Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgesuchs hinsichtlich der Wahrung der Wiedereinsetzungsfrist.
Normenkette
ZPO § 234 Abs. 1-2, § 236 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Beklagten zu 2 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Juni 1998 und seine Revision gegen das vorbezeichnete Urteil werden auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 329.714,40 DM
Gründe
I.
Das Berufungsurteil, durch das die erstinstanzliche gesamtschuldnerische Verurteilung beider Beklagter zur Leistung von Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG an den Kläger im wesentlichen bestätigt worden ist, wurde den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zu 2 (nachfolgend: Beklagter) am 12. Juni 1998 zugestellt. Diese übermittelten am 22. Juni 1998 die Urteilsausfertigung zur Weiterleitung an den Mandanten vereinbarungsgemäß an Rechtsanwalt L., der seit Anfang 1992 in dem Berufungsverfahren als Verkehrsanwalt des Beklagten tätig war; beigefügt war ein Schreiben der Berufungsanwälte mit Rechtsmittelbelehrung und Berechnung der Revisionsfrist sowie dem Hinweis, daß ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten eine Revisionseinlegung nicht veranlaßt werde. Rechtsanwalt L. sandte diese Unterlagen am 25. Juni 1998 per Einschreiben/Rückschein an die ihm vom Beklagten benannte Anschrift „O. Straße 22, S.”. Der Beklagte war dort – was er seinen Anwälten nicht mitgeteilt hatte – schon seit der Trennung von seiner Ehefrau im August 1997 nicht mehr wohnhaft, sondern hielt sich überwiegend in E. auf, wo er als Handelsvertreter auch ein Geschäftsbüro unterhielt. Seine Ehefrau hatte er beauftragt, die für ihn in S. eingehende Post an seine E. er Geschäftsadresse nachzusenden und ihn in „wichtigen Dingen” telefonisch in seinem Büro zu verständigen. Das Einschreiben von Rechtsanwalt L. mit den Prozeßunterlagen gelangte am 13. Juli 1998 – dem Tag des Ablaufs der Revisionseinlegungsfrist – an den Absender mit dem postalischen Vermerk zurück, daß es nicht abgefordert worden sei; nach Darstellung des Beklagten hat seine Ehefrau keinen Benachrichtigungszettel über die Einschreibsendung erhalten.
Rechtsanwalt L. gelang es trotz wiederholter Bemühungen erst am 16. Juli 1998, unter der ihm vom Beklagten bekannt gegebenen Telefonnummer der ehelichen Wohnung in S. Kontakt mit dessen Tochter aufzunehmen, die über den vorliegenden Rechtsstreit ihres Vaters nicht informiert war und lediglich die Telefonnummer seines E. er Büros mitteilen konnte. Über dieses Büro brachte Rechtsanwalt L. noch an demselben Tag telefonisch die Anschrift der Wohnung des Beklagten in E. in Erfahrung, an die er sodann mit Schreiben vom 17. Juli 1998 die Urteilsausfertigung nebst Anlage sandte; diese Postsendung ging dem Beklagten am 20. Juli 1998 (Montag) zu. Wiedereinsetzungsgesuch und Revisionsschrift der Revisionsanwälte des Beklagten gingen am 3. August 1998 beim Bundesgerichtshof ein.
II.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der vom Beklagten versäumten Frist zur Einlegung der Revision gegen das am 12. Juni 1998 seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zugestellte Berufungsurteil ist unzulässig, weil nicht dargelegt und glaubhaft gemacht ist, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zur Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Antrag rechtzeitig nach der Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wurde (st. Rspr. seit BGHZ 5, 157,160). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist (BGH, Beschl. v. 10. Dezember 1996 – VI ZB 16/96, VersR 1997, 507, 508 m.w.Nw.). Das ist hier indes nicht der Fall.
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben ist, durch das die Partei von der Einhaltung der Frist abgehalten worden ist. Das Hindernis für die rechtzeitige Einlegung der Revision bestand hier in der fehlenden Kenntnis des Beklagten von der erfolgten Zustellung des Berufungsurteils an seine zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten infolge der fehlgeschlagenen Weiterleitung der Urteilsausfertigung nebst Anlage durch seinen Verkehrsanwalt. Zwar hat der Beklagte seinen Angaben zufolge positive Kenntnis hiervon und damit zugleich von der Versäumung der Revisionsfrist erst mit dem Zugang der entsprechenden Prozeßunterlagen am 20. Juli 1998 erlangt. Damit ist jedoch die Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrags vom 3. August 1998 nicht hinreichend dargetan. Behoben ist das Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO nämlich nicht erst, wenn die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt ist, sondern schon dann, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (BGH, Beschl. v. 15. Oktober 1997 – IV ZB 15/97, BGHR ZPO § 234 Abs. 2, Fristbeginn 10 m.w.Nw.). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig der Fall, sobald die Partei oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, daß die Rechtsmittelfrist versäumt war (BGH, Beschl. v. 13. Mai 1992 – VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098, 2099 m.w.Nw.). Obwohl ein solches schuldhaftes Fortbestehen des Hindernisses nach Aktenlage bereits für den Zeitraum vom 14. bis 17. Juli 1998 mit der Folge der Verfristung des Wiedereinsetzungsgesuchs ernsthaft in Betracht kam, fehlt hierzu jeglicher – entlastende – Vortrag des Beklagten.
Nachdem Rechtsanwalt L. aufgrund des Rückbriefs am 13. Juli 1998 die unmittelbar drohende Versäumung der Revisionsfrist erkannt hatte und eine rechtzeitige Revisionseinlegung schließlich wegen der Nichterreichbarkeit des Beklagten an diesem Tage nicht mehr möglich war, war er als Verkehrsanwalt und damit zugleich Bevollmächtigter des Beklagten im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO verpflichtet, diesen unverzüglich vom Ablauf der Revisionsfrist zu unterrichten und ihm gleichzeitig die Stellung eines fristgerechten Wiedereinsetzungsantrags zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1995 – XI ZB 17/95, VersR 1996, 608 m.w.Nw.). Ob Rechtsanwalt L. dieser Pflicht dadurch genügt hat, daß er sich mehrere Tage darauf beschränkt hat zu versuchen, den Beklagten unter der von diesem angegebenen Telefonnummer seiner früheren Wohnung zu erreichen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist ein – dem Beklagten zurechenbares – mitwirkendes Verschulden des Rechtsanwalts L. an der unterbliebenen früheren Unterrichtung des Beklagten im Zusammenhang mit seinem Anruf in E. nicht ausgeräumt. Der Pflicht zur unverzüglichen Information des Mandanten genügte Rechtsanwalt L. nicht dadurch, daß er lediglich dessen Privatanschrift in Erfahrung brachte und erst am folgenden Tag die entsprechenden schriftlichen Unterlagen auf den „normalen” Postweg – wenn auch zusätzlich per Einschreiben – brachte. Es war vielmehr geboten, anläßlich des Telefonats mit dem Büro des Beklagten am 16. Juli 1998 eine Eilnachricht über die Versäumung der Rechtsmittelfrist zu hinterlassen, verbunden mit der Bitte um möglichst sofortige Information des Beklagten und dessen alsbaldigen Rückruf. Wäre dies geschehen, so hätte dieser bei normalem Verlauf der Dinge, wenn nicht am selben, so doch spätestens am folgenden Tage (17. Juli 1998) von der Fristversäumung Kenntnis genommen oder zumindest nehmen können und müssen. Denn auch seiner Ehefrau hatte er die Telefonnummer seines E. er Büros gerade für wichtige oder eilige Angelegenheiten hinterlassen, so daß eine kurzfristige Kenntnisnahme von ihm zu erwarten war.
2. Infolge der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs bleibt die Frist zur Einlegung der Revision versäumt, so daß zugleich die Revision zu verwerfen ist.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 556205 |
HFR 2000, 851 |
NJW 2000, 592 |
BGHR |
EBE/BGH 2000, 18 |
Nachschlagewerk BGH |
BRAK-Mitt. 2000, 47 |
BRAK-Mitt. 2000, 76 |