.
Unterschriften
Mutzbauer, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen