Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung von Wohnungseigentum
Leitsatz (amtlich)
Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden nur dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sind, wenn die Trennwände und Trenndecken den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes an Neubauten stellt.
Normenkette
WohnungseigentumsG § 3 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden nur dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sind, wenn die Trennwände und Trenndecken den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes an Neubauten stellt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke. Sie hat beantragt, die von ihr für diese Grundstücke gemäß § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes abgegebenen Teilungserklärungen in das Grundbuch einzutragen. Die zuständige Baubehörde hat dafür Abgeschlossenheitsbescheinigungen erteilt, die folgenden Hinweis enthalten: „Die Wohnungstrennwände und Decken entsprechen nicht den heutigen Anforderungen nach DIN 4109, 4108 und 4102 (Schall-, Wärme- und Brandschutz).”
Das Grundbuchamt hat die Eintragungsanträge mangels Abgeschlossenheit der Raumeinheiten zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht teilt die Ansicht der Vorinstanzen und möchte deshalb die weitere Beschwerde zurückweisen. Daran sieht es sich jedoch durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Juni 1990 – BReg 2 Z 37/90 = BayObLGZ 1990, 168 gehindert und hat daher die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Der Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts ist statthaft (§ 79 Abs. 2 GBO).
Es ist der Ansicht, Wohnungen oder sonstige Räume in bestehenden Gebäuden seien nur dann in sich abgeschlossen, wenn sie den gegenwärtigen Erfordernissen des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes nach der jeweiligen Bauordnung genügen. Demgegenüber hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLGZ 1990, 168) den Standpunkt vertreten, das Gebot der Abgeschlossenheit wolle keinen baulichen und bautechnischen Mindeststandard sichern, sondern habe als ein rein zivilrechtliches Merkmal nur den Zweck, den vom Stockwerkseigentum her bekannten Mißständen vorzubeugen und für eine eindeutige Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche zu sorgen. Damit besteht zwischen beiden Gerichten eine die Vorlage rechtfertigende Divergenz in der Auslegung der das Grundbuchrecht betreffenden Vorschriften der § 8 Abs. 2, § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG.
III.
Die vorgelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO). Der Senat hält sie entgegen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts auch für begründet.
Das Grundbuchamt durfte den in den Abgeschlossenheitsbescheinigungen enthaltenen Hinweis zwar berücksichtigen und der rechtlichen Prüfung des Abgeschlossenheitsgebots zugrunde legen, weil die Bescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG nur eine Wissenserklärung der zuständigen Baubehörde darstellt (BayObLG, Beschl. v. 20. Juni 1990, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 28. Dezember 1989, 2 CE 89.3743, BayVBl 1990, 536) und die Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts nicht einschränkt (BR-Drucks. 75/51, Anl. 2 S. 14; BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 1987, 8 C 55/85, Buchholz 454.11 WEG Nr. 1 = NJW-RR 1988, 649 f). Doch beruht die Ablehnung der beantragten Grundbucheintragung nach Ansicht des Senats auf unrichtiger, das Gesetz verletzender Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG, weil für das Erfordernis der Abgeschlossenheit bei einem schon errichteten Gebäude bauordnungsrechtliche Kriterien nicht maßgebend sind. Der Senat möchte deshalb der weiteren Beschwerde stattgeben. Daran sieht er sich aber gehindert, weil er damit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichen würde, der das vorlegende Oberlandesgericht folgen will.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 26. Juli 1989 – 8 B 112/89 = NJW 1990, 848 eine das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 1989 (NJW-RR 1990, 27) betreffende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit der Begründung zurückgewiesen, die Bescheinigung der Baubehörde nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG enthalte eine bauordnungsrechtliche Erklärung; sie bezeuge, daß Wohnungen oder sonstige Räume im bauordnungsrechtlichen Sinne abgeschlossen seien. Abgeschlossen seien nur solche Wohnungen oder Räume, die unter anderem durch feste Wände und Decken voneinander getrennt sind und die den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Trennwände und Trenndecken insbesondere hinsichtlich des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes entsprechen. Aus dem Zweck des Abgeschlossenheitsgebots, durch die bauliche und bautechnische Gestaltung der Wohnung ein störungsfreies Wohnen sicherzustellen, ergebe sich, daß für die Begründung von Wohnungseigentum auch bei Altbauten die Abgeschlossenheit nach den gegenwärtigen bautechnischen Anforderungen der jeweiligen Bauordnung zu beurteilen sei.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung der bezeichneten Rechtsfrage vorzulegen (§§ 2, 11 RsprEinhG).
Die Anrufung des Gemeinsamen Senats ist nicht deswegen entbehrlich, weil nach Ansicht des vorlegenden Senats der Begriff der Abgeschlossenheit im Wohnungseigentumsgesetz nicht die gleiche Bedeutung wie im Bauordnungsrecht hat und daher für die jeweilige Materie unterschiedlich ausgelegt werden könnte (vgl. GmSoGB, BGHZ 60, 392, 394; 100, 277, 281). Denn die Divergenz zwischen dem Senat und dem Bundesverwaltungsgericht beruht gerade auf einer unterschiedlichen Beantwortung der Frage, inwieweit das Bauordnungsrecht Maßstab für das im Wohnungseigentumsgesetz aufgestellte Erfordernis der Abgeschlossenheit und damit für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG ist.
IV.
Nach Auffassung des Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu verneinen. In sich abgeschlossen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG sind Wohnungen und sonstige Räume dann, wenn die im Sondereigentum stehenden Raumeinheiten – mit Ausnahme getrennt liegender Nebenräume und Flächen – durch feste, geschlossene Wände und Decken sowie durch verschließbare Zugänge umgrenzt werden, so daß der Sondereigentümer seine Raumherrschaft (§ 13 Abs. 1 WEG) ungehindert ausüben kann. Das vom Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 26. Juli 1989, a.a.O.) darüber hinaus aufgestellte Erfordernis, ein schon errichtetes Gebäude müsse den im Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum geltenden bauordnungsrechtlichen Maßstäben an ein „ungestörtes Wohnen” insbesondere hinsichtlich des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes genügen, hält der Senat mit § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG für unvereinbar.
1. Diese Vorschrift bezweckt nur die eindeutige Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche. Dies ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte des Wohnungseigentumsgesetzes.
Bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat sich der Gesetzgeber dagegen ausgesprochen, Rechtsformen des Sondereigentums an Stockwerken oder Wohnungen in das Reichszivilrecht zu übernehmen. In den Materialien (Mot. III S. 45 f) ist dazu u.a. ausgeführt, es dürften nicht Verhältnisse geschaffen werden, „welche ihrer ganzen Struktur nach dazu angetan sind, den Frieden in dem Inneren der Häuser zu gefährden”; vielmehr verlange „das öffentliche Interesse …, die sich geltend machende Neigung zu solchen Verhältnissen zu bekämpfen”.
Der Regierungsentwurf eines Wohnungseigentumsgesetzes (BR-Drucks. 75/51) knüpft an diese Erwägungen an. Dort heißt es im allgemeinen Teil der Begründung (Anl. 2 S. 4), die schlechten Erfahrungen mit dem Stockwerkseigentum alter Form, die teilweise auf der ungenügenden tatsächlichen Abgrenzung der im Stockwerkseigentum stehenden Räume und teilweise auf der unzulänglichen Regelung des Verhältnisses der Stockwerkseigentümer untereinander beruhten, könnten nicht als Beweis gegen eine den neuzeitlichen Bauformen entsprechende Regelung angeführt werden, durch die unter Ausschaltung dieser Mängel ein Eigentumsrecht an einer Wohnung ermöglicht werde. Zur Ausschaltung des einen dieser Mängel – ungenügende Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche – diente § 3 Abs. 2 WEG. Die Einzelbegründung in der Drucksache sagt dazu unter VI., das Abgeschlossenheitserfordernis solle zur Vermeidung aller jener Streitigkeiten beitragen, die auf unklaren tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen beruhen und das Stockwerkseigentum alter Art in Verruf gebracht haben.
Sondereigentum darf mithin nach dem Leitgedanken des Gesetzes nicht durch eine bloße Luftschranke abgegrenzt werden. Der Hauptbereich des nach § 13 Abs. 1 WEG uneingeschränkter Raumherrschaft unterliegenden Sondereigentums muß daher baulich so umfriedet sein, daß feste und geschlossene oder verschließbare Bauteile die Raumeinheit dauerhaft abschirmen und dadurch Dritten der unbefugte Zugang tatsächlich verwehrt ist. Den Schutz des Sondereigentums und seiner ungehinderten Ausübung, damit zugleich die Erhaltung des auch im öffentlichen Interesse liegenden Hausfriedens, soll also das Erfordernis der Abgeschlossenheit gewährleisten.
Dieser Schutzzweck wird überspannt, wenn dem Gesetz – wie in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht – unterstellt wird, gesichert sein solle schlechthin ein im bauordnungsrechtlichen Sinne störungsfreies Wohnen. Eine solche Aufgabe hat das Wohnungseigentumsgesetz nicht. Es erhebt in § 3 Abs. 2 bauliche, aber keine bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die dem Sondereigentum zugeordneten Wohnungen oder sonstigen Räume und trifft deshalb auch nicht eine qualitative Unterscheidung zwischen der Abgeschlossenheit von Wohnungen und von nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen. Die Abgeschlossenheit soll gleichermaßen bei Wohnungs- wie bei Teileigentum die Unverletzlichkeit der Sondereigentunisbereiche gegenüber Eingriffen in die Raumherrschaft der Wohnungs- und Teileigentümer sicherstellen. Nur auf diesen, vom Gesetzgeber als Voraussetzung für die Existenzberechtigung von Wohnungs- und Teileigentum angesehenen Schutz ist § 3 Abs. 2 WEG ausgerichtet. Ist daher bei einem schon bestehenden Gebäude die zur Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche nötige Abgeschlossenheit jeder Wohnung gewährleistet, so kommt es auf die sonstige bauliche Beschaffenheit des Gebäudes für die Zulässigkeit der Bildung von Wohnungseigentum nicht an.
2. Soweit das Bundesverwaltungsgericht seinen gegenteiligen Standpunkt auf die Annahme stützt, daß die nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG zu erteilende Bescheinigung den in ihr bezeichneten Räumen die Abgeschlossenheit im bauordnungsrechtlichen Sinne attestiere und daß deshalb – die Anforderungen der jeweiligen Bauordnung an die Abgeschlossenheit maßgeblich seien (Beschl. v. 26. Juli 1989 unter Bezugnahme auf das Urt. v. 11. Dezember 1987, NJW-RR 1988, 649), wird eine Prämisse aufgestellt, die nicht von dem Sinn des § 3 Abs. 2 WEG ausgeht. Nur die Voraussetzungen dieser Vorschrift, somit allein die ihrem Zweck entsprechende bauliche Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche, sind nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG durch die Abgeschlossenheitsbescheinigung zu bestätigen. Daher können zur Auslegung des wohnungseigentumsrechtlichen Begriffs der Abgeschlossenheit nicht deren Zweck einengende bauordnungsrechtliche Kriterien herangezogen werden.
Aus der in dem Beschluß vom 26. Juli 1989 enthaltenen Verweisung auf das Urteil vom 20. August 1986 (Buchholz 454.42 II. BV Nr. 13 S. 2, 3 f = NJW-RR 1987, 785) dürfte allerdings zu entnehmen sein, daß das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht ist, der Begriff der Abgeschlossenheit sei seit jeher und deshalb auch im Rahmen des § 3 Abs. 2 WEG im bauordnungsrechtlichen Sinne zu verstehen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Bei Erlaß des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahre 1951 war die dort geforderte Abgeschlossenheit nicht ein schon allgemein im Bauordnungsrecht vorgegebener Begriff. Der Gesetzgeber konnte sich demnach nicht am Bauordnungsrecht orientieren. Damals gab es auch noch keine anderweitige gesetzliche oder richterrechtliche Vorprägung des Abgeschlossenheitsbegriffs, die der Gesetzgeber für das Wohnungs- und Teileigentum übernommen haben könnte und die womöglich als Klammer zum Bauordnungsrecht die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Gegetzesauslegung tragen würde. Das bei Erlaß des Wohnungseigentumsgesetzes erst in den Anfängen stehende öffentliche Wohnungsrecht benutzt zwar verschiedentlich ebenfalls den Begriff der abgeschlossenen Wohnung; die diesbezüglichen Bestimmungen können aber schon nach der Zeitfolge nicht Vorbild für die Regelung in § 3 Abs. 2 WEG gewesen sein (vgl. § 6 Abs. 2 I. BMietG v. 27. Juli 1955, BGBl. I S. 458; § 2 Abs. 1 II. BMietG v. 23. Juni 1960, BGBl. I S. 389; § 20 Abs. 2 Satz 2 I. WoBauG i.d.F. v. 25. August 1953, BGBl. I S. 1047; § 40 Abs. 1 Lit. a II. WoBauG v. 27. Juni 1956, BGBl. I S. 523; § 44 Abs. 3 Nr. 2 II. BV v. 17. Oktober 1957, BGBl. I S. 1719).
Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt auch nicht, daß die aufgrund von § 59 WEG ergangene Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes (AllgVwV) vom 19. März 1974 (BAnz Nr. 58) einen Unterschied zwischen bestehenden und erst noch zu errichtenden Gebäuden macht. Nr. 8 AllgVwV bestimmt nur hinsichtlich zu errichtender Gebäude, daß die Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen für eine bauaufsichtliche Genehmigung des Bauvorhabens nach Maßgabe der eingereichten Bauzeichnungen fehlen. Daraus ist der Umkehrschluß zu ziehen, daß jedenfalls bei schon bestehenden Gebäuden die Erteilung der Bescheinigung von einer bauordnungsrechtlichen Abgeschlossenheit nicht abhängt (Trendel, BauR 1984, 215, 220; Schmidt, DNotZ 1990, 251, 254).
Dieses Ergebnis wäre auch sachgerecht und ließe sich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Postulat eines im bauordnungsrechtlichen Sinne störungsfreien Wohnens nicht umkehren. Soll z.B. eine Wohnung, die bisher in zulässiger Weise vermietet gewesen ist, in Wohnungseigentum umgewandelt und an den Mieter veräußert werden, so ist nicht einzusehen, warum aus Wohnungseigentumsrechtlichen Gründen die faktisch unverändert fortbestehenden Wohnverhältnisse unter dem Gesichtspunkt störungsfreien Wohnens plötzlich nicht mehr hinnehmbar sein sollten. Deshalb ist es entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1990, 848) keineswegs „naturgemäß”, bei der Umwandlung von Alleineigentum in Wohnungseigentum die Frage der Abgeschlossenheit nach dem im Zeitpunkt der Umwandlung geltenden Bauordnungsrecht zu beurteilen. Vielmehr können bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte – wenn überhaupt – nur für die Abgeschlossenheit erst zu errichtender Bauten herangezogen werden.
3. Bei Heranziehung des Bauordnungsrechts droht dem bundesrechtlichen Abgeschlossenheitsbegriff des Wohnungseigentumsgesetzes eine uneinheitliche Ausformung durch nicht notwendig uniformes Landesrecht, zumal dann, wenn diese Entwicklung noch durch inhaltlich und zeitlich unterschiedliche Einführung bautechnischer Bestimmungen seitens der zuständigen obersten Landesbaubehörden gefördert werden könnte; das aber würde die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ermöglichen. Kann es zu solcher Uneinheitlichkeit des Landesrechts kommen, dann fehlt die Grundlage für die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene, die Einheitlichkeit des Bundesrechts wahrende Konformität zwischen Wohnungseigentumsgesetz und Landesbauordnungen in den Anforderungen an den Wohnungsabschluß (vgl. Bub, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 69, 80).
4. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts würde zudem den von ihm angestrebten rechtspolitischen Zweck eines auch im bauordnungsrechtlichen Sinne störungsfreien Wohnens nicht erreichen, sondern die Praxis auf Auswege abdrängen, die unerwünscht erscheinen. Die Folge wäre nämlich, daß der Entstehung von Sondereigentum Hindernisse in den Weg gelegt würden, denen das einfache Miteigentum nach Bruchteilen bei einer nach § 1010 Abs. 1 BGB möglichen und eintragungsfähigen raumgebundenen Benutzungsregelung (Sondernutzungsrecht) nicht ausgesetzt ist, weil dafür das Gesetz keinen Raumabschluß verlangt. Die Konsequenz wäre ein Ausweichen auf derartige Bruchteilseigentumsmodelle (vgl. dazu Deckert, WE 1990, 75; Mutschler, WE 1990, 167; vgl. auch Pause, NJW 1990, 3178, der als Ausweg die Bildung von Teileigentum in Verbindung mit Sondernutzungsrechten empfiehlt).
5. Die einschränkende Auslegung der § 3 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 2 WEG durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht aus einem sich als Folge der Entwicklung des Bauordnungsrechts ergebenden Wegfall der Gesetzesgrundlage hergeleitet werden, sondern würde diesen Wegfall erst herbeiführen. Denn jene Auslegung hätte die Auswirkung, daß bei Altbauten eine Aufteilung in Wohnungseigentum weitgehend ausgeschlossen wäre. Zwar mag rechtspolitisch ein Interesse bestehen, die Möglichkeit der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen wirksamer zu erschweren, als dies die in § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB vorgesehenen mietrechtlichen Kündigungssperrfristen vermögen (gegen eine Erschwerung der Umwandlung von Miet- und Wohnungseigentum aus wohnungswirtschaftlicher Sicht allerdings z.B. Voelskow, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 685 ff, 695); das Wohnungseigentumsgesetz ist aber als Flankenschutz des sozialen Mietrechts und des Mietwohnungsbaus weder gedacht gewesen noch geeignet. Es darf dafür nicht eingesetzt werden, solange nicht der Gesetzgeber selbst anders entscheidet.
Die Ziele, die das Wohnungseigentumsgesetz erreichen wollte, bestehen unverändert fort. Ermöglicht werden sollte eine breite Streuung des Eigentums (Rede des Abgeordneten Dr. Brönner in der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages am 31. Januar 1951, StenProt. Bd. 6 S. 4385). Zugleich ging es darum, den Immobilienmarkt für das kleinere und mittlere Privatkapital, insbesondere für das Sparkapital zu erschließen und die Bautätigkeit zu beleben (vgl. den Gesetzesantrag der Abgeordneten Wirths, Dr. Schäfer und der FDP-Fraktion v. 30. November 1949, Begründung/Allgemeines, BT-Drucks. 1/252; Regierungsentwurf eines Wohnungseigentumsgesetzes, BR-Drucks. 75/51, Anl. 2 S. 2). Altbauten nehmen dabei keine Sonderstellung ein, die Veranlassung geben müßte, insoweit die Begründung von Wohnungseigentum zu erschweren. Für die baupolitisch wichtige Erhaltung, Instandsetzung und Modernisierung älterer Wohn- und Gewerbegebäude kann das dazu nötige Privatkapital nach wie vor durch die Schaffung von Wohnungseigentum gewonnen werden. Mittelbar läßt sich durch eine Altbauumwandlung in Wohnungseigentum Liquidität des bisherigen Eigentümers freisetzen und einer Neubautätigkeit zuführen. Von besonderer Bedeutung ist unter diesen Aspekten die Sanierung des Baubestandes in den neuen Bundesländern. Dort kommt hinzu, daß eine Privatisierung des umfangreichen ehemals volkseigenen Wohnungsvermögens gerade auch zur Förderung der Bildung individuellen Wohneigentums beschleunigt durchgeführt werden soll (Kap. VI Art. 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages v. 31. August 1990 – BGBl. II S. 895 f). Zwar will die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung dahingehend herbeiführen, daß die zur Begründung von Wohnungseigentum nötige Abgeschlossenheitsbescheinigung in den neuen Bundesländern auch dann erteilt werden kann, wenn das Gebäude (oder die Wohnung) nicht den bauordnungsrechtlichen Anforderungen entspricht, die an Neubauten gestellt werden (so die Absichtserklärung von CDU, CSU und FDP unter Ziff. VII Nr. 9 Abs. 2 der Koalitionsvereinbarung für die 12. Legislaturperiode – abgedruckt in „Frankfurter Allgemeine Zeitung” v. 25. Januar 1991, S. 8). Der Senat ist indessen der Meinung, daß es einer solchen Sonderregelung nicht bedarf, weil die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht die ihr vom Bundesverwaltungsgericht beigemessene restriktive Auslegung rechtfertigt.
Unterschriften
Hagen, Linden, Räfle, Wenzel, Tropf
Fundstellen
Haufe-Index 512653 |
BB 1991, 2038 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1991, 474 |