Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 19.05.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Mai 2011
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge, mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
- im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, mit versuchtem besonders schwerem Raub mit Todesfolge und mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Rz. 2
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere erweist sich die tateinheitliche Verurteilung auch wegen besonders schweren Raubes als rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2001 – 3 StR 46/01, NJW 2001, 2187 ohne weitere Begründung; BGH, Beschluss vom 31. August 2004 – 1 StR 347/04, StV 2005, 88 zur Tateinheit bei schwerer Brandstiftung und versuchter Brandstiftung mit Todesfolge; vgl. auch LK/Rissing-van Saan, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 113), weil bei der Annahme von Gesetzeskonkurrenz zwischen versuchtem Raub mit Todesfolge (§§ 251, 22, 23 Abs. 1 StGB) und besonders schwerem Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB) nicht zum Ausdruck käme, dass der besonders schwere Raub vollendet war. Die Urteilsformel war jedoch dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte anstatt des „versuchten besonders schweren Raubes mit Todesfolge” entsprechend der gesetzlichen Überschrift des § 251 StGB des „versuchten Raubes mit Todesfolge” schuldig ist. Einer weiteren Kennzeichnung der Verwirklichung der Qualifikation des § 250 Abs. 2 StGB im Schuldspruch bedarf es aufgrund der tateinheitlichen Verurteilung wegen besonders schweren Raubes nicht.
Rz. 3
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Der Strafausspruch kann deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht von der Prüfung der Einbeziehung einer Vorverurteilung des Angeklagten abgesehen hat. Nach den Feststellungen hat das Amtsgericht – Jugendrichter – in Nienburg den Angeklagten am 22. Oktober 2010 (gemeint ist: 22. Februar 2010, siehe Bl. 195 ff. III d.A.) wegen ‚Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Verstoß gegen das Waffengesetz’ verwarnt, ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen auferlegt sowie ‚eine weitere richterliche Weisung erteilt’ (UA S. 4). Wegen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen wurde gegen den Angeklagten – so die Jugendkammer (UA aaO) – eine Woche ‚Beugearrest’ verhängt, welcher erledigt sei. Weitere Einzelheiten zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, den dortigen Strafzumessungserwägungen sowie zum Vollstreckungsstand der – nicht näher konkretisierten – jugendrechtlichen Sanktionen teilt das Landgericht hingegen nicht mit, weshalb das Revisionsgericht nicht in der Lage sein wird zu prüfen, ob die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nach §§ 105 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 2 Satz 1 JGG einzubeziehen gewesen wäre. Auch ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen, ob sich das Gericht der Möglichkeit einer einheitlichen Rechtsfolgenverhängung oder des Absehens von einer Einbeziehung der Entscheidung gemäß §§ 105 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 3 Satz 1 JGG überhaupt bewusst gewesen ist (dazu BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 3 StR 177/09, Rdnr. 2 und Eisenberg JGG 14. Aufl. § 31 Rdnr. 66 mwN). Die Vollstreckung des ‚Beugearrestes’ steht einer Einbeziehung grundsätzlich ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die verfahrensgegenständliche Tat zeitlich nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Nienburg begangen worden ist (vgl. Eisenberg aaO Rdnr. 13 mwN). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte durch die Nichteinbeziehung der dort verhängten Rechtsfolgen beschwert wird, ist das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Eine eigene Entscheidung durch den Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO kommt hier nicht in Betracht, weil es – anders als etwa im Fall des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 2009 (3 StR 177/09) – insbesondere an den zu einer Prüfung der Einbeziehungsfähigkeit notwendigen Angaben zum Stand der Vollstreckung der jugendgerichtlichen Maßnahmen fehlt. Der neue Tatrichter wird insoweit die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben; die bisherigen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).”
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an.
Unterschriften
Becker, von Lienen, Schäfer, Mayer, Menges
Fundstellen
Haufe-Index 2827155 |
NStZ-RR 2012, 302 |