Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der Prostitution
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum – Auswärtige Strafkammer Recklinghausen – vom 4. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben
- in den Fällen II B 1 bis 3 der Urteilsgründe,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe, den Verfall von Wertersatz und den Verfall von 4.783,50 DM.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (dirigierender) Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution in jeweils drei Fällen (Fälle II B 1 bis 3 der Urteilsgründe) sowie wegen Betruges in zwei Fällen (Fälle II A 1 und 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Verfall von Wertersatz in Höhe von 256.000 DM angeordnet und einen sichergestellten Bargeldbetrag (4.783,50 DM) für verfallen erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II B 1 bis 3 der Urteilsgründe unterhielt der Angeklagte einen „barartigen Betrieb”, in dem Prostituierte osteuropäischer Herkunft beschäftigt waren, die „potentielle Freier ansprachen und diese zu weiterem Verzehr oder der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen animierten”; zu „letzterem Zweck” verfügte die Bar über zwei Räume, die der Angeklagte mit Betten versehen hatte. Mit den Prostituierten bzw. deren Zuhältern führte der Angeklagte „Einstellungsgespräche”, in denen er sich regelmäßig versicherte, daß die Frauen freiwillig der Prostitution nachgingen. Er gab ihnen vor, während der „Öffnungszeiten” (von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr) zur Prostitution in der Bar bereit zu sein, kaufte für sie Kondome und setzte den Dirnenlohn, den sie verlangen und vereinnahmen sollten, fest; hiervon und von dem Erlös für die verkauften Getränke verlangte er 50 % für sich. Die Abrechnung erfolgte täglich nach Schließung der Bar. Der Angeklagte brachte die Frauen zu den vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen zum Gesundheitsamt und stellte ihnen, sofern sie dies wünschten, für einen Mietpreis von 15,– DM pro Tag eine Wohnung zur Verfügung.
2. Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Förderung der Prostitution nach § 180 a Absatz 1Nr. 2 StGB (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 180 a Rdn. 4 m.w.N.), nicht aber die – wie das Landgericht (ohne dies zu begründen) meint (UA 12) – gemäß § 180 [a] Absatz 1Nr. 1 StGB und auch nicht die wegen (tateinheitlich begangener) Zuhälterei.
a) Daß Prostituierte in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten wurden (§ 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB), ist den Feststellungen nicht zu entnehmen (zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB vgl. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 180 a Rdn. 3).
b) Ausbeuterische Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist ebenfalls nicht belegt, weil ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten geführt hat (vgl. BGH NStZ 1989, 67; 1999, 349, 350), nicht festgestellt ist.
c) Auch der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist durch die bisherigen Feststellungen nicht gedeckt: Dieser setzt nämlich in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einflußnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus (BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2). Das Verhalten muß vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder in ihrer Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361 m.w.N.).
3. Der Senat kann nicht ausschließen, daß in einer neuen Hauptverhandlung – über die geständige Einlassung des Angeklagten hinaus – weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Förderung der Prostitution (auch) gemäß § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB und Zuhälterei rechtfertigen können (zum Konkurrenzverhältnis vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. § 180 a Rdn. 15, § 181 a Rdn. 16 f.). Er hebt daher das Urteil in den Fällen II B 1 bis 3 der Urteilsgründe auf. Dies zieht den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen, der Gesamtstrafe und der Verfallsanordnungen nach sich. Die wegen Betruges verhängten Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben; denn sie werden von dem Rechtsfehler nicht berührt.
Der neu entscheidende Tatrichter wird zu beachten haben, daß durch das am 19. Oktober 2001 vom Deutschen Bundestag bereits verabschiedete Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) beabsichtigt ist, § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB aufzuheben und § 181 a Abs. 2 StGB neu zu fassen (vgl. BTDrucks. 14/5958 S. 3, 5, 6; BRDrucks. 817/01). Falls der Verfall von Wertersatz in Betracht kommen sollte, wird eingehender als bisher § 73 c StGB zu erörtern sein.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović
Fundstellen