Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 19.11.2002) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 19. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten und die Mitangeklagten Y., T. und B. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 Abs. 1 und 3, § 267 Abs. 4 StGB) in 5.960 Fällen (Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr; Summe der Einzelstrafen somit 5.960 Jahre !) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Jedoch hat die Sachrüge Erfolg und führt gemäß § 357 StPO auch zur Aufhebung der Verurteilungen der nichtrevidierenden Mitangeklagten Y., T. und B., die ebenfalls wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung beweiserheblicher Daten in 5.962 (Y. und T.) bzw. 3.099 Fällen (B.) zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt wurden.
1. Das Landgericht hat festgestellt: Im Februar 2001 erwarb der Mitangeklagte A. für 15.000 DM ein „Telefonkartenaufladegerät”, mit dem es möglich war, den Speicherchip abtelefonierter Telefonkarten der D. GmbH, eines Tochterunternehmens der Deutschen Telekom AG, nahezu bis zum vollen Nennwert „wiederaufzuladen”, ohne daß dies bei späterer Verwendung an öffentlichen Kartentelefonen der D. GmbH durch das Betriebssystem der Telefone erkannt wurde. A. sowie die weiteren Mitangeklagten T. und B. kamen in der Folge überein, sich durch Einsatz derart wiederaufgeladener Telefonkarten für Anrufe bei von ihnen selbst betriebenen „0190-Servicetelefonnummern” eine regelmäßige Einnahmequelle zu verschaffen. Absprachegemäß wandte sich B. an den Angeklagten G., um von dessen Firma M. zwei derartige 0190-Rufnummern für die von ihm ebenfalls in Absprache mit A. und T. gegründete Firma „Ba.” anzumieten. Daraufhin wandte sich der zu diesem Zeitpunkt in das Vorhaben noch nicht eingeweihte Angeklagte G. an die Firma I. GmbH, an die als sogenannte Zuteilungsnehmerin von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 0190-Rufnummern vergeben worden waren, und mietete von dieser unter seiner Firma zwei solche Nummern an. Über deren Weitervermietung an die Firma „Ba.” schloß er kurze Zeit später mit B. einen weiteren Vertrag. Zusammen mit B. erstellte er außerdem eine Audiodatei, auf der eine Frauenstimme einen Text sexuellen Inhalts sprach. Nach Freischaltung der beiden Rufnummern wurde dieser Text abgespielt, sobald ein Anruf einging.
Der Mitangeklagte A. weihte den Mitangeklagten Y. in den Tatplan ein und übertrug ihm gegen Zusage einer Beteiligung am Erlös die Aufgabe, mit den wiederaufgeladenen Telefonkarten von öffentlichen Kartentelefonen der D. GmbH die beiden 0190-Rufnummern anzutelefonieren. In der Folgezeit übergab A. in der von ihm betriebenen Gaststätte, in der er das Telefonkartenladegerät aufgestellt hatte, dem Y. Pakete mit wiederaufgeladenen Telefonkarten der D. GmbH im Nennwert von 50 DM, deren Speicherchip mittels des Ladegerätes jeweils auf einen Betrag von 46,80 DM wiederaufgeladen worden war, wobei ungeklärt ist, ob A. das Aufladen der Karten selbst vornahm oder dies ebenfalls Aufgabe des Y. war. Y. rief unter Verwendung der Telefonkarten die beiden 0190-Rufnummern an und verbrachte hierzu teilweise mehrere Stunden täglich in öffentlichen Telefonzellen. Wegen der für die Rufnummern anfallenden hohen „Gebühren” mußte er alle 495 Sekunden eine neue Telefonkarte einsetzen. Zur Steigerung der Verbindungsminuten warb er nach wenigen Tagen seinen Bruder Selami Y. und dessen Bekannten Ta. als weitere „Telefonierer” an.
Durch jedes Telefonat wurde folgender Zahlungsmechanismus in Gang gesetzt: Für jede Verbindungsminute wurde von dem auf der manipulierten Telefonkarte gespeicherten, tatsächlich aber nicht bestehenden Guthaben ein Betrag von 5,70 DM abgezogen. Von dieser Summe, die die D. GmbH durch den Verkauf der Karte vermeintlich schon eingenommen hatte, überwies sie 3,63 DM an die Deutsche Telekom AG. Dieser Betrag entspricht dem Tarif, der bei einem Anruf bei den 0190-Rufnummern über einen Privat-Festnetzanschluß der Deutschen Telekom AG angefallen wäre. Diese leitete hiervon 3,12 DM an die I. GmbH weiter. Entsprechend den mit der Firma M. des Angeklagten G. getroffenen vertraglichen Abreden überwies die I. GmbH 2,58 DM pro Minute abzüglich eines „Disagios” von 2 % und zuzüglich der Umsatzsteuer an diese Firma weiter. Nach dem mit B. geschlossenen Vertrag hatte der Angeklagte G. wiederum 2,4419 DM pro Minute abzüglich eines „Disagios” von 2,5 % und zuzüglich der Umsatzsteuer an die Firma „Ba.” abzuführen. Die „Disagios” beruhten darauf, daß in den beiden von dem Angeklagten G. geschlossenen Verträgen jeweils entgegen der Branchenübung eine vorzeitige Auszahlung der Beträge schon zwei Wochen nach Ende des Abrechnungsmonats vereinbart worden war.
Ende März 2001 wurden T. und B. von A. und Y. zu einer ersten Geldauszahlung gedrängt und mit der Ankündigung unter Druck gesetzt, ansonsten werde die Anzahl der Anrufe verringert. B. setzte sich daraufhin mit dem Angeklagten G. telefonisch in Verbindung, klärte ihn spätestens jetzt über die Hintergründe des Unternehmens auf und forderte eine erste Auszahlung. Der Angeklagte G. zeigte sich sofort bereit, mit den anderen Beteiligten zusammenzuarbeiten, weil auch er sich hierdurch die Erschließung einer stetigen Einnahmequelle versprach. Er gab B. aufgrund seines Fachwissens sofort Hinweise, wie die „Telefonierer” ihre Anrufe auf verschiedene öffentliche Kartentelefone verteilen müßten, um dem Entdeckungsrisiko vorzubeugen. Außerdem klärte er B. darüber auf, daß die 0190-Rufnummern so geschaltet seien, daß sie von mehreren „Telefonierern” gleichzeitig angerufen werden könnten. Am 29. März 2001 übergab er B. … eine erste Anzahlung von 2.000 DM in bar. Hierauf steigerten die „Telefonierer” die Zahl der Anrufe wieder. In der Zeit vom 12. April bis 6. Juni 2001 wurden mit den beiden 0190-Rufnummern 1.559 Wählverbindungen hergestellt. Für die entsprechenden Telefonate war der Einsatz von 3.099 wiederaufgeladenen Telefonkarten erforderlich. Mitte Mai 2001 zahlte der Angeklagte G. für den Abrechnungszeitraum 12. bis 30. April 2001 an B. 12.891,67 DM in bar aus. Der Verbleib, insbesondere die weitere Verteilung des Geldes, ist ungeklärt.
Im Mai 2001 wurde das Firmenkonto der M. vom Finanzamt wegen Steuerschulden gepfändet. Der Angeklagte G. hatte daher keinen Zugriff mehr auf die von der I. GmbH geleisteten Zahlungen und konnte dementsprechend auch keine Gelder an die Mitangeklagten weiterleiten. Er informierte B., der wiederum die anderen Tatbeteiligten in Kenntnis setzte. A. und Y. übten daraufhin erneut – teilweise unter Gewaltandrohung – erheblichen Druck auf T. und B. aus, den weiteren Geldfluß sicherzustellen. B. stieg daraufhin aus dem Unternehmen aus. Die anderen Mitangeklagten setzten sich deswegen erstmals persönlich mit dem Angeklagten G. … in Verbindung und vereinbarten mit diesem eine weitere Zusammenarbeit. Der Angeklagte G. erklärte, daß wegen der Kontenpfändung neue 0190-Rufnummern freigeschaltet werden müßten. Die verbliebenen Tatbeteiligten kamen überein, daß statt der Firma „Ba. …” des B. nunmehr pro forma die Firma H. Idee als Diensteanbieter auftreten solle, bei der T. zwischenzeitlich beschäftigt war. Der Angeklagte G. schloß sodann mit der I. GmbH einen neuen Vertrag über die Anmietung von vier 0190-Rufnummern und mit der H. – diese vertreten durch T. – einen Vertrag über die Weitervermietung dieser Telefonnummern. Diese Verträge entsprachen inhaltlich den Vereinbarungen, die für die 0190-Rufnummern der „Ba.” geschlossen worden waren. T. nahm in der Buchhaltung der Firma H. die notwendigen Manipulationen vor, damit vom Angeklagten G. eingehenden Zahlungen dort unbemerkt durch die Bücher hätten laufen können.
Nach Freischaltung der neuen 0190-Rufnummern stellten die „Telefonierer” mit diesen im Zeitraum vom 1. Juni bis 25. August 2001 1.953 Wählverbindungen her. Hierfür war bis einschließlich 7. August 2001 der Einsatz von 2.861 wiederaufgeladenen Telefonkarten erforderlich. Am 8. August 2001 wurden Selami Y. und dessen Bekannter Ta. beim Telefonieren festgenommen. Für die Zeit vom 12. April bis 25. August 2001 überwies die I. GmbH der Firma M. des Angeklagten G. insgesamt einen Betrag von 138.826,72 DM. Hiervon zahlte dieser 61.952,56 DM an das Finanzamt, worauf die Kontenpfändung aufgehoben wurde. Außer den bereits genannten Zahlungen übergab der Angeklagte G. jeweils in bar im Juni 2001 3.000 DM an Y. und im Juli und August 2001 24.473 DM bzw. 19.218 DM an T.. Der weitere Verbleib bzw. die weitere Verteilung dieser Gelder ist ungeklärt.
2. Das Landgericht hat jeden einzelnen Wiederaufladevorgang, der für die zwischen dem 12. April und dem 7. August 2001 eingesetzten Telefonkarten notwendig war, dem Angeklagten G. als tatmehrheitlich und in Mittäterschaft begangene gewerbs- und bandenmäßige Fälschung beweiserheblicher Daten zugerechnet. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts. Wer eine abtelefonierte Telefonkarte unberechtigt wieder auflädt, macht sich gemäß § 269 Abs. 1 StGB strafbar (vgl. LG Würzburg NStZ 2000, 374 für den Gebrauch wiederaufgeladener Telefonkarten).
Der Gesetzgeber hat § 269 Abs. 1 StGB den Tatbestandsvarianten der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) so weit nachgebildet, wie es ihm unter Beachtung der Besonderheiten der elektronischen Datenverarbeitung möglich erschien (vgl. kritisch – jew. m. w. N. – Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 269 Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 269 Rdn. 1). Die Speicherung oder Veränderung beweiserheblicher Daten zur Täuschung im Rechtsverkehr ist danach nur strafbar, wenn bei Wahrnehmung der manipulierten Daten eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Gleiches gilt für den täuschenden Gebrauch derartiger Daten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Speicherchip einer Telefonkarte enthält beweiserhebliche Daten im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB und nicht lediglich ein Datenverarbeitungsprogramm (vgl. dazu Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 269 Rdn. 8). Ist die Karte unbenutzt, beinhalten die gespeicherten Daten die konkludente Erklärung des ausgebenden Telekommunikationsunternehmens, daß der Inhaber der Karte berechtigt ist, Kartentelefone des Unternehmens bis zu einem Gebührenbetrag zu nutzen, der dem Nennwert der Karte entspricht. Mit jedem Telefonat wird diese Erklärung durch das Betriebsprogramm des Kartentelefons – und damit mittelbar durch das die Karte ausgebende Unternehmen – dahin geändert, daß die Berechtigung nur noch in Höhe des noch nicht verbrauchten Guthabens besteht. Ist das gesamte Guthaben abtelefoniert, beinhaltet die Karte demgemäß die Aussage, daß sie dem Karteninhaber keine Berechtigung zum Telefonieren mehr verleiht. Die entsprechenden, auf dem Chip der Karte gespeicherten Daten werden verändert, wenn die Karte manipulatorisch wieder aufgeladen wird. Denn hierdurch wird der Karte wieder die konkludente Aussage verliehen, daß ihr Inhaber die Telefone des ausgebenden Unternehmens bis zu einem Gebührenbetrag benutzen darf, der der wiederaufgeladenen Summe entspricht. Damit wird die Beweisrichtung der gespeicherten Erklärung geändert.
Würde diese Aussage als verkörperte Gedankenerklärung der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht, läge eine verfälschte Urkunde vor, denn es würde der Anschein erweckt, der Aussteller der Urkunde – das kartenausgebende Unternehmen – habe die Erklärung so abgegeben, wie sie nunmehr nach dem manipulatorischen Eingriff vorliegt. Dem steht nicht entgegen, daß die auf dem Kartenchip gespeicherten Daten in der Regel nicht dafür bestimmt sind, in einer verkörperten Gedankenerklärung der menschlichen Wahrnehmung eines Dritten zugänglich gemacht zu werden. Denn da gemäß § 270 StGB der Täuschung im Rechtsverkehr die fälschliche Beeinflussung einer Datenverarbeitung im Rechtsverkehr gleichsteht, werden von § 269 Abs. 1 StGB auch solche elektronisch gespeicherten Daten erfaßt, die allein dazu vorgesehen sind, einen rechtlich erheblichen Datenverarbeitungsvorgang zu beeinflussen. Im Hinblick darauf erscheint es auch zweifelhaft, ob überhaupt die Möglichkeit bestehen muß, daß die gespeicherten Daten der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht werden können (so aber Cramer aaO). Dies bedarf hier aber keiner Entscheidung. Denn das auf dem Kartenchip gespeicherte (Rest-)Guthaben und damit die konkludente Erklärung des kartenausgebenden Unternehmens lassen sich über ein Kartenlesegerät sichtbar machen; entsprechend wird beim Einsatz einer Telefonkarte das Restguthaben auf dem Display des Kartentelefons angezeigt.
b) Die Verurteilung des Angeklagten G. kann jedoch deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht dessen Handlungen als mittäterschaftliche Tatbeiträge zu den Datenfälschungen eingestuft hat (§ 25 Abs. 2 StGB), ohne sich mit der Frage zu befassen, ob sie nicht nur Beihilfehandlungen (§ 27 Abs. 1 StGB) darstellen. Darüber hinaus hat das Landgericht zu viele tatmehrheitlich zusammentreffende Einzeltaten angenommen.
aa) Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB zu begehen (vgl. § 267 Abs. 4 StGB), hat dies nicht zur Folge, daß jedes von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Betrugs- oder Urkundenfälschungsdelikt den anderen Bandenmitgliedern ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dessen Tatbeiträge sich nach der Bandenabrede auf Beihilfehandlungen beschränken (BGH NStZ 2000, 318 zum Abdruck in BGHSt 47, 214 bestimmt). Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfaßt sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille Tatherrschaft auszuüben, d. h. ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (st. Rspr.; s. die Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 25 Rdn. 6).
Eine Abgrenzung zwischen Mittäterschaft bei oder Beihilfe zu den Datenfälschungen war auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu den Tatbeiträgen des Angeklagten G. unerläßlich. Dieser trat in die Bande erst ein, als die Voraussetzungen für die Manipulation der Telefonkarten schon geschaffen waren und die Tatserie bereits lief. Auch danach hatte er mit dem Wiederaufladen der Telefonkarten unmittelbar nichts zu tun. Dies war Sache des Mitangeklagten A. bzw. des Mitangeklagten Y.. Tatherrschaft des Angeklagten ist ebensowenig erkennbar wie sein Wille hierzu. Seine vorsätzlichen Beiträge zu den Datenfälschungen können allein darin gesehen werden, daß er durch die Hinweise für die „Telefonierer”, die Auszahlung von Teilen der Erlöse und den Abschluß der erforderlichen Verträge zur Freischaltung der vier 0190-Rufnummern für die Firma H. andere Bandenmitglieder bzw. Tatbeteiligte psychisch darin bestärkte, mit ihrem Tun fortzufahren, nämlich weiterhin Telefonkarten aufzuladen (A. bzw. Y.) und die Karten für Anrufe bei den 0190-Rufnummern einzusetzen (die „Telefonierer”). Zwar hatte der Angeklagte G. ein Interesse daran, daß die Telefonkarten weiterhin aufgeladen und abtelefoniert wurden. Dies war jedoch nicht das eigentliche Ziel seiner Mitwirkung. Ihm kam es vielmehr wesentlich darauf an, daß durch den Einsatz der Karten die Zahlungsautomatik ausgelöst wurde, die ihm unberechtigte Einnahmen verschaffte. Sein Interesse war daher maßgeblich auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils gerichtet (vgl. § 263 a StGB), nicht auf die von anderen Bandenmitgliedern geleisteten – schon für sich strafbaren – Vorbereitungshandlungen in Form der Wiederaufladung der Telefonkarten. Auch wenn rein psychische Unterstützungshandlungen im Einzelfall einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag begründen können, lag daher nach den getroffenen Feststellungen eine derartige Bewertung eher fern. Sie durfte vom Landgericht jedenfalls nicht ohne nähere Begründung vorgenommen werden.
bb) Unabhängig davon, ob sich der Angeklagte G. durch seine Tatbeiträge als Mittäter oder lediglich als Gehilfe an der Fälschung beweiserheblicher Daten beteiligt hat, kann ihm nicht jedes einzelne Wiederaufladen einer Telefonkarte als rechtlich selbständige Tat im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB zugerechnet werden.
Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags oder der Tatbeiträge jedes Beteiligten. Hat daher ein Mittäter, mittelbarer Täter oder Gehilfe, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, einen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die jeweiligen Taten der Mittäter, Tatmittler oder Haupttäter als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Mittäter, Tatmittler oder Haupttäter die ihnen zurechenbaren Taten gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Belang (vgl. nur BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; aA. für Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft bei bösgläubigem Tatmittler: Stree in Schönke/Schröder aaO § 52 Rdn. 21).
Da der Angeklagte G. an dem Wiederaufladen der Telefonkarten nicht unmittelbar beteiligt war, hätte das Landgericht daher prüfen müssen, welche seiner Handlungen als Tatbeiträge hierzu in Betracht kommen und für welche nachfolgenden Wiederaufladevorgänge sie sich fördernd auswirkten, so daß sie diese in seiner Person zur Tateinheit zusammenfaßten. Dabei wäre zusätzlich zu beachten gewesen, daß mehrere Beiträge zu derselben Tat der Mit- oder Haupttäter nur eine mittäterschaftlich oder als Gehilfe begangene Straftat darstellen (vgl. für die Beihilfe BGH NStZ 1999, 513, 514; Tröndle/Fischer aaO § 27 Rdn. 13 m. w. N. aus dem Schrifttum). Auch dies hat das Landgericht versäumt.
3. Die dargestellten Rechtsfehler liegen auch den Verurteilungen der Mitangeklagten T., B. und Y. zugrunde. Gemäß § 357 StPO ist die Urteilsaufhebung daher auf sie zu erstrecken.
a) Der Angeklagte T. war nach den Feststellungen mit dem Wiederaufladen der Telefonkarten ebenfalls nicht unmittelbar befaßt. Seine Aktivitäten beschränkten sich nach den Urteilsgründen im ersten Tatabschnitt auf die Teilnahme an der Tatplanung und Bandenabrede. Im zweiten Tatabschnitt vereinbarte er mit A., Y. und G. die Fortführung des Tatplans durch Anmietung von vier neuen 0190-Rufnummern über die Firma H., nahm die notwendigen buchhalterischen Manipulationen bei dieser Firma zur Durchschleusung der erwarteten Zahlungen vor, schloß den Vertrag mit dem Angeklagten G. ab und ließ sich von diesem zweimal Bargeldbeträge aus den eingegangenen Erlösen aushändigen. Auch bei ihm war daher eine Erörterung der Frage notwendig, ob diese Tatbeiträge nicht lediglich als Beihilfehandlungen zur Veränderung der beweiserheblichen Daten auf den Telefonkarten bewertet werden können. Außerdem kam aus den oben dargelegten Gründen eine Verurteilung wegen 5.962 tatmehrheitlich zusammentreffender Einzeltaten nicht in Betracht.
b) Gleiches gilt hinsichtlich des Mitangeklagten B.. Seine Tatbeiträge waren auf den ersten Tatabschnitt beschränkt und erschöpften sich an der Teilnahme an Tatplanung und Bandenabrede, der Gründung der Firma „Ba.”, der Anmietung der beiden 0190-Rufnummern vom Angeklagten G., der Erstellung der Audiodatei mit diesem Angeklagten, der Weitergabe der von G. erhaltenen Tips für die „Telefonierer” und der Entgegennahme und Weiterleitung von Bargeld aus den bei G. eingegangenen Erlösen.
c) Bezüglich des Mitangeklagten Y. ist nicht geklärt, ob er selbst Telefonkarten wiederaufgeladen hat. Festgestellt ist allein, daß er derartige Karten abtelefoniert hat. Auch hierin liegt nicht ohne weiteres ein mittäterschaftlicher Beitrag zum Aufladen der Karten. Seine Verurteilung kann auch nicht deswegen bestehen bleiben, weil er durch das Abtelefonieren der Karten die veränderten Daten zur Täuschung im Rechtsverkehr gebrauchte und damit die dritte Tatbestandsalternative des § 269 Abs. 1 StGB verwirklichte. Denn er hat nicht alle Karten selbst abtelefoniert. Vielmehr waren auch sein Bruder und dessen Bekannter Ta. als „Telefonierer” aktiv, so daß die Zahl der ihm anzulastenden Einzeltaten nach den bisherigen Feststellungen offen ist.
4. Dagegen kann die Verurteilung des Mitangeklagten A. bestehen bleiben. Sie wird von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt. Dabei ist ohne Belang, daß nach den Feststellungen offen bleibt, ob das Wiederaufladen der Karten von ihm oder dem Mitangeklagten Y. vorgenommen wurde. Denn aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe folgt, daß der Angeklagte A. auch im Falle des Tätigwerdens des Mitangeklagten Y. Tatherrschaft über jeden einzelnen Aufladevorgang ausübte, da das Aufladen in seiner Gaststätte mit dem von ihm zur Verfügung gestellten Aufladegerät vorgenommen wurde.
5. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlaß zu folgendem Hinweis:
Das maßgebliche Interesse der Angeklagten und das Hauptgewicht ihrer Taten lag nicht in der Datenfälschung, sondern im Einsatz der manipulierten Telefonkarten, um über die geschilderte Zahlungsautomatik unberechtigte Erlöse aus den betriebenen 0190-Rufnummern zu erlangen. Dies erfüllt den Tatbestand des Computerbetruges (§ 263 a StGB) unabhängig davon, ob bei einem Gebrauch der manipulierten Telefonkarten allein zum kostenfreien Telefonieren nur eine Leistungserschleichung (§ 265 a StGB) vorgelegen hätte (vgl. hierzu Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 a Rdn. 59 und § 265 a Rdn. 42; Hefendehl NStZ 2000, 348, 349). Das strafrechtliche Gewicht der Taten wird daher nur unzureichend erfaßt, wenn sich die Verurteilung auf die Fälschung beweiserheblicher Daten und damit auf die Ahndung von Handlungen beschränkt, die für das Gesamtvorhaben der Angeklagten nur vorbereitenden Charakter hatten. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird daher zu prüfen haben, ob es nicht angemessen erscheint, den gemäß § 154 a StPO aus dem Verfahren ausgeschiedenen Tatvorwurf des Computerbetruges nach § 154 a Abs. 3 Satz 1 StPO wieder in das Verfahren einzubeziehen. Auch in diesem Falle wird § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten sein.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, von Lienen, Becker, Richter am Bundesgerichtshof Hubert ist urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Tolksdorf
Fundstellen
Haufe-Index 2558852 |
ZAP 2003, 913 |
wistra 2003, 426 |
NStZ-RR 2003, 265 |
StV 2004, 21 |
LL 2004, 180 |