Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 21.12.2018; Aktenzeichen 12 Js 106/16 64 KLs 14/18) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, soweit er im Rahmen der Begründung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Dezember 2018 die Frist zur rechtzeitigen Anbringung der im Schriftsatz vom 8. April 2019 durch Rechtsanwältin L. erhobenen Verfahrensrüge versäumt hat.
Wiedereinsetzungskosten werden nicht erhoben.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Dem Angeklagten war aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Juli 2019 nach §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Anbringung der im Schriftsatz vom 8. April 2019 durch Rechtsanwältin L. erhobenen Verfahrensrüge zu gewähren. Von der Erhebung von Kosten für die Wiedereinsetzung war gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG abzusehen.
Rz. 3
2. Die Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 4
a) Die nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig erhobene Rüge, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, weil es kein Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten erhoben habe, ist unzulässig. Es fehlt an einem ausreichenden Vortrag, dass sich das Landgericht zu einer solchen Beweiserhebung nach § 244 Abs. 2 StPO gedrängt sehen musste (zum Maßstab allg. vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15, NStZ 2017, 96 f.; zur Zuziehung eines psych. Sachverständigen vgl. die Nachweise bei Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl. § 244 Rn. 78 ff.). Zwar deuten die Schilderungen der Nebenklägerin darauf hin, dass sich der Angeklagte durch den Tod seines Pflegesohnes im Frühjahr 2010 nachhaltig beeindruckt zeigte und innerhalb der Familie zurückzog (UA 45 f.). Auch setzten die sexuellen Übergriffe erst danach ein. Die dem Angeklagten zur Last liegenden Taten waren aber durch ein hohes Maß an Steuerung gekennzeichnet (Einordnung in ein über Jahre durchgehaltenes Bestrafungssystem; gezielte Ausnutzung der Angst der Nebenklägerin vor einer Rückverbringung in ein Kinderheim), so dass es des Vortrags konkreter Umstände bedurft hätte, weshalb sich eine durch den Tod des Pflegesohnes ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung auf die Begehung der Sexualtaten zum Nachteil der Pflegetochter ausgewirkt hat und deshalb die Einholung sachverständigen Rats erforderlich gewesen wäre.
Rz. 5
b) Weder der Schuld-, noch der Strafausspruch weisen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Soweit die Strafkammer dem Angeklagten auch bei der Begründung der Einzelstrafen angelastet hat, dass die Nebenklägerin „über einen längeren Zeitraum hinweg gelitten hat” und noch weiter stark unter den Folgen der Taten leiden wird” (UA 72 f.), liegt darin kein durchgreifender Rechtsverstoß (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. April 2018 – 2 StR 194/17, NStZ 2019, 42 Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2014 – 2 StR 84/14, NStZ-RR 2014, 340 mwN). Denn den Urteilsgründen lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass bereits die Einzeltaten aufgrund der durchgehend bestehenden Bedrohungslage für die Geschädigte besonders belastend waren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 5 StR 541/17, NStZ 2018, 537, 538).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Bender, Quentin, Bartel
Fundstellen
Dokument-Index HI13694349 |