Leitsatz (amtlich)
a) Die Feststellung, dass ein Name als Synonym für eine bestimmte Methode benutzt wird und sich zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt hat, unterliegt strengen Anforderungen. Solange noch ein beteiligter Verkehrskreis an der Bedeutung des Wortes als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb festhält, kann von einer solchen Entwicklung nicht ausgegangen werden.
b) Wird ein mit einer älteren Marke identisches Zeichen in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen, kann die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile eines jüngeren Zeichens berücksichtigt werden. Es kann jedoch nicht generell der Schluss gezogen werden, dass ein in ein Gesamtzeichen aufgenommenes Zeichen dieses stets prägt, wenn es infolge Benutzung über gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Es ist vielmehr das jeweils in Rede stehende Gesamtzeichen in den Blick zu nehmen und im Einzelfall zu prüfen, ob alle anderen Bestandteile dieses Gesamtzeichens weitgehend in den Hintergrund treten (Klarstellung zu BGH, Urt. v. 5.12.2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rz. 48 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria).
Normenkette
MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
BPatG (Beschluss vom 23.03.2017; Aktenzeichen 30 W(pat) 7/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des 30. Senats (Marken- und Design-Beschwerdesenats) des BPatG vom 23.3.2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
A. Die Markeninhaberin hat am 26.10.2010 die Wortmarke "Internationale Kneipp-Aktionstage" Nr. 30 2010 062 575 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Dienstleistungen der Klasse 41 "Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten", der Klasse 43 "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" und der Klasse 44 "Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen" angemeldet. Die Marke ist am 14.2.2011 in das Register eingetragen und die Eintragung am 18.3.2011 veröffentlicht worden.
Rz. 2
Die Widersprechende hat am 30.5.2011 Widerspruch aus ihrer am 30.5.1996 angemeldeten und am 7.4.1998 eingetragenen Wortmarke Nr. 396 24 268 "KNEIPP" erhoben, deren Schutzbereich u.a. die Dienstleistungen der Klasse 41 "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten", der Klasse 43 "Verpflegung; Beherbergung von Gästen" und der Klasse 44
Information und Beratung über Arzneipflanzen und Diät sowie Wasser- und Heilkräuterkuren durch die Herausgabe von Texten; Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Hydro-, Phyto-, Bewegungs-, Ernährungs- und Ordnungstherapie, insbesondere für Ärzte, Heilpersonen, Heilhilfspersonen und Bademeister; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Kurdienstleistungen in Bade- und Kuranstalten sowie Sanatorien; Heilbehandlung zur Prävention, Rehabilitation, sowie Wasseranwendung, Verabreichung von Bädern, insbesondere Kräuterbädern, Trinkkuren mit Kräuter-, Tee- und Pflanzensäften; Bewegungstherapie, Ernährungs- und Diättherapie, Ordnungstherapie; Sammeln von Informationsmaterial über Therapieerfahrungen mit Wasser- und Heilkräuter-Kuren insbesondere für Kurärzte, Ärzte für Naturheilverfahren, Kuranstalten; Information und Beratung über Arzneipflanzen und Diät sowie Wasser- und Heilkräuterkuren; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft
umfasst.
Rz. 3
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom 5.12.2014 den Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, GRUR 2018, 529 = WRP 2018, 578).
Rz. 4
Mit der vom BPatG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter.
Rz. 5
B. Das BPatG hat angenommen, das Deutsche Patent- und Markenamt habe den Widerspruch aus der Wortmarke "KNEIPP" zu Recht gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.
Rz. 6
Die Vergleichsmarken beanspruchten allerdings Schutz für identische Dienstleistungen. Jedoch sei die originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bezogen auf die in Rede stehenden Dienstleistungen weit unterdurchschnittlich. Der Name Kneipp habe für die in Rede stehenden Dienstleistungen eine beschreibende Funktion, weil er auf die vom Pfarrer Kneipp im 19. Jahrhundert entwickelten Therapien und Lehren hinweise. Es könne zugunsten der Widersprechenden unterstellt werden, dass ihre Marke "KNEIPP" durch intensive Benutzung über gesteigerte Verkehrsbekanntheit und Kennzeichnungskraft verfüge. Dies führe lediglich dazu, dass der Widerspruchsmarke ein durchschnittlicher Schutzumfang zuzumessen wäre.
Rz. 7
Eine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG scheide jedenfalls mangels Zeichenähnlichkeit aus. Der Zeichenbestandteil "Kneipp" präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke "Internationale Kneipp-Aktionstage" nicht derart, dass ihre weiteren Bestandteile in den Hintergrund träten. Der Verkehr habe keine Veranlassung, die ältere Marke in der jüngeren Zeichenkombination als Hinweis auf den älteren Markeninhaber wiederzuerkennen, weil das ältere Zeichen "KNEIPP" in der jüngeren Kombination auf seinen beschreibenden Kern zurückgeführt werde und die jüngere Kombinationsmarke als Teil einer einheitlichen Aussage erscheine. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Bestandteil "Kneipp" innerhalb der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme und deshalb eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zu bejahen sei.
Rz. 8
Die Widersprechende könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Schutz der bekannten Marke gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stützen. Der Verkehr, der die angegriffene Marke als einheitlichen, beschreibenden Gesamtbegriff wahrnehme, habe keine Veranlassung, eine gedankliche Verknüpfung zu der - unterstellt - bekannten Marke der Widersprechenden herzustellen.
Rz. 9
C. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat Erfolg.
Rz. 10
I. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 9.7.2015 - I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012 Rz. 7 = WRP 2015, 1108 - Nivea-Blau; Beschl. v. 11.2.2016 - I ZB 87/14, GRUR 2016, 500 Rz. 6 = WRP 2016, 592 - Fünf-Streifen-Schuh).
Rz. 11
II. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, 2357) mit Wirkung vom 14.1.2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
Rz. 12
1. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1.10.2009 und dem 14.1.2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch gem. § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14.1.2019 geltenden Fassung (MarkenG n.F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14.1.2019 geltenden Fassung (MarkenG a.F.) anzuwenden.
Rz. 13
Nach § 42 Abs. 1 MarkenG a.F. kann innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Marke gem. § 41 Abs. 2 MarkenG von dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG a.F.).
Rz. 14
2. Das nach § 42 Abs. 2 MarkenG a.F. auf Löschung der angegriffenen Marke gerichtete Widerspruchsverfahren hat das Ziel, einen bestehenden Störungszustand zu beseitigen. Der Löschungsgrund muss danach sowohl im Kollisionszeitpunkt, d.h. zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen jüngeren Marke, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorliegen (BPatG, Beschl. v. 4.10.2017 - 27 W [pat] 38/14, juris Rz. 43; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rz. 224). Eine Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss deshalb schon im Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke vorgelegen haben und im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Eine nach dem Anmeldezeitpunkt eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft ist zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - I ZB 61/07, GRUR 2008, 903 Rz. 14 = WRP 2008, 1342 - SIERRA ANTIGUO; Beschl. v. 2.6.2016 - I ZR 75/15, GRUR 2017, 75 Rz. 31 = WRP 2017, 74 - Wunderbaum II).
Rz. 15
3. Die mit Wirkung ab dem 14.1.2019 in Kraft getretenen Änderungen des § 9 MarkenG sind für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Die seit dem 14.1.2019 geltende Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stellt eine Anpassung der Vorschrift an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dar, mit der dieser den Bekanntheitsschutz nach Maßgabe der Richtlinie 89/104/EWG auf den Bereich ähnlicher Waren und Dienstleistungen ausgeweitet hatte (vgl. EuGH, Urt. v. 9.1.2003 - C-292/00, Slg. 2003, I-389 = GRUR 2003, 240 Rz. 30 - Davidoff [Davidoff/Durfee]). Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rz. 76 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Die neu eingeführte Regelung in § 9 Abs. 3 MarkenG n.F. dient der Umsetzung von Art. 39 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2015/2436. Danach werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse der Nizza-Klassifikation erscheinen. Andererseits werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen. Dass Klasseneinteilungen keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen zukommt, entspricht bereits der deutschen Rechtspraxis (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rz. 221; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 9 Rz. 100 m.w.N.).
Rz. 16
III. Die Beurteilung des BPatG, zwischen der Wortmarke "KNEIPP", auf die der Widerspruch gestützt wird, und der angegriffenen Marke "Internationale Kneipp-Aktionstage" bestehe keine Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 17
1. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.Rspr.; vgl. nur EuGH, Urt. v. 18.12.2008 - C-16/06 P, Slg. 2008, I-10053 = GRUR-RR 2009, 356 Rz. 45 f. - Les Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Beschl. v. 9.7.2015 - I ZB 16/14, GRUR 2016, 283 Rz. 7 = WRP 2016, 210 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Beschl. v. 14.1.2016 - I ZB 56/14, GRUR 2016, 382 Rz. 19 = WRP 2016, 336 - BioGourmet; Beschl. v. 9.11.2017 - I ZB 45/16, GRUR 2018, 79 Rz. 7 = WRP 2018, 82 - OXFORD/Oxford Club).
Rz. 18
2. Das BPatG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Widerspruchsmarke und die angegriffene Marke für identische Dienstleistungen Schutz beanspruchen. Das BPatG hat angenommen, die Dienstleistungen der Klasse 41 "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" und der Klasse 43 "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" seien identisch in den jeweiligen Verzeichnissen der einander gegenüberstehenden Marken enthalten. In Klasse 44 ließen sich die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen "Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen" unter den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Oberbegriff der "Gesundheits- und Schönheitspflege" einordnen. Der von der angegriffenen Marke beanspruchte Schutz der Dienstleistungen der Klasse 44 "Medizinische Dienstleistungen" umfasse die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke zur "ärztlichen Versorgung" und zur "Gesundheitspflege". Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 19
3. Die Annahme des BPatG, die Widerspruchsmarke verfüge für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen originär über eine lediglich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, die infolge ihrer Benutzung gesteigert und deshalb als durchschnittlich anzusehen sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 20
a) Die Widerspruchsmarke ist in dem beim Deutschen Patent- und Markenamt geführten Register eingetragen worden. Ihr kann deshalb nicht jeglicher Schutz mit der Begründung versagt werden, sie sei originär nicht unterscheidungskräftig. Eine Schutzversagung mit dieser Begründung ist sowohl im Verletzungsverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rz. 15 = WRP 2012, 813 - Medusa) als auch im Widerspruchsverfahren (vgl. EuGH, Urt. v. 24.5.2012 - C-196/11 P, GRUR 2012, 825 Rz. 38 f. - Formula One Licensing/HABM [F1-LIVE]; BGH, GRUR 2016, 382 Rz. 38 - BioGourmet; GRUR 2017, 75 Rz. 19 - Wunderbaum II) unzulässig.
Rz. 21
Personennamen sind wegen ihrer Eignung, den Namensträger individuell zu bezeichnen und damit von anderen Personen zu unterscheiden, ein klassisches Kennzeichnungsmittel (vgl. zu § 5 MarkenG: BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 134/05, GRUR 2008, 801 Rz. 13 = WRP 2008, 1189 - Hansen-Bau). Die Frage, ob ein Personenname eine auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen hinweisende Funktion hat, ist nach den für sämtliche Marken geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2004 - C-404/02, Slg. 2004, I-8499 = GRUR 2004, 946 Rz. 25 ff. - Nichols).
Rz. 22
Versteht der Verkehr eine Personenbezeichnung lediglich als eine Waren oder Dienstleistungen beschreibende Sachangabe, fehlt es an der für die Unterscheidungskraft erforderlichen Funktion, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschl. v. 5.10.2017 - I ZB 97/16, GRUR 2018, 301 Rz. 12 = WRP 2018, 459 - Pippi-Langstrumpf-Marke, m.w.N.; Beschl. v. 13.9.2018 - I ZB 25/17, MD 2019, 134 Rz. 15). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Name zu einer gebräuchlichen Bezeichnung entwickelt hat, ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Zu ihnen zählen nicht nur Verbraucher und Endabnehmer, sondern je nach Marktmerkmalen auch die am Vertrieb einer Ware oder Dienstleistung beteiligten Gewerbetreibenden wie Händler, Hersteller und Zwischenhändler (vgl. EuGH, Urt. v. 29.4.2004 - C-371/02, Slg. 2004, I-5791 = GRUR-Int. 2004, 630 f. Rz. 23 bis 26 - Björnekulla Fruktindustrier [Bostongurka]). Die Feststellung der Entwicklung einer Marke oder eines Namens zu einer Gattungsbezeichnung unterliegt strengen Anforderungen. Solange noch ein beteiligter Verkehrskreis, sei es auch nur ein Teil der mit der Herstellung oder dem Vertrieb ähnlicher Waren oder Dienstleistungen befassten Personen, an der Bedeutung des Wortes als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb festhält, kann von einer solchen Entwicklung nicht ausgegangen werden (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1963 - Ib ZR 174/61, GRUR 1964, 82, 85 f. - Lesering). Ist ein Begriff als Gattungsbegriff in ein Lexikon aufgenommen, spricht dies für das Vorliegen einer Gattungsbezeichnung; diese Vermutung ist jedoch widerlegbar (Kopacek in BeckOK Markenrecht, 17. Edition, Stand: 1.4.2019, § 49 MarkenG Rz. 43). Wird ein Name als Synonym für eine bestimmte Methode benutzt, entfaltet er im Zusammenhang mit den entsprechenden Dienstleistungen - auch schon ohne im Verkehr durchgesetzt zu sein - eine beschreibende Funktion (BGH, Urt. v. 27.6.2002 - I ZR 103/00, GRUR 2003, 436, 439 [juris Rz. 70] = WRP 2003, 384 - Feldenkrais).
Rz. 23
b) Das BPatG hat diese Grundsätze seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei von Haus aus weit unterdurchschnittlich, weil der Name "KNEIPP" eine beschreibende Funktion habe. Bei dem Markenwort "KNEIPP" handele es sich zwar um einen für sich gesehen von Haus aus unterscheidungskräftigen Namen. Der Verkehr verbinde mit diesem Namen jedoch vor allem den bekannten Pfarrer Sebastian Kneipp, der im 19. Jahrhundert die schon im Altertum praktizierte Wasserbehandlung wieder aufgenommen und hierzu ein eigenes System entwickelt habe. Die nach ihm benannte Kneipp-Medizin oder Kneipp-Therapie sei ein Behandlungsverfahren, das Wasseranwendungen, Pflanzenwirkstoffe sowie Bewegungs- und Ernährungsempfehlungen umfasse. Diese Therapien fänden häufig im Rahmen sog. Kneipp-Kuren in darauf spezialisierten Kurorten statt. Die Widerspruchsmarke beanspruche in den im Streitfall maßgeblichen Klassen 41 und 44 Schutz für Dienstleistungen, welche sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach mit den Lehren und Therapien des Pfarrers Kneipp befassen könnten und für die sich der Name "KNEIPP" zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt habe. Die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen "Verpflegung" und "Beherbergung von Gästen" der Klasse 43 hätten zwar nicht diese Verfahren oder Therapien zum Gegenstand. Sie könnten jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Behandlungsverfahren stehen, soweit sie auf entsprechende Kurtherapien ausgerichtet oder in diese integriert seien. Sofern der medizinische Fachverkehr das Wort "Kneipp" sachbezogen verstehe, reiche dies für die Annahme einer fehlenden oder minimalen Kennzeichnungskraft aus. Es sei außerdem davon auszugehen, dass auch der angesprochene allgemeine Verkehr das Markenwort ausschließlich beschreibend im Sinne einer gattungsbegrifflichen Bezeichnung verstehen werde. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
Rz. 24
c) Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist daher nur zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widerspruch zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 21.10.2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197 Rz. 28 = WRP 2016, 199 - Bounty; Urt. v. 28.4.2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rz. 36 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube; Urt. v. 10.11.2016 - I ZR 191/15, GRUR 2017, 730 Rz. 23 = WRP 2017, 811 - Sierpinski-Dreieck). Solche Rechtsfehler sind dem BPatG unterlaufen. Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass der Widerspruchsmarke mit der vom BPatG gegebenen Begründung nicht lediglich die schwächste Kennzeichnungskraft für sämtliche in Rede stehenden Dienstleistungen zugemessen werden kann.
Rz. 25
aa) Das BPatG hat gemeint, die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Dienstleistungen könnten sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach mit den Lehren oder Therapien des Pfarrers Kneipp befassen. Es hat dies nicht nur für solche Dienstleistungen angenommen, für die seiner Auffassung nach der Name "Kneipp" als Synonym steht, sondern auch für solche Dienstleistungen, die mit einer durch den Eigennamen "Kneipp" bezeichneten Methode lediglich in Zusammenhang stehen können. Dies beanstandet die Rechtsbeschwerde mit Recht. Das BPatG hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Kennzeichnungskraft bezogen auf die jeweils in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ermittelt werden muss und abhängig vom Waren- oder Dienstleistungsbereich variieren kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2003 - I ZR 236/97, GRUR 2004, 235, 237 [juris Rz. 33] = WRP 2004, 360 - Davidoff II; Urt. v. 29.4.2004 - I ZR 191/01, GRUR 2004, 779, 782 [juris Rz. 55] = WRP 2004, 1046 - Zwilling/Zweibrüder; Urt. v. 5.2.2009, GRUR 2009, 484 Rz. 83 = WRP 2009, 616 - METROBUS).
Rz. 26
(1) Die Dienstleistungen der Klasse 41 - Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten - umfassen ein weites Spektrum von Dienstleistungen im Ausbildungs- und Freizeitbereich, bei denen zumindest teilweise kein auf den ersten Blick erkennbarer Bezug zu den Therapien und Behandlungen besteht, für die nach Ansicht des BPatG der Name "Kneipp" als Synonym steht. Dies gilt jedenfalls für Dienstleistungen im Bereich Unterhaltung und kulturelle Aktivitäten.
Rz. 27
(2) Bei den maßgeblichen Dienstleistungen der Klasse 44 - ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege - besteht zwar ein engerer Zusammenhang mit den Kneipp-Therapien und -Behandlungen. Diese Dienstleistungen umfassen jedoch auch Dienstleistungen, die nicht unmittelbar Gegenstand und Inhalt der durch den Namen "Kneipp" beschriebenen Methode sind. Dies gilt für den Bereich der Schönheitspflege. Das BPatG hat nicht festgestellt, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Namen "Kneipp" als beschreibend auch für solche Dienstleistungen ansehen, die nicht mit den durch den Namen "Kneipp" bezeichneten Behandlungsmethoden identisch sind, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Therapien und Methoden erbracht werden könnten.
Rz. 28
(3) Entsprechendes gilt für die in Rede stehenden Dienstleistungen der Klasse 43 (Verpflegung und Beherbergung von Gästen). In diesem Zusammenhang hat das BPatG ebenfalls nicht festgestellt, dass der angesprochene Verkehr den Namen "Kneipp" für diese Dienstleistungen in einem Maße als beschreibend ansieht, dass das Wort "Kneipp" als Synonym für Beherbergungs- oder Verpflegungsleistungen verwendet wird.
Rz. 29
bb) Die Beurteilung des BPatG, der originär kennzeichnungskräftige Name "Kneipp" habe sich zum Gattungsbegriff entwickelt, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Das BPatG hat zwar angenommen, sowohl der medizinische Fachverkehr als auch der allgemeine Verkehr verstehe diesen Begriff - bezogen auf alle in Rede stehenden Dienstleistungen - als Gattungsbezeichnung. Der angegriffene Beschluss lässt jedoch nicht erkennen, auf welcher tatsächlichen Grundlage das BPatG zu dieser Feststellung gelangt ist.
Rz. 30
(1) Der vom BPatG zur Begründung herangezogene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aus einem anderen Verfahren enthält keine Feststellung des Inhalts, dass die medizinischen Fachkreise den Namen "Kneipp" als Gattungsbezeichnung verstehen. In diesem Beschluss heißt es lediglich, das Wort "Kneipp" könne vom Fachverkehr sachlich verstanden werden. Dabei handele es sich jedoch gleichzeitig um den Namen einer bekannten Person. Aus diesen Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts ergibt sich nicht, dass die medizinischen Fachkreise den Namen "Kneipp" ausschließlich als Sachangabe verstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, genügte dies entgegen der Auffassung des BPatG nicht den strengen Anforderungen für die Annahme, der originär unterscheidungskräftige Name "Kneipp" sei eine Gattungsbezeichnung für ein spezielles Behandlungsverfahren geworden.
Rz. 31
(2) Nach den vom BPatG getroffenen Feststellungen gehören zu den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht nur die Fachkreise, sondern auch der allgemeine Verkehr. Danach kann der Name "Kneipp" nur dann als Gattungsbezeichnung angesehen werden, wenn ihn auch der angesprochene allgemeine Verkehr als Sachbezeichnung versteht. Hiervon ist das BPatG zwar ausgegangen. Allerdings ist nicht erkennbar, worauf diese Annahme beruht. Es hätten in diesem Zusammenhang Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob der allgemeine Verkehr den Namen "Kneipp" als Sachangabe oder - wie die Fachkreise - auch als Hinweis auf eine berühmte Person versteht. Im zweiten Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der allgemeine Verkehr die Widerspruchsmarke als Synonym für die vom Pfarrer Kneipp entwickelten Therapien auffasst.
Rz. 32
d) Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, die Widerspruchsmarke verfüge in allen relevanten Dienstleistungsbereichen lediglich über weit unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzt. Das BPatG hat zugunsten der Widersprechenden eine durch intensive Benutzung gesteigerte Verkehrsbekanntheit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zugunsten der Widersprechenden deshalb davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke über durch Benutzung gesteigerte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt.
Rz. 33
4. Die Rechtsbeschwerde wendet sich außerdem mit Erfolg gegen die Beurteilung des BPatG, es bestehe keine Zeichenähnlichkeit.
Rz. 34
a) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rz. 28 f. - Medien [THOMSON LIFE]; Urt. v. 12.6.2007 - C-334/05 P, Slg. 2007, I-4529 = GRUR 2007, 700 Rz. 41 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH, Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Rz. 28 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urt. v. 22.1.2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rz. 14 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips). Weiter ist es möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (BGH, Urt. v. 5.12.2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rz. 45 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria). Allein der Umstand, dass sämtliche Bestandteile einer zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung den Gesamteindruck der Marke oder Kennzeichnung gleichermaßen bestimmen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der Marke oder Kennzeichnung dominiert oder prägt, führt allerdings nicht dazu, dass diese Bestandteile eine selbständig kennzeichnende Stellung haben. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen (BGH, GRUR 2013, 833 Rz. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2018, 79 Rz. 37 - OXFORD/Oxford Club).
Rz. 35
b) Das BPatG hat angenommen, zwischen der Widerspruchsmarke "KNEIPP" und der angegriffenen Marke "Internationale Kneipp-Aktionstage" bestehe keine hinreichende Zeichenähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Die angegriffene Marke werde durch den Bestandteil "Kneipp" nicht geprägt. Sie werde vom Verkehr als geschlossener Gesamtbegriff wahrgenommen, der auf eine internationale Veranstaltung hinweise. Der Verkehr nehme an, das Element "Kneipp" beschreibe hiermit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen in der Weise, dass sie sich mit den Lehren des Pfarrers Kneipp und den von ihm entwickelten Behandlungsmethoden befassten. Nach der Rechtsprechung des BGH komme zwar in Betracht, eine kraft Benutzung erworbene Kennzeichnungskraft auch bei der Prüfung zu berücksichtigen, welche Bestandteile den Gesamteindruck der angegriffenen Marke bestimmten. Zwar handele es sich bei dem Begriff "Kneipp" in dem angegriffenen Zeichen um ein schwaches oder schutzunfähiges Kennzeichen, das erst durch Benutzung oder Verkehrsdurchsetzung durchschnittliche Kennzeichnungskraft erlangt habe. Auch sei die ältere Marke in identischer Form in das jüngere Kombinationszeichen aufgenommen worden. Die Einbeziehung einer durchschnittlichen oder erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile eines jüngeren Zeichens unterliege jedoch Grenzen. Es müsse berücksichtigt werden, wenn die jüngere Kombinationsmarke als geschlossener Gesamtbegriff mit einer einheitlichen begrifflichen Aussage erscheine. Eine Prägung der jüngeren Kombinationsmarke müsse auch dann ausscheiden, wenn das durchgesetzte ältere Zeichen in der jüngeren Kombinationsmarke auf seinen beschreibenden Kern zurückgeführt werde. Ähnlich liege es im Streitfall. Der angesprochene Verkehr habe keine Veranlassung, die ältere Marke in der jüngeren Zeichenkombination als Hinweis auf die Widersprechende wahrzunehmen. Er werde die Wortfolge als Hinweis auf eine einem internationalen Teilnehmerkreis geöffnete Veranstaltung und hiermit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen verstehen, die sich mit den Lehren und Therapien des Pfarrers Kneipp befassten. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheide damit aus.
Rz. 36
Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Bestandteil "Kneipp" innerhalb der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme. Die weiteren Bestandteile der angegriffenen Marke "Internationale" und "Aktionstage" legten dem Verkehr keine selbständig kennzeichnende Stellung des Zeichenbestandteils "Kneipp" nahe. Dem stehe entgegen, dass die ältere Marke in der angegriffenen Zeichenkombination auf einen bloß beschreibenden Sinngehalt zurückgeführt werde. Deshalb sei auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausgeschlossen.
Rz. 37
c) Die Beurteilung des BPatG, die Widerspruchsmarke und das angegriffene Zeichen seien einander unähnlich, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des BPatG, dem Zeichenvergleich seien die Widerspruchsmarke "KNEIPP" und das angegriffene Zeichen "Internationale Kneipp-Aktionstage" zugrunde zu legen, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
Rz. 38
aa) Eine zusammengesetzte Marke wird durch einen oder mehrere Bestandteile geprägt, wenn aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise alle anderen Markenbestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke daher nicht bestimmen, sondern dafür vernachlässigt werden können (EuGH, GRUR 2007, 700 Rz. 42 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; EuGH, Urt. v. 22.10.2015 - C-20/14, GRUR 2016, 80 Rz. 37 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft], m.w.N.; BGH, Beschl. v. 1.6.2011 - I ZB 52/09, GRUR 2012, 64 Rz. 15 = WRP 2012, 83 - Maalox/Melox-GRY). Die Feststellung, ob ein Bestandteil prägende Bedeutung hat, ist grundsätzlich nur anhand der Gestaltung der Marke selbst zu treffen. Hat jedoch eine nur wenig unterscheidungskräftige Bezeichnung durch ihre (isolierte) Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten, wirkt sich dieser Wandel nicht nur auf die Kennzeichnungskraft des Zeichens selbst aus, sondern bewirkt gleichzeitig, dass dem Zeichen vom Verkehr auch dann ein stärkerer Herkunftshinweis entnommen wird, wenn es ihm nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet (BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 122/00, GRUR 2003, 880, 881 [juris Rz. 13] = WRP 2003, 1228 - City Plus; Urt. v. 19.7.2007 - I ZR 137/04, GRUR 2007, 888 Rz. 24 = WRP 2007, 1193 - Euro-Telekom; BGH, GRUR 2013, 833 Rz. 48 - Culinaria/Villa Culinaria). Wenn das mit der älteren Marke identische Zeichen in dem zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, kann der von diesem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck die Verkehrskreise zu der Annahme veranlassen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. In diesem Fall ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu bejahen (EuGH, GRUR 2016, 80 Rz. 38 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft]). Ein Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens nimmt dagegen keine selbständig kennzeichnende Stellung ein, wenn dieser Bestandteil mit dem oder den anderen Bestandteilen des Zeichens in der Gesamtbetrachtung eine Einheit bildet, die einen anderen Sinn als diese Bestandteile einzeln betrachtet hat (EuGH, GRUR 2016, 80 Rz. 39 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft]; BGH, GRUR 2009, 484 Rz. 34 - METROBUS).
Rz. 39
bb) Das BPatG ist davon ausgegangen, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke infolge Benutzung gesteigert ist. Außerdem ist die ältere Marke in identischer Form in das jüngere Kombinationszeichen aufgenommen worden, weil Unterschiede lediglich in der Groß- oder Kleinschreibung einer Buchstabenfolge regelmäßig nicht aus dem Identitätsbereich hinausführen (BGH, Urt. v. 15.2.2018 - I ZR 138/16, GRUR 2018, 924 Rz. 40 = WRP 2018, 1074 - ORTLIEB, m.w.N.). In einem solchen Fall liegt es nahe, dass die angegriffene Marke durch den Bestandteil "Kneipp" geprägt wird oder zumindest darin eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.
Rz. 40
cc) Entgegen der Ansicht des BPatG besteht im Streitfall keine Veranlassung, die Einbeziehung der durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile des jüngeren Zeichens zu begrenzen.
Rz. 41
(1) Der Umstand, dass ein mit einer älteren Marke identisches Zeichen in einer zusammengesetzten jüngeren Marke enthalten ist und vom Verkehr in diesem Zusammenhang als beschreibend verstanden wird, steht der Annahme nicht entgegen, dass dieses Zeichen die jüngere Marke prägt oder darin eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat. Ein Bestandteil, der nur eine schwache Kennzeichnungskraft besitzt, kann den Gesamteindruck einer zusammengesetzten Marke prägen oder innerhalb dieser Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehmen, da er sich durch seine Position im Zeichen oder durch seine Größe der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und in sein Gedächtnis einprägen kann (EuGH, GRUR 2016, 80 Rz. 40 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft]). Der Anerkennung eines Wortbestandteils als dominierendes Element im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen steht es nicht entgegen, wenn er als rein beschreibend anzusehen ist (EuGH, Urt. v. 19.3.2015 - C-182/14 P, GRUR-Int. 2015, 463 Rz. 34 - MEGA Brandes International/HABM [MAGNEXT/MAGNET 4]).
Rz. 42
(2) Es ist danach nicht ausgeschlossen, einem originär schwach kennzeichnungskräftigen Zeichen, bei dem zu unterstellen ist, dass dessen Kennzeichenkraft durch Warenumsatz und Werbeaufwendungen gesteigert ist, innerhalb eines Gesamtzeichens prägende Bedeutung zuzumessen (BGH, GRUR 2013, 833 Rz. 36 bis 41, 48 - Culinaria/Villa Culinaria). Soweit der Senat in der Entscheidung "Culinaria/Villa Culinaria" außerdem ausgeführt hat, es liege nahe, dass ein Bestandteil ein zusammengesetztes Zeichen präge, wenn dem Bestandteil im Gesamtzeichen gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass ein in ein Gesamtzeichen aufgenommenes Zeichen dieses stets prägt, wenn es über gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Es ist vielmehr das jeweils in Rede stehende Gesamtzeichen in den Blick zu nehmen und im Einzelfall zu prüfen, ob alle anderen Bestandteile dieses Gesamtzeichens weitgehend in den Hintergrund treten.
Rz. 43
dd) Dem BPatG kann nicht darin zugestimmt werden, dass Zeichenunähnlichkeit vorliegt, weil der Verkehr keine Veranlassung habe, die ältere Marke in der angegriffenen Marke als solche zu erkennen.
Rz. 44
(1) Zwar ist es möglich, dass ein mit der älteren Marke identisches Zeichen in einem jüngeren Zeichen nicht als solches erkannt wird, weil es durch die Zusammenschreibung und durch Anfügung eines weiteren Wortbestandteils eine neue Bedeutung erhält. Sieht z.B. der Verkehr in dem Zeichen "Metrobus" im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen mit Autobussen im Linienverkehr und mit Fahrplaninformationen ein Beförderungsangebot innerhalb des Verkehrsverbunds einer Großstadt, liegt es fern, dass der Verkehr den Gesamtbegriff in die Bestandteile "Metro" und "bus" aufspaltet und den Bestandteil "Metro" mit der dem bekannten Unternehmenskennzeichen entsprechenden Marke "METRO" gedanklich in Verbindung bringt (BGH, GRUR 2009, 484 Rz. 34 - METROBUS). So liegt der Streitfall jedoch nicht. Nach den Feststellungen des BPatG wird das Zeichen oder der Zeichenbestandteil "Kneipp" sowohl in der älteren als auch in der jüngeren Marke in identischer Weise als Hinweis auf den Pfarrer Kneipp und die von ihm entwickelten Lehren und Therapien verstanden.
Rz. 45
(2) Das BPatG hat außerdem nicht in Erwägung gezogen, dass die weiteren Bestandteile des angegriffenen Zeichens "Internationale" und "Aktionstage" jegliche einem internationalen Teilnehmerkreis geöffnete Veranstaltung bezeichnen können und erst der Zeichenbestandteil "Kneipp" diese Veranstaltung thematisch und inhaltlich konkretisiert. Da dem Zeichen "KNEIPP" nach den bislang getroffenen Feststellungen des BPatG nicht jegliche originäre Kennzeichnungskraft abgesprochen werden kann und zudem im Rechtsbeschwerdeverfahren eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu unterstellen ist, liegt es deshalb nahe, dem Zeichenbestandteil "Kneipp" in der jüngeren Marke eine prägende oder zumindest eine selbständig kennzeichnende Stellung zuzubilligen, weil die übrigen Zeichenbestandteile vernachlässigt werden können.
Rz. 46
5. Danach kann die Beurteilung des BPatG keinen Bestand haben, Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil die angegriffene Marke nicht durch den Bestandteil "Kneipp" geprägt werde. Aus denselben Gründen ist auch die Annahme des BPatG von Rechtsfehlern beeinflusst, es scheide auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne und der Sonderschutz der bekannten Marke aus.
Rz. 47
IV. Im vorliegenden Verfahren stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV erfordern.
Rz. 48
V. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Fundstellen
BB 2019, 2049 |
BlPMZ 2019, 363 |
GRUR 2019, 1058 |
JZ 2019, 686 |
MDR 2019, 1324 |
WRP 2019, 1316 |
BPatGE 2022, 298 |
GRUR-Prax 2019, 438 |
IP kompakt 2019, 16 |
MarkenR 2019, 415 |
Mitt. 2019, 515 |