Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.08.2021; Aktenzeichen I-13 U 95/21) |
LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 19.04.2021; Aktenzeichen 10 O 106/20) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 13. Senats für Zivilsachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. August 2021 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt bis 35.000 €.
Gründe
A.
Rz. 1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Diesel-Pkw. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist ihm am 19. April 2021 zugestellt worden. Hiergegen hat er am 19. Mai 2021 Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist bis zum Ablauf des 21. Juni 2021 (Montag) bei dem Oberlandesgericht nicht eingegangen. Am 29. Juni 2021 hat das Oberlandesgericht ihn auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen und um Stellungnahme gebeten, ob die Berufung zurückgenommen werde. Nach Verlängerung der Stellungnahmefrist bis zum 14. Juli 2021 hat der Kläger an jenem Tag die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungsbegründung sei am 21. Juni 2021 versehentlich an das Landgericht versandt worden. Nach Kontrolle des Protokolls des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) habe sein Prozessbevollmächtigter die zuständige Büromitarbeiterin auf diesen Umstand mündlich hingewiesen und sie aufgefordert, dies zu erledigen. Wegen mehrfacher Fristsachen habe diese es versäumt, den Versand an das korrekte Gericht nachzuholen.
Rz. 2
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht nach erneutem Hinweis die Berufung des Klägers unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumung unverschuldet gewesen sei. Habe der Rechtsanwalt eine Kanzleiangestellte angewiesen, den bereits von ihm unterzeichneten Schriftsatz hinsichtlich der Adressangabe zu korrigieren und ihn ohne erneute Vorlage an das zuständige Gericht zu senden, müsse er zur Absicherung der Ausführung seiner Einzelanweisung zusätzliche Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, dass die Kanzleiangestellte die ihr zum Zwecke der Korrektur des Fehlers erteilte Einzelanweisung tatsächlich befolge. Gleiches müsse gelten, wenn die an das richtige Gericht adressierte Rechtsmittelbegründungsschrift wie hier versehentlich an das falsche Gericht übersandt worden sei. Der Kläger habe zwar vorgetragen, die Büromitarbeiterin sei zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal darauf angesprochen worden, ob der Versand an das Oberlandesgericht nunmehr erfolgt sei. Man habe es indes bei deren Antwort belassen, sie werde den Versand nunmehr unverzüglich erledigen, ohne dies zu kontrollieren. Ungeachtet dessen fehle es an der erforderlichen Glaubhaftmachung, dass der Klägervertreter die Mitarbeiterin auf die erneute Versendung angesprochen habe.
Rz. 3
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
B.
Rz. 4
I. Rechtsbeschwerdegegnerin ist die Beklagte unter ihrer neuen Firma "Mercedes-Benz Group AG". Der Senat kann das Rubrum entsprechend berichtigen, weil die Identität der Beklagten gewahrt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2003 - X ZB 47/02, juris Rn. 8 ff.). Dass die Beklagte nunmehr wie aus dem Rubrum ersichtlich heißt, hat sie durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen und stellt der Kläger für sich nicht in Frage. Darauf, ob die Beklagte im Zuge einer im Handelsregister verlautbarten Ausgliederung zur Aufnahme Geschäftsbereiche auf Tochtergesellschaften übertragen hat, kommt es nicht an.
Rz. 5
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt die angefochtene Entscheidung nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen.
Rz. 6
1. Ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts an der Fristversäumung ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Ihn trifft unter diesen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - XII ZB 379/19, NJW-RR 2020, 501 Rn. 9; Beschluss vom 17. März 2020 - VI ZB 99/19, VersR 2021, 131 Rn. 11). Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät. Dafür genügt im Regelfall die klare und präzise Anweisung, die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 12; Beschluss vom 17. März 2020, aaO).
Rz. 7
2. Daran gemessen beruht die Fristversäumung auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden und nicht allein auf einem Versehen einer bisher zuverlässigen Angestellten.
Rz. 8
a) Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers bemerkt hatte, dass die Berufungsbegründung versehentlich an das Landgericht versandt worden war, konnte er nicht mehr davon ausgehen, er erteile die Anweisung, den Schriftsatz erneut - nunmehr an das Oberlandesgericht - zu übersenden, einer sonst zuverlässigen Angestellten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2015 - XII ZB 583/14, WM 2016, 142 Rn. 17 f.; Beschluss vom 23. März 2021 - XI ZB 8/20, juris Rn. 14). Der Prozessbevollmächtigte hätte daher nicht auf Sicherheitsvorkehrungen verzichten dürfen. Vielmehr war er gehalten, über die mündlich erteilte Weisung hinaus durch weitere Maßnahmen sicherzustellen, dass der Schriftsatz korrekt versandt wird, etwa indem er sich die Eingangsbestätigung (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) der erneuten Versendung hätte vorlegen lassen. Dass entsprechende Maßnahmen allgemein angeordnet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Januar 2019 - XI ZB 20/18, juris Rn. 7; Beschluss vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44 ff., jeweils mwN) oder im Einzelfall getroffen worden wären, hat der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Rz. 9
b) Nichts anderes gilt, soweit sich der Kläger auf eine spätere Nachfrage des Prozessbevollmächtigten bei der Angestellten beruft, ob der Versand an das Oberlandesgericht nunmehr erfolgt sei, worauf diese geantwortet habe, sie werde den korrekten Versand nun erledigen. Nach dem Gesagten hätte sich der Prozessbevollmächtigte nicht mit einer solchen Antwort der Angestellten begnügen dürfen. Unabhängig davon hat der Kläger eine erneute Anfrage des Prozessbevollmächtigten bei der Angestellten und deren Antwort nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen verhalten sich hierzu nicht.
Rz. 10
c) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil eine Versendung im elektronischen Rechtsverkehr in Rede steht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA entsprechen denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21 mwN). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es auf Einzelfragen der Funktionsweise des beA nicht an, weshalb es insoweit auch keiner Hinweise des Berufungsgerichts bedurfte. Auch sonst zeigt die Rechtsbeschwerde keine Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung auf.
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