Leitsatz (amtlich)
a) Wählt die hinsichtlich eines Anrechts im Sinne des Betriebsrentengesetzes ausgleichsberechtigte Person innerhalb einer vom Gericht nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist den Ausgleich in die Versorgungsausgleichskasse, liegt darin kein Verzicht auf die Ausübung des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG, sondern lediglich ein Verzicht auf den Ablauf der vom Gericht nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist.
b) Informiert die ausgleichsberechtigte Person, die auf den Ablauf der nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist zunächst verzichtet hatte, das Gericht vor einer Entscheidung und innerhalb der Frist darüber, dass sie das Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 VersAusglG nunmehr anderweitig ausgeübt habe, muss das Gericht ihr Gelegenheit geben, bis zum Ablauf der nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist die Zustimmung des ausgewählten Versorgungsträgers gem. § 222 Abs. 2 FamFG nachzuweisen.
Normenkette
VersAusglG § 15 Abs. 1, 5; FamFG § 222 Abs. 1-2
Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 17.03.2016; Aktenzeichen 21 UF 8/16) |
AG Stade (Entscheidung vom 02.12.2015; Aktenzeichen 42 F 362/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 21. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle vom 17.3.2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Wert: 1.095 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Auf den am 13.6.2015 zugestellten Antrag hat das FamG die am 15.8.1997 geschlossene Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Rz. 2
Während der gesetzlichen Ehezeit vom 1.8.1997 bis zum 31.5.2015 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) hat der Antragsgegner u.a. bei dem A. e.V. (Beteiligter zu 7) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil i.H.v. 89.684,58 EUR erworben.
Rz. 3
Auf Verlangen des Versorgungsträgers hat das FamG dieses Anrecht extern geteilt und zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei dem Beteiligten zu 7) ein Anrecht i.H.v. 44.842,29 EUR, bezogen auf den 31.5.2015, zugunsten der Antragstellerin auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Beteiligte zu 4) begründet sowie den Beteiligten zu 7) verpflichtet, diesen Betrag nebst Zinsen i.H.v. 2,25 % p.a. und Zinseszinsen ab dem 1.6.2015 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich an die Beteiligte zu 4) zu zahlen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4) hat das OLG die Entscheidung dahingehend abgeändert, dass die Versorgungsausgleichskasse (Beteiligte zu 8) als Zielversorgungsträger bestimmt und der Beteiligte zu 7) verpflichtet wird, an diese 44.842,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2,25 % ab dem 1.6.2015 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu zahlen; eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinseszinsen hat es abgelehnt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Wiederherstellung der Entscheidung des FamG mit der Maßgabe begehrt, dass die C. AG zur Zielversorgung bestimmt wird.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Rz. 5
1. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Ausgleich in der Beteiligten zu 8) als aufnehmenden Versorgungsträger angeregt. Auch wenn deren Aufnahmebereitschaft nicht nachgewiesen sei, fungiere sie nach § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG ohnehin als Zielversorgungsträger. Der an die Beteiligte zu 8) zu zahlende Kapitalbetrag sei zwar zu verzinsen, nicht aber um Zinseszinsen zu erhöhen.
Rz. 6
2. Dies hält der Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Rz. 7
a) Zwar ist das OLG zu Recht davon ausgegangen, dass der gem. §§ 222 Abs. 3 FamFG, 14 Abs. 4 VersAusglG zu zahlende Kapitalbetrag zur Berücksichtigung der Wertsteigerung des auszugleichenden Anrechts zwischen dem Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit dem zur Ermittlung des Ausgleichswerts verwendeten Rechnungszins zu verzinsen ist (BGH BGHZ 191, 36 = FamRZ 2011, 1785 Rz. 17 ff.; v. 6.2.2013 - XII ZB 204/11 - FamRZ 2013, 773 Rz. 20 ff.).
Rz. 8
Auch hat das OLG zutreffend angenommen, dass in der Beschlussformel insoweit lediglich eine einfache Verzinsung ausgesprochen werden kann, nicht aber eine den Zinseszins beinhaltende Aufzinsung (vgl. den nach der angefochtenen Entscheidung ergangenen BGH v. 19.7.2017 - XII ZB 201/17, FamRZ 2017, 1655 Rz. 34 ff. m.w.N.).
Rz. 9
b) Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde indessen, dass das OLG die innerhalb der vom Gericht nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist von der Antragstellerin ausgewählte C. AG nicht als Zielversorgung benannt hat.
Rz. 10
aa) Verlangt der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG die externe Teilung eines Anrechts im Sinne des Betriebsrentengesetzes, steht der ausgleichsberechtigten Person gem. § 15 Abs. 1 VersAusglG ein Wahlrecht hinsichtlich der Zielversorgung zu. Nach § 222 Abs. 1 FamFG ist dieses Wahlrecht in einer vom Gericht zu setzenden Frist auszuüben. Wird das Wahlrecht ausgeübt, hat die ausgleichsberechtigte Person gem. § 222 Abs. 2 FamFG innerhalb der Frist zugleich nachzuweisen, dass der ausgewählte Versorgungsträger mit der vorgesehenen Teilung einverstanden ist. Übt die ausgleichsberechtigte Person dagegen ihr Wahlrecht nicht aus, so erfolgt die externe Teilung eines Anrechts im Sinne des Betriebsrentengesetzes nach § 15 Abs. 5 VersAusglG durch Begründung eines Anrechts bei der Versorgungsausgleichskasse.
Rz. 11
bb) Das OLG hatte der Antragstellerin durch Verfügung des Berichterstatters vom 25.2.2016 eine Frist zur Ausübung ihres Wahlrechts bis zum 30.3.2016 gesetzt. Die Antragstellerin hat ihr Wahlrecht durch einen am 29.3.2016 beim OLG eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag, in dem die C. AG als Zielversorgung benannt wurde, nach § 222 Abs. 1 und 2 FamFG wirksam ausgeübt, denn dem Schriftsatz war eine entsprechende Einverständniserklärung der C. AG vom 22.3.2016 beigefügt.
Rz. 12
cc) Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin zuvor mit Anwaltsschriftsatz vom 8.3.2016 mitgeteilt hatte, dass der Ausgleich in der Versorgungsausgleichskasse gewünscht und angeregt werde, die externe Teilung in der Versorgungskasse vorzunehmen. Denn dabei handelt es sich schon nicht um die Ausübung des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG, sondern lediglich um den Verzicht auf den Ablauf der vom OLG nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist. Ein solcher Verzicht steht der späteren Ausübung des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG jedenfalls nicht entgegen, solange das Gericht eine Entscheidung in der Sache noch nicht getroffen hat.
Rz. 13
Zwar ist die angefochtene Entscheidung ausweislich des Erlassvermerks bereits am 21.3.2016 zur Geschäftsstelle gelangt (§ 38 Abs. 3 FamFG). Indessen rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass die Antragstellerin vor Erlass des Beschlusses mehrfach, u.a. am 14. und 15.3.2016, auf der Geschäftsstelle des OLG angerufen und um den Ausgleich in der C. AG gebeten habe. Diesem Vorbringen ist das OLG in seinem Beschluss vom 20.4.2016, durch den es eine Berichtigung des hier angefochtenen Beschlusses abgelehnt hat, nicht entgegen getreten. Damit ist dieses Vorbringen für das Rechtsbeschwerdeverfahren als wahr zu unterstellen.
Rz. 14
Nachdem die Antragstellerin das OLG über die anderweitige Ausübung ihres Wahlrechts informiert hatte, durfte das Gericht im Hinblick auf das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl. dazu BVerfG NJW 2014, 205 Rz. 20) nicht mehr vor Ablauf der gem. § 222 Abs. 1 FamFG gesetzten Frist entscheiden. Unabhängig davon bedarf es selbst für die Ausübung des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG gem. § 114 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 7 FamFG nicht der Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
Rz. 15
c) Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 74 Abs. 2 FamFG).
Rz. 16
3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, da eine fehlende Verfahrensbeteiligung der C. AG als Zielversorgungsträger im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann.
Rz. 17
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Gemäß §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 219 Nr. 3 FamFG hat das Gericht diejenigen Versorgungsträger am Verfahren zu beteiligten, bei denen ein Anrecht zum Zweck des Ausgleichs begründet werden soll. Auf den zwingenden Charakter dieser Verfahrensvorschriften hat der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hingewiesen (BGH, Beschl. v. 15.2.2017 - XII ZB 405/16, FamRZ 2017, 727 Rz. 7). Für eine Beteiligung in diesem Sinne reicht es nicht aus, wenn der Versorgungsträger in der Endentscheidung benannt und ihm diese zugestellt wird. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor deren Erlass zu äußern. Daher muss grundsätzlich zu jedem dem Gericht unterbreiteten Vortrag Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, soweit er für die Entscheidung erheblich ist. Das Gericht darf nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwenden, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (vgl. BVerfG FamRZ 1994, 493, 494 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 11519616 |
NJW 2018, 8 |
FamRZ 2018, 429 |
BetrAV 2018, 144 |
JZ 2018, 182 |
MDR 2018, 802 |
FF 2018, 129 |
FF 2018, 173 |
FamRB 2018, 139 |
NJW-Spezial 2018, 229 |
FK 2018, 119 |
NZFam 2018, 175 |